# taz.de -- Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch: „Die Lage ist schlimm ge… | |
> Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch über die Forderung nach mehr | |
> Polizeipräsenz, Fake News von CDU-Senatschef Wegner und Angriffe auf ihre | |
> Partei. | |
Bild: „Fundamentalopposition wäre mir zu billig“: Grünen-Fraktionschefin … | |
taz: Frau Jarasch, CDU und SPD beschwören ständig das heitere Miteinander | |
im Senat als das große Novum zum alten Zank und Streit und der Spaltung der | |
Stadt, woran einzig und allein eine Partei schuld gewesen sei: die Grünen. | |
Nervt Sie das permanente Grünen-Bashing? | |
Bettina Jarasch: Das neue Miteinander besteht bislang nur aus gemeinsamen | |
Ankündigungen. Da hat die Stadt relativ wenig davon. Sich nicht zu | |
streiten, heißt noch lange nicht, dass endlich mal angepackt wird, und das | |
war doch das Versprechen dieser neuen Koalition. | |
Trotzdem geht es mantraartig gegen die Grünen, zuletzt vor einer Woche beim | |
Sicherheitsgipfel. Da stehen Sie jetzt ernsthaft drüber und sagen: Mir doch | |
egal? | |
Es sagt doch mehr über Schwarz-Rot als über uns Grüne aus, wenn die einzige | |
Gemeinsamkeit in dieser Koalition ist, dass sie beide gegen die Grünen | |
sind. Hinter den Kulissen ist da nichts, was die Koalition gemeinsam will. | |
Aus dieser destruktiven Grundhaltung kann keine produktive Politik für die | |
Stadt werden. | |
Sie betonen immer wieder, dass die Grünen konstruktive Oppositionsarbeit | |
machen wollen. Reizt Sie angesichts des Dauerbeschusses nicht doch manchmal | |
das Modell Fundamentalopposition? | |
Nein, das reizt mich null. Wir sind nach der Wiederholungswahl aus dem | |
Regieren rausgerissen worden. Wir wollten gestalten, wir waren ja mit | |
vielen Dingen noch nicht fertig. Und wir wollen weiterhin gestalten. Das | |
heißt, wir werden auch aus der Opposition heraus Sachen vorantreiben. | |
Beispielsweise bei der [1][Absenkung des Wahlalters] haben wir jetzt drei | |
Monate Druck gemacht, weil sich die Koalitionsfraktionen nicht einigen | |
konnten. | |
Ein entsprechender Gesetzentwurf ist ja jetzt vom Senat auf den Weg | |
gebracht worden. Aber doch nicht nur auf Druck der Grünen? | |
Ich will mit Lösungsvorschlägen kommen, nicht nur mit Kritik. | |
Fundamentalopposition wäre mir zu billig. Oder nehmen Sie den | |
Sicherheitsgipfel. Da waren es die grünen Bezirksbürgermeisterinnen, die | |
Vernunft in die Debatte gebracht haben, indem sie offensiv auf den | |
Regierenden Bürgermeister zugegangen sind und gesagt haben: Wenn Sie | |
wirklich Sicherheit im öffentlichen Raum wollen, dann geht das nur, wenn | |
Land und Bezirke gemeinsam handeln. | |
Clara Herrmann, die grüne Bezirksbürgermeisterin von | |
Friedrichshain-Kreuzberg, scheint [2][nicht sonderlich zufrieden] damit, | |
dass der Görlitzer Park nach dem Willen von CDU und SPD mit einem Zaun und | |
nächtlichen Schließungen beglückt werden soll. Das soll das neue | |
Miteinander sein? | |
Auf dem Gipfel ist ein umfangreiches Maßnahmenpaket verabschiedet worden, | |
wobei 90 Prozent der [3][Forderungen der grünen Bürgermeisterinnen] Clara | |
Herrmann und Stefanie Remlinger aus Mitte zugesagt wurden. Da geht es um | |
Drogenkonsumräume, Notschlafmöglichkeiten für obdachlose Süchtige, die | |
Umgestaltung von Parks und Plätzen, auch um mehr sichtbare Polizeipräsenz. | |
