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# taz.de -- Gewalt gegen Frauen in Bulgarien: Der Druck von unten wirkt
> Nach Misshandlungen einer Frau durch ihren Ex-Partner halten in Bulgarien
> die Proteste an. Das Parlament stimmt für besseren Opferschutz.
Bild: Frauenproteste in Sofia, Bulgarien Ende Juli 2023
Berlin taz | Die Bulgar*innen lassen nicht locker. Mit Slogans wie „Wir
werden nicht schweigen!“ und „Keine einzige mehr!“ sind am Dienstag in der
Hauptstadt Sofia und anderen Städten erneut Tausende gegen Gewalt an Frauen
auf die Straße gegangen. Sie forderten lautstark eine Reform des
Justizsystems sowie eine Gesetzesänderung, um Frauen besser vor häuslicher
Gewalt zu schützen. Solche Demonstrationen hatte es bereits am Montag
vergangener Woche gegeben.
Auslöser war der [1][Fall einer 18-Jährigen in der Stadt Stara Zagora], die
von ihrem Ex-Freund im vergangenen Juni überfallen und schwer misshandelt
worden war. Die Behörden ließen den mutmaßlichen Täter schon kurz nach
seiner Festnahme wieder frei, da laut eines gerichtsmedizinischen
Gutachtens nur eine „leichte Körperverletzung“ bei der 18-Jährigen
vorgelegen habe. Erst infolge öffentlichen Drucks hat die Polizei den
26-Jährigen erneut festgenommen.
Als Reaktion auf die Proteste unterbrach das Parlament seine Sommerpause
und die Abgeordneten mussten sich am Montag zu einer außerordentlichen
Sitzung in Sofia einfinden. In erster und zweiter Lesung stimmten 144 von
240 Parlamentarier*innen für die Änderungen des „Gesetzes zum Schutz
vor häuslicher Gewalt“.
Dafür waren auch die Abgeordneten der Regierungskoalition, bestehend aus
der [2][Partei Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (GERB)]
sowie dem Bündnis Wir setzen die Veränderungen fort und Demokratisches
Bulgarien (PP-DB).
## Hitzige Debatten
Justizministerin Nadeschda Iordanowa (PP-DB) stieß an, das Gesetz so zu
ändern, dass es künftig nicht nur Verheiratete, sondern alle Personen, die
in einer „intimen Beziehung standen oder stehen“, schützt.
Doch besonders am Begriff „intime Beziehungen“ hatten sich hitzige Debatten
entzündet. Die oppositionellen Sozialisten (BSP) witterten einen
„Durchbruch zur Einführung und Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen“.
Mit den Stimmen der GERB wurde die Passage über „intime Beziehungen“
abgeändert und durch den Zusatz „zwischen Mann und Frau“ ergänzt.
Der GERB-Abgeordnete, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien und
Mitglied des Exekutivkomitees der Partei, Weschdi Raschidow, sorgte indes
für einen handfesten Skandal. „Es gibt schon jetzt Gesetze. Was soll der
Unsinn? Alle Huren sind plötzlich aufgewacht und haben wohl gemerkt, dass
sie vor 16 Jahren vergewaltigt wurden“, sagte er in einer Sitzungspause.
Später entschuldigte sich Raschidow für diese Entgleisung und trat von
seinen Ämtern zurück. Sein Abgeordnetenmandat behält er.
Das will die Nichtregierungsorganisation für Frauenrechte „Bulgarische
Stiftung für Frauen“ nicht hinnehmen. „Als Organisation mit 20 Jahren
Erfahrung im Kampf gegen Gewalt verzeihen wir Ihnen nicht, was Sie gesagt
haben“, heißt es in einer Stellungnahme. „Wir möchten, dass Sie als
Abgeordneter zurücktreten. Im bulgarischen Parlament haben Sie keinen
Platz!“
8 Aug 2023
## LINKS
[1] /Proteste-in-Bulgarien/!5947929
[2] /Bulgarien-hat-neue-Regierung/!5933353
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Feminismus
Bulgarien
Gewalt gegen Frauen
Protest
Queer
häusliche Gewalt
Bulgarien
Bulgarien
Schwerpunkt LGBTQIA
Bulgarien
häusliche Gewalt
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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