# taz.de -- Spekulativer Leerstand in Berlin: Mieter dürfen bleiben | |
> Die Arcadia Estates erlebt vor dem Amtsgericht Berlin im Räumungsprozess | |
> gegen Altmieter*innen der Habersaathstraße 40-48 erneut eine | |
> Niederlage. | |
Bild: Ein Abriss der Habersaathstraße 40–48 rückt in immer weitere Ferne | |
BERLIN taz | Nur zwei Minuten dauert der Prozess am Mittwochmorgen vor dem | |
Amtsgericht Mitte, bei dem die Räumungsklage der Arcadia Estates gegen drei | |
Altmieter*innen der Habersaathstraße 40–48 verhandelt wird. In diesen | |
zwei Minuten wird klar: Auch dieses mal wird der Immobilienkonzern mit | |
seinen Kündigungen der langjährigen Bewohner*innen wohl keine Chance | |
haben – auch wenn das Urteil erst Mitte Dezember verkündet werden soll. | |
[1][Bereits im August] hatte das Gericht geurteilt, dass | |
Mieter*innenschutz vor Profitmaximierung geht, und die | |
Verwertungskündigung der Arcadia abgewiesen. Die Richterin folgte am | |
Mittwoch dieser Argumentation: Dass dem Investor durch den Fortbestand des | |
Mietverhältnisses „erhebliche Nachteile“ entstehen, konnte sie nicht | |
erkennen. | |
„Der Wert des Hauses ist gestiegen“ und die Wirtschaftlichkeit damit | |
gegeben. Dem Eigentümer Andreas Pichotta gehe es bei der Räumung nur um die | |
„Gewinnmaximierung“ und nicht um das „Gemeinwohl“, kritisiert sie. Durch | |
den Zuschauerraum, in dem sich viele Unterstützer*innen der 15 | |
verbliebenen Mieter*innen des Plattenbaus eingefunden haben, geht ein | |
zustimmendes Raunen. „Es ist eine gute Nachricht“, sagt Kalle Gerigk vom | |
Bündnis Recht auf Stadt, das sich gegen den Leerstand von gut erhaltenen | |
Häusern und die Zweckentfremdung von Wohnraum einsetzt, nach der | |
Verhandlung zur taz. | |
Der Konflikt um die Habersaathstraße beschäftigt die Gerichte bereits seit | |
Längerem: 2017 hatte die Arcadia den in den 1980er Jahren errichteten | |
Komplex gekauft. Nur wenige Monate später kündigte das Unternehmen an, dort | |
Luxusapartments errichten zu wollen. Obwohl die gut 100 Wohnungen noch in | |
gutem Zustand waren und von Mieter*innen mit unbefristeten Verträgen | |
bewohnt wurden, wollte die Arcadia das Gebäude abreißen lassen. | |
## Rechtswidrige Räumungsversuche | |
Weil das Bezirksamt darin eine Zweckentfremdung von „schützenswertem | |
Wohnraum“ sah, verweigerte es zunächst die Abrissgenehmigung und der Fall | |
landete nach langen, ergebnislosen Verhandlungen vor dem | |
Oberverwaltungsgericht. In der Zwischenzeit ließ Pichotta das Gebäude | |
zunehmend verfallen und einen Großteil der Wohnungen leerstehen. | |
Dann kam die Pandemie, und die Initiative Leerstand-Hab-ich-Saath konnte | |
[2][nach zwei Hausbesetzungen] durch eine Einigung mit dem Bezirk die | |
Unterbringung von rund 60 obdachlosen Personen in der Habersaathstraße | |
durchsetzen. Obwohl sich die Bezirksverordnetenversammlung mehrfach für | |
Beschlagnahme des Gebäudes ausgesprochen hatte, einigten sich der Bezirk | |
und die Arcadia im vergangenen Jahr jedoch auf [3][einen Deal], der eine | |
Bau- und Abrissgenehmigung beinhaltete. | |
Seitdem versuchte der Eigentümer bereits mehrfach, die | |
[4][Bewohner*innen rechtswidrig zu räumen] oder ihnen den Zutritt zu | |
verwehren – zuletzt am vergangenen Freitag durch einen Austausch der | |
Schlösser. Der Vorsitzende des Mieterrats, Daniel Diekmann, berichtet der | |
taz von einer zunehmend schlechter werdenden Wohnsituation. „Ich hatte | |
zwischenzeitlich vier Tage lang keinen Strom und keinen Zutritt zu meiner | |
Wohnung“, sagt er. | |
Trotzdem ist er über die klaren Worte der Richterin erleichtert. Auch weil | |
diese ein Signal sein könnten für die vier noch ausstehenden Prozesse gegen | |
die anderen Altmieter:innen. | |
11 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Yannick Wohlfelder | |
Marie Frank | |
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