Ich erwarte, dass der Senat diese Zusagen einhält. | |
Das hätte es in den Anfangsjahren der Berliner Grünen auch nicht gegeben, | |
dass Ihre Partei mehr Polizeipräsenz fordert. | |
Das wünschen sich alle da, nicht nur die Anwohnenden und die, die den | |
Görlitzer Park oder den [4][Leopoldplatz in Mitte] nutzen wollen. Das | |
wünschen sich auch die Sozialarbeiter:innen. Und ja, auch wir wollen dort | |
mehr mehr Polizeipräsenz. | |
Kritiker:innen wie die [5][Initiative „Wrangelkiez United“] sagen, die | |
Polizei ist nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Stichwort: Racial | |
Profiling. | |
Racial Profiling muss im Zuge der Reform des ASOG, des Allgemeinen | |
Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, endlich verboten werden. Da sind wir | |
unter Rot-Grün-Rot nicht bis ans Ende gekommen. Es ändert aber nichts | |
daran, dass alle Praktiker:innen vor Ort und auch die | |
Wohlfahrtsverbände sagen: Wir brauchen vor Ort Polizei, aber | |
Polizeibeamt:innen, die sie kennen, feste Ansprechpersonen, mit denen sie | |
regelmäßig zusammenarbeiten können. | |
Unmittelbar nach dem Gipfel hatten Sie erklärt, der eigentliche Erfolg des | |
Treffens sei die Erkenntnis, dass es mehr Sicherheit nur mit sozialer Hilfe | |
gebe. Hat Sie diese Auch-Fokussierung auf den Bereich Prävention bei | |
Schwarz-Rot überrascht? | |
Das ist in der Tat neu. Besonders was die SPD betrifft, eine Partei, die | |
sich doch das Soziale so sehr auf die Fahnen schreibt: Da bin ich doch | |
erstaunt, dass erst mal die grünen Bezirksbürgermeisterinnen daherkommen | |
mussten und der Regierende von der CDU einen Sicherheitsgipfel macht, bevor | |
auch die SPD entdeckt, dass man soziale Konflikte nur mit sozialen | |
Maßnahmen lösen kann. | |
Die aber überhaupt nicht finanziell untersetzt sind… | |
Richtig. Dass beide Regierungsparteien die Dimension des Problems bislang | |
überhaupt nicht erkannt haben, merkt man an den Haushaltsverhandlungen, wo | |
gerade an den neuralgischen Punkten wie der Drogenhilfe und der | |
Wohnungslosenhilfe sogar Gelder gekürzt worden sind. Das kann kaum die | |
Antwort sein, um der Verelendung im öffentlichen Raum zu begegnen. | |
Der Zaun wird sicher finanziert, das ist schließlich ein Stück weit die | |
neue „Kotti-Wache“ von SPD-Innensenatorin Iris Spranger. [6][Die Linke | |
befürchtet], dass vom ganzen Katalog am Ende nur der Repressionsteil | |
übrigbleibt. Teilen Sie die Befürchtung? | |
Ganz klar: Ich lasse nicht zu, dass Schwarz-Rot billig davonkommt mit einem | |
Stück Maschendrahtzaun, das ist nicht der Kern des Maßnahmenpakets. Wenn | |
tatsächlich nur der Teil Repression finanziert wird, wäre das ein | |
persönliches Versagen des Regierenden Bürgermeisters. Denn Kai Wegner hat | |
mit dem Sicherheitsgipfel das Versprechen gemacht, dass man die Verelendung | |
im öffentlichen Raum jetzt endlich gemeinsam und umfassend angeht, und das | |
bedeutet eben Sicherheit und Soziales zusammen. Wenn Schwarz-Rot dafür | |
nicht ausreichend Geld im Haushalt zur Verfügung stellt, dann hat Wegner | |
ein leeres Versprechen an einem Punkt gemacht, der die Menschen in dieser | |
Stadt richtig umtreibt. Das kann er sich nicht leisten. | |
Sie fordern einen 50-Millionen-Euro-Fonds für urbane Sicherheit. Wie kommen | |
Sie auf die Summe? | |
