# taz.de -- Shortlist zum Deutschen Buchpreis: Machtpol und Außenseiterpol | |
> Terézia Mora, Anne Rabe und Sylvie Schenk stehen auf der Shortlist. Die | |
> Liste ist um weiße männliche Autoren der mittleren Generation | |
> herumgebaut. | |
Bild: Aus diesem Stapel der Longlist wurde die Shortlist des Buchpreises ausgew… | |
Okay, die einen freuen sich jetzt wieder, vor allem die Fans und | |
professionellen Begleiter der Autor*innen Terézia Mora, Necati Öziri, | |
Anne Rabe, Tonio Schachinger, Sylvie Schenk und [1][Ulrike Sterblich,] die | |
auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis stehen. | |
Andere werden sich ärgern, möglicherweise die Leute vom Fischer Verlag, die | |
sich fragen müssen, ob die Fehlerliste zu [2][„Gittersee“ von Charlotte | |
Gneuß] dazu beigetragen hat, dass der Roman jetzt eben nicht auf der Liste | |
steht. Dazu hatte es Aufregung gegeben. Ingo Schulze hatte für den internen | |
Verlagsgebrauch einige falsche Wendungen aufgelistet, die die 1992 in | |
Ludwigsburg geborene Autorin in ihrem historischen DDR-Roman verwendet hat, | |
und über irgendwelche Kanäle ist das zur Buchpreisjury gelangt. | |
Zuletzt wurde daraus eine Dürfen-Wessis-über-den-Osten-schreiben-Debatte, | |
die aber eh schnell wieder in sich zusammenfiel. Klar dürfen auch Wessis | |
das, wenn sie es denn können. Ob die Fehlerliste (zum Beispiel „Plastik“ | |
statt „Plaste“) aber bei der Juryentscheidung, den Roman auszusortieren, | |
eine Rolle spielte, wird irgendwann einmal herauskommen oder auch nicht. | |
Aus etwas Abstand gesehen ist aber etwas anderes viel interessanter an | |
dieser Shortlist. Sie ist nämlich geradezu passgenau um die Figur des | |
älteren weißen männlichen Autors herumgebaut. Diese Figur, die die | |
Literatur der Bundesrepublik lange Jahre beherrscht hat, fehlt so dermaßen, | |
dass sie als Hohlform doch präsent ist. Offenbar wollte man auf gar keinen | |
Fall einen Platzhirschen in der Auswahl haben. | |
Und genau damit ist diese Shortlist möglicherweise ein guter Ausdruck einer | |
zentralen Tendenz des Literaturbetriebs. Gut gefunden werden Bücher, die | |
nicht von einem Machtpol aus von einem Autor, der den Blick aufs Ganze | |
behauptet, geschrieben sind, sondern von einem Außenseiter- und | |
Betroffenenpol aus. Fair enough. Der auratischen Autorenfigur muss man | |
keine Träne hinterherweinen. | |
## Per se keine Gegenkönige | |
Die Frage sei allerdings erlaubt, ob man aktuelle Autoren der mittleren | |
Generation [3][(Biller,] Bjerg, Hettche, Kermani, Kleeberg, Peters, | |
Staffel, Steinaecker und andere) tatsächlich so restlos dafür ignorieren | |
muss, dass ihre Vorvorgängergeneration um Grasswalserenzensbergerhandke | |
etc. mit ihren Beharrungskräften einen auch ein bisschen traumatisiert hat. | |
Aber vielleicht ist jenseits dieser Shortlist in dieser Sache auch ein Peak | |
erreicht; den Schuss, dass Autoren per se keine Gegenkönige sind, könnten | |
jedenfalls inzwischen alle gehört haben. | |
Über die sechs Romane der Shortlist sagt Katharina Teutsch, die | |
Jurysprecherin: „Legt man dieses sechs nebeneinander, kommen sie | |
unweigerlich miteinander ins Gespräch. Dieses Gespräch handelt von unseren | |
Prägungen: von Erziehung und sozialer Herkunft, von politischen Ideologien, | |
von dramatischen Systemwechseln und den Härten der Migration.“ | |
Das ist gut gesagt und stimmt bestimmt auch. Es kann nur sein, dass diese | |
Shortlist in ihrer miteinander sprechenden Gesamtheit interessanter ist als | |
das einzelne Buch, das am 16. Oktober zum Beginn der Buchmesse den | |
Buchpreis bekommen wird. | |
19 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Neuer-Roman-von-Ulrike-Sterblich/!5954060 | |
[2] /Charlotte-Gneuss-Roman-Gittersee/!5954741 | |
[3] /Neuer-Roman-von-Maxim-Biller/!5950708 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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