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# taz.de -- Mieterhöhungen ohne Mietspiegel: Dreist, dreister, Covivio
> Als erster Immobilienkonzern umgeht Covivio den Mietspiegel. Um
> Mieterhöhungen in Spandau zu rechtfertigen, verweist der Konzern auf
> Mieten in Mitte.
Bild: Hochhausblock in Berlin-Staaken
Berlin taz | Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert – das
muss sich auch der Immobilienkonzern und Enteignungskandidat Covivio mit
seinen etwa 17.000 Wohnungen in Berlin gedacht haben. Für betroffene
Mieter:innen war [1][Covivio schon lange für seinen ungenierten Umgang
mit ihnen bekannt]. Die breite Öffentlichkeit lernte den Konzern zuletzt
durch sein Hochhausprojekt am Alex kennen: Dort hatten Bauarbeiten zu einem
[2][Absacken des U-Bahn-Tunnels und einer Sperrung der U2] für elf Monate
geführt.
Wer nun erwartet hätte, dass das französische Aktienunternehmen der Stadt
etwas zurückgeben wollte, hat falsch gedacht. Covivio ist der erste
bekannte Immobilienkonzern, der den im Juni vorgestellten [3][Berliner
Mietspiegel 2023] umgeht, um noch höhere Mietforderungen durchzusetzen. Der
Konzern nutzt aus, dass es für dieses Jahr keinen qualifizierten
Mietspiegel gibt, der auf einer Erhebung von Mietwerten beruht, sondern nur
einen einfachen Mietspiegel auf Basis einer statistischen Berechnung. An
diesen ist er gesetzlich nicht gebunden.
Für eine 1969 gebaute Wohnung am Brunsbütteler Damm in Spandau fordert
Covivio eine Erhöhung der Kaltmiete von bislang 6,77 Euro pro Quadratmeter
auf 7,78 Euro – 60,38 Euro im Monat mehr. Wie aus einer Berechnung des
Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV) hervorgeht, hätte
eine Erhöhung, die sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem
Mietspiegel orientiert, nur maximal 13,69 betragen dürfen.
Die mehr als vierfach erhöhte Forderung begründet Covivio dagegen mit
Vergleichsmieten von 5 Wohnungen, die allesamt nicht in Staaken, sondern in
Kreuzberg und Mitte liegen, mit Quadratmeterpreisen zwischen 10,91 und
12,83 Euro. Weil die Mieten dieser Vergleichswohnungen höher liegen,
verlangt Covivio die maximal möglichen 15 Prozent mehr Miete.
## Nur eine der Möglichkeiten
In dem Schreiben begründet der Konzern sein Vorgehen mit dem lapidaren
Hinweis: „Für die Begründung der ortsüblichen Vergleichsmiete hat der
Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten vorgesehen.“ Gegenüber der Berliner
Zeitung hatte eine Unternehmenssprecherin gesagt, der Konzern führe keine
Statistik darüber, in wie vielen Fällen Mieterhöhungen auf diese Weise
begründet würden, geschätzt handele es sich „lediglich um einen kleinen
Anteil“.
Der Senat hatte im Juni keinen qualifizierten Mietspiegel vorgelegt, weil
zuvor ein Einspruch gegen die Auftragsvergabe an das erstellende Institut
für eine Verzögerung gesorgt hatte. Statt einer Erhebung der Mietpreise
wurde der Mietspiegel von 2021 daher über ein statistisches Verfahren auf
Grundlage der Entwicklung der Verbraucherpreise fortgeschrieben.
Im Ergebnis stand ein einfacher Mietspiegel mit höheren Vergleichsmieten
von 5,4 Prozent über alle Baujahrgänge, Wohnungsgrößen und Lagen hinweg.
Während Gerichte den qualifizierten Mietspiegel überwiegend als bindend
ansehen und anders berechnete Erhöhungen zurückweisen, ist dies beim
einfachen Mietspiegel nicht der Fall.
Laut AMV-Chef Marcel Eupen müssten Mieter:innen „die Suppe auslöffeln“,
die ihnen von der Arbeitsgruppe Mietspiegel des Senats eingebrockt worden
sei. Mieter:innen hätten „kaum eine reale Möglichkeit, die
Vergleichswohnungen und damit die Berechtigung der Mieterhöhung zu
überprüfen“, das Nichtakzeptieren der Forderung und eine daraus folgende
Rechtsstreitigkeit sei mit hohen Risiken verbunden. Eupen befürchtet, „dass
andere Vermieter dem Beispiel der Covivio folgen“. Im Frühjahr nächsten
Jahres soll aber zumindest diese Gefahr wieder beseitigt werden. Dann will
der Senat einen neuen qualifizierten Mietspiegel vorlegen.
12 Sep 2023
## LINKS
[1] /Protestaktion-in-Kreuzberg/!5716094
[2] /U-Bahnchaos-am-Berliner-Alexanderplatz/!5910218
[3] /Mietspiegel-fuer-Berlin-/!5937664
## AUTOREN
Erik Peter
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