Wir wollen einen Fonds, auf den alle zwölf Bezirke zugreifen können, um | |
Maßnahmen vor Ort finanzieren zu können. Denn die Verelendung nimmt in der | |
gesamten Stadt zu, nicht nur am Görli oder am Leo. Gleichzeitig müssen die | |
Kürzungen für Suchthilfe und Wohnungslose zurückgenommen werden. Sollte | |
Schwarz-Rot über die 50 Millionen hinausgehen, werde ich mich garantiert | |
nicht beschweren. | |
Der Regierende Kai Wegner hat jüngst gesagt, er erwartet von den Grünen, | |
dass sie mehr Pragmatismus entwickeln. Jenseits der Ausfinanzierung der | |
Sicherheitsgipfel-Projekte: Was erwartet Bettina Jarasch von der CDU? | |
Dass die CDU endlich mal ins Machen kommt. All diese Angriffe auf die | |
Grünen sind immer noch Wahlkampfrhetorik. Das ziemt sich nicht für einen | |
Regierenden Bürgermeister, der seit über vier Monaten im Amt ist. Kai | |
Wegner hat beim CDU-Parteitag am letzten Wochenende ja verkündet, jetzt | |
käme die große Zeit des Sowohl-als-auch. Ich kann nur sagen: Wenn er an | |
solchen Stellen wie den Sicherheitsgipfel-Ankündigungen nicht liefert, dann | |
haben wir am Ende kein Sowohl-als-auch, sondern ein Weder-noch. | |
Kaufen Sie der CDU Berlin eigentlich ihr [7][fesches neues Image] als | |
Allesversöhner und soziale Kümmerer und moderne Großstadtpartei ab? | |
Das wird Kai Wegner erst beweisen müssen. Eines zumindest möchte ich aber | |
an der Stelle anerkennen: Er hat sehr klare Kante gezeigt in Sachen | |
[8][Zusammenarbeit mit der AfD] und in der Hinsicht den Kurs von | |
CDU-Bundeschef Friedrich Merz unmissverständlich zurückgewiesen. Das glaube | |
ich ihm. Das halte ich für wichtig, und ich bin sehr froh, dass er das | |
gemacht hat. Gleichzeitig bin ich gerade ratlos, was Kai Wegner mit seiner | |
offenbar erfundenen Geschichte über 14-jährige Mädchen im Görli erreichen | |
möchte. | |
Sie meinen die Behauptung Wegners, dass 14-jährige Mädchen von Dealern in | |
Drogensucht und Prostitution getrieben werden? | |
Genau. Polizei und Staatsanwaltschaft widersprechen dieser Darstellung, | |
Wegner hält trotzdem daran fest. Die Lage im Görlitzer Park ist schlimm | |
genug. Eine solche Lage verträgt keine Fake News aus dem Roten Rathaus. | |
Wie werden sich die Grünen mit Blick auf das Gutachten zu den | |
CDU-Parteispenden des Immobilienunternehmers [9][Christoph Gröner] | |
verhalten? Klagen? | |
Die Aussagen des Immobilienlobbyisten und des CDU-Chefs Wegner sind sehr | |
widersprüchlich, erst hatte Gröner Bedingungen an seine Spende über 800.000 | |
Euro geknüpft, dann angeblich doch nicht. Kai Wegner darf sich dazu nicht | |
weiter ausschweigen. Wie kam es zur Großspende und welche Absprachen gab es | |
im Hintergrund? Bereits der böse Schein der käuflichen Politik zerstört | |
Vertrauen in die Demokratie. Deshalb erwarte ich, dass sich Kai Wegner und | |
die Berliner CDU dazu verhalten und die Zeit der CDU-Spendenskandale und | |
schwarzen Koffer hinter sich lassen. Unsere Partei prüft das Gutachten und | |
berät noch die nächsten Schritte. Kai Wegner sollte uns allen eine weitere | |
Hängepartie ersparen und selbst für vollständige Transparenz sorgen – indem | |
er die Stellungnahme veröffentlicht, die die CDU im Rahmen der Überprüfung | |
der Spende abgegeben hat. | |
14 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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