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# taz.de -- Proteste in Bulgarien: „Genozid an Frauen stoppen!“
> In Bulgarien protestieren Tausende gegen Gewalt an Frauen. Nach einem
> brutalen Angriff auf eine 18-Jährige und Justizversagen fordern sie
> Reformen.
Bild: „Wie viele Frauen noch?“ Proteste am Montag in der Hauptstadt Sofia
Berlin taz | In Bulgarien sind am Montagabend landesweit Tausende Menschen
gegen Gewalt an Frauen auf die Straße gegangen. Allein im Zentrum der
Hauptstadt Sofia versammelten sich rund 5.000 Protestierende. „Wir werden
nicht schweigen!“, „Nicht eine einzige Frau mehr!“ und „Den Genozid an
Frauen stoppen!“ war auf Plakaten zu lesen. Gefordert wurden eine Reform
des Justizsystems und Änderungen entsprechender Gesetze, um Frauen besser
schützen zu können.
Auslöser der Proteste ist der Fall einer 18-Jährigen aus der Stadt Stara
Zagora. Die junge Frau war bereits am 26. Juni von ihrem Ex-Freund brutal
überfallen worden. Bei dem Angriff waren ihr mit einem Plastikmesser
zahlreiche Stichwunden zugefügt, die Nase gebrochen sowie der Kopf rasiert
worden.
Kurz darauf war der mutmaßliche Täter festgenommen worden. Der Vorwurf
lautete auf „Körperverletzung mittleren Grades“. Danach legte der
26-Jährige in zweiter Instanz Berufung vor dem Bezirksgericht Stara Zagora
ein und kam wieder auf freien Fuß. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung
war zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine
„leichte Körperverletzung“ handele.
Unter wachsendem öffentlichen Druck wurde er am vergangenen Sonntag erneut
in Haft genommen. Plötzlich war die Rede von zwei Textnachrichten mit
Todesdrohungen, die er unmittelbar vor dem Tat an seine frühere Partnerin
geschickt haben soll. Wie das Nachrichtenportal balkan insight berichtet,
soll er zum Zeitpunkt des Überfalls wegen einer anderen Tat eine
Bewährungsstrafe verbüßt haben.
## Großes Entsetzen
Der Fall hatte am vergangenen Wochenende bereits Frauengruppen auf den Plan
gerufen. Die Tatsache, dass diese Misshandlungen lediglich als leichte
Körperverletzungen qualifiziert wurden, hatte Entsetzen ausgelöst. Das
sende eine Botschaft an alle Opfer von Missbrauch, dass ihr Schmerz und
Schrecken ungestraft bleibe, heißt es in einer Stellungnahme der
Bulgarischen Stiftung für Frauen.
Das Parlament hatte kürzlich in zweiter Lesung mehrere Änderungen des
Gesetzes gegen häusliche Gewalt angenommen. Darin sind unter anderem ein
verbessertes System zur Anzeige geschlechtsspezifischer Straftaten, sowie
die Bildung eines nationalen Rates zur Prävention und zum Schutz gegen
häusliche Gewalt vorgesehen.
Kritiker*innen bemängeln, dass diese Neuerungen nicht ausreichten. So
klammerten die Bestimmungen nichteheliche Beziehungen nach wie vor aus. Das
geht aus einem offenen Brief hervor, den 48 Organisationen am Wochenende
unterzeichneten. Darin werden weitere Änderungen gefordert.
Laut Polizeiangaben wurden in Bulgarien in den ersten drei Monaten dieses
Jahres 18 Frauen getötet. Das Land hat bislang [1][die Istanbul-Konvention]
– das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt
gegen Frauen und häuslicher Gewalt – nicht ratifiziert. Das Hauptargument
der Gegner*innen: Unter Verwendung des Begriffes „Gender“ legalisiere die
Konvention ein drittes Geschlecht.
## Erster Rücktritt
Im Zuge der Proteste ist übrigens bereits der erste Kopf gerollt. Am
Dienstag gab der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt von Stara Zagora,
Georgi Widew, seinen Rücktritt bekannt, wie das bulgarische
Nachrichtenportal mediapool.bg berichtete.
Entsprechenden Druck hatte offensichtlich der Generalstaatsanwalt Borislaw
Sarafow aufgebaut. Er sei entsetzt über Widews Vorgehen, der nicht sofort
eine dauerhafte Festnahme des Beschuldigen beantragt habe. Offensichtlich
verfüge Widew nicht über die erforderlichen Fach- und Führungsqualitäten
für seinen Posten.
1 Aug 2023
## LINKS
[1] /Kiew-entscheidet-fuer-Istanbul-Konvention/!5859724
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Bulgarien
Gewalt gegen Frauen
Demonstrationen
Schwerpunkt LGBTQIA
Feminismus
Bojko Borissow
Istanbul-Konvention
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