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# taz.de -- Milieuschutz in Berlin-Neukölln: Modernisierung ohne Genehmigung
> In einem Neuköllner Milieuschutzgebiet dämmt das Unternehmen Covivio ein
> Haus. Dabei hat der Bezirk das gar nicht genehmigt. Nun drohen
> Konsequenzen.
Bild: Lärm ohne Ende: Fassadendämmung in Berlin
Berlin taz | Laut war es in den vergangenen Wochen in der Mareschstraße 8
in Neukölln. Es wurde gehämmert und gemeißelt, dann das Anbringen der
Dämmplatten – und das von früh bis spät. So schildert es eine Mietpartei
des Hauses, die anonym bleiben möchte. Und soweit nichts Ungewöhnliches bei
einer Fassaden- und Dachgeschossdämmung. Das Problem: Der Eigentümer
Covivio hat für die Modernisierung gar keine Genehmigung. Das Bezirksamt
Neukölln droht dem Unternehmen deshalb mit einem Bußgeld.
Die Mareschstraße unweit des S-Bahnhofs Sonnenallee liegt im
Milieuschutzgebiet Rixdorf. [1][In Milieuschutzgebieten müssen energetische
Modernisierungen durch das jeweilige Bezirksamt genehmigt werden].
Dadurch soll verhindert werden, dass sich die Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung in den betroffenen Quartieren verändert. Eine Art
[2][Schutzmechanismus für Bestandsmieter] also, insbesondere mit Blick auf
Mieterhöhungen nach Modernisierungen und den damit verbundenen
Verdrängungsdruck.
Das gilt auch für Dämmungen, wie sie Covivio in der Mareschstraße vornimmt.
Auf Anfrage muss das laut Eigendarstellung „360°-Immobilienunternehmen“
einräumen: „Die Arbeiten wurden begonnen, da wir irrtümlich davon
ausgegangen waren, dass ein Antrag gestellt und positiv beschieden worden
war. Dies war leider nicht der Fall.“
Darüber hinaus teilt die Covivio-Sprecherin mit: „Wir bedauern dies
außerordentlich und haben entsprechend umgehend mit der zuständigen
Verwaltung das Gespräch gesucht.“ Im Zuge der taz-Recherche hat das
Unternehmen die Arbeiten nun vorerst gestoppt.
## Covivio will Antrag „kurzfristig“ einreichen
Es war nicht der erste Anlauf, das Haus ohne Genehmigung zu dämmen. Bereits
im vergangenen Sommer sind erste Arbeiten gestartet. Erst nach Aufforderung
durch das Bezirksamt habe Covivio im September 2023 einen Antrag für die
Modernisierungsarbeiten gestellt, sagt der Sprecher von Neuköllns
Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) zur taz.
Der Antrag, so der Sprecher, sei „jedoch nie vervollständigt worden und
konnte dementsprechend nicht abschließend durch das Bezirksamt bearbeitet
werden“. Und vor allem: „Ein neuer Antrag ist nicht gestellt worden.“
Covivio bestätigt das auf Nachfrage.
Das Bezirksamt Neukölln droht nun mit Konsequenzen. „Ein Bußgeld für Bauen
ohne Genehmigung befindet sich in Bearbeitung. Weitere Verfahren sind nicht
ausgeschlossen“, teilt Biedermanns Sprecher mit. Seitens Covivio heißt es,
man bereite den Antrag derzeit vor und werde diesen „kurzfristig“
einreichen.
Bereits am Montag habe man einen Baustopp verhängt. Im Anschluss seien
lediglich noch „Aufräumarbeiten“ erfolgt. Die Mieter sollen über den
Vorgang informiert werden. Die Mietpartei aus der Mareschstraße 8, mit der
die taz gesprochen hat, schildert das anders: „Auch diese Woche war kein
Baustopp zu erkennen. Die vergangenen Tage war ein riesiger Lärm, weil die
Balkone abgeschliffen wurden.“
## Lange Liste mit mieterhöhenden Maßnahmen
Demnach reiht sich die Modernisierung ein in eine lange Liste mit Maßnahmen
zur Erhöhung der Miete, die das Unternehmen in der Mareschstraße vornehmen
würde. So ist vom Einbau neuer Fenster die Rede und von nichtexistenten
Posten in der Nebenkostenabrechnung wie einem Fahrradabstellplatz, den es
gar nicht gebe. „Es entsteht der Eindruck, dass das ein Heuschrecken-Kauf
war und nun mit allen Mitteln versucht wird, das Geld wieder
hereinzuholen“, sagt die Person.
Für die bisher nicht genehmigte Dämmung haben die Mieter noch keine
Erhöhung erhalten. Covivio rechnet nach Abschluss der Dämmmaßnahmen mit
einer Energieeinsparung von rund einem Drittel des vormaligen Verbrauchs.
Für die Modernisierung seien auch Fördermittel beantragt worden. „Diese
Förderung führt zu einer entsprechenden Reduzierung der Mieterhöhung“, so
die Covivio-Sprecherin.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Immobilienkonzern mit seinen – Stand
2023 – etwa 17.000 Wohnungen in Berlin in die Schlagzeilen gerät. Im
vergangenen Jahr [3][stand die deutsche Tochter eines französischen
Aktienunternehmens als Erste mit auf der Matte], als es darum ging, den
kurz zuvor vorgestellten, damals noch „einfachen“ und damit gesetzlich
nicht bindenden Berliner Mietspiegel zu umgehen, um höhere Mietforderungen
durchzudrücken.
7 Jun 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Yannic Walther
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Wohnungsmarkt
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