| # taz.de -- LGBTQ+-Rechte in Bulgarien: Zwei Lesben bekommen recht | |
| > Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilt, Bulgarien muss im | |
| > Ausland geschlossene Ehen anerkennen. Das kann noch weitere Folgen haben. | |
| Bild: LGBT Parade in Sofia | |
| Berlin taz | Ein wichtiger Etappensieg für die LGBTQ+-Community in | |
| Bulgarien: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in | |
| Straßburg hat am Dienstag zugunsten eines bulgarischen lesbischen Paares | |
| entschieden, dessen im Ausland geschlossene Ehe in seinem Heimatland nicht | |
| anerkannt worden war. | |
| Laut dem Urteil, das einstimmig erging, sei im vorliegenden Fall Artikel 8 | |
| der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt worden. Dieser | |
| garantiert jeder Person das Recht auf Achtung des Privat- und | |
| Familienlebens. | |
| Für den Gerichtshof sei klar, dass die [1][bulgarischen Behörden bisher | |
| keine Schritte unternommen] hätten, um angemessene gesetzliche Regelungen | |
| im Hinblick auf die Anerkennung von Lebensgemeinschaften zwischen Personen | |
| gleichen Geschlechts zu erlassen. Die Betroffenen könnten daher nicht | |
| essenzielle Aspekte ihres Lebens regeln, wie Eigentums- und | |
| Erbschaftsangelegenheiten sowie den Schutz vor häuslicher Gewalt, heißt es | |
| in der Begründung des Urteils. | |
| Die beiden Frauen, Darina Koilowa und Lilia Babulkowa, die seit 14 Jahren | |
| liiert sind, hatten 2016 in Großbritannien geheiratet. Ein Jahr lang | |
| verweigerte ihnen die Verwaltung der bulgarischen Hauptstadt Sofia die | |
| Anerkennung ihrer Ehe. Laut Verfassung ist die Ehe ein Akt zwischen Mann | |
| und Frau. Das sahen Frau und Frau nicht ein: Sie klagten gegen die | |
| Entscheidung. Jedoch bestätigte die Entscheidung 2019 erst das | |
| Verwaltungsgericht und dann der Oberste Gerichtshof. 2020 landete der Fall | |
| in Straßburg von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – mit | |
| aktuell anderem Ausgang. | |
| ## Legales Vakuum | |
| Die bulgarische Nichtregierungsorganisation Dejstvie (Aktion), die sich für | |
| die Rechte von Angehörigen der LGBTQ+-Community einsetzt, bezeichnete das | |
| Straßburger Urteil als „historisch“ und „fundamental“. Es sei ein gro�… | |
| Schritt auf dem Weg zu einer Gleichstellung und werde viele Probleme von | |
| Menschen lösen helfen, die derzeit noch in einem legalen Vakuum | |
| existierten. | |
| Denitsa Ljubenowa, Mitglied bei Dejstvie, hofft im konkreten Fall Koilowa | |
| und Babulkowa auf weitere Erfolge. So ist vor dem Sofioter Stadtgericht | |
| derzeit ein Verfahren Koilowas anhängig, die ihren Familiennamen ändern | |
| lassen möchte. Zudem streiten sich die Frauen mit dem Zentrum für | |
| Reproduktionsmedizin, das ihnen die Finanzierung einer Behandlung | |
| verweigert. Auch in dieser Hinsicht könnte, so Ljubenowa, die | |
| EGMR-Entscheidung zu einem wichtigen Faktor werden. | |
| Die [2][LGBTQ+-Community sieht sich immer wieder mit Gewalt], Hass-Sprache | |
| sowie Diskriminierung konfrontiert. Besonders hervor tut sich dabei auch | |
| die prorussische ultranationalistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt), | |
| die derzeit mit 37 Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten ist. | |
| Im Juni hatte der EGMR Bulgarien dazu verurteilt, der Mutter eines | |
| 26-Jährigen eine Entschädigung zu zahlen, der durch einen homophoben | |
| Angriff in Sofia 2008 getötet worden war. Darüber hinaus hatten die | |
| Straßburger Richter Sofia dazu aufgefordert, das Strafrecht bezüglich von | |
| homophoben Straftaten anzupassen. Dieser Forderung kam das Parlament im | |
| vergangenen Juli nach. | |
| ## Istanbul-Konvention noch nicht ratifiziert | |
| Die weit verbreitete Abneigung gegen sexuelle Minderheiten in Bulgarien ist | |
| auch mit ein Grund dafür, dass der Balkanstaat immer noch nicht die | |
| Istanbul-Konvention ratifiziert hat – ein Übereinkommen des Europarats zur | |
| Verhütung und Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen. | |
| Besagtes Dokument wird von Kritiker*innen als „Einfallstor“ gesehen, um | |
| „Genderismus“ und die „LGBTQ+-Ideologie“ hoffähig zu machen. | |
| Die Istanbul-Konvention war allerdings zuletzt ein großes Thema in | |
| Bulgarien. Ende Juli hatte der Fall einer 18-Jährigen tausende Menschen in | |
| Bulgarien auf die Straße gebracht. Die junge Frau war von ihrem Ex-Partner | |
| schwer misshandelt worden, der mutmaßliche Täter jedoch bereits nach kurzer | |
| Zeit wieder auf freien Fuß gekommen. Mittlerweile ist er erneut in Haft. | |
| Nicht zuletzt [3][unter dem Druck der Proteste] stimmte das Parlament | |
| bereits eine Woche später für Änderungen eines entsprechenden Gesetzes, um | |
| Menschen künftig effektiver vor häuslicher Gewalt zu schützen. | |
| 6 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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