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# taz.de -- Protestaktion in Kreuzberg: Die Wiener wollen bleiben
> Bewohner*innen der Wiener Straße 20 protestieren gegen die Umwandlung
> ihrer Mietwohnungen in Eigentum. Sie wollen nicht aus dem Kiez verdrängt
> werden.
Bild: Protest statt Kofferpacken: Die Bewohner*innen wehren sich gegen Verdrän…
Berlin taz | Vor dem Haus der Wiener Straße 20 befinden sich 15 handbemalte
Umzugskartons. Darauf stehen Slogans wie „Mieten statt Kaufen“, „Wiener
bleibt“ oder „Das ist unser Haus“. An einem der Kartons hängt ein
Blumenkasten, an einem anderen eine kurze Wäscheleine mit grün-gelb
gestreiften Wollsocken und einer organgen Babyhose.
Die Kartons sind nicht mit Klamotten oder Geschirr befüllt, nein, darin
sitzen Bewohner*innen des Hauses, das südlich vom Görlitzer Park liegt. Sie
protestieren gegen die Umwandlung ihrer Miet- in Eigentumswohnungen – und
damit gegen die Verdrängung aus ihrem Kiez. Der Besitzer des fünfstöckigen
Hauses, in dem rund Hundert Menschen leben, ist das Immobilien-Unternehmen
Covivio.
Covivio, dem mehr als 40.000 Immobilien in Deutschland und rund 16.000 in
Berlin gehören, hat das Haus 2019 in Eigentumswohnungen umgewandelt –
obwohl es in einem Milieuschutzgebiet liegt. Das war nur deswegen möglich,
weil sich Covivio verpflichtet hat, die Wohnungen in den folgenden sieben
Jahren nur an die Mieter*innen zu verkaufen.
„Das Problem ist, dass sich niemand von uns die Wohnungen leisten kann“,
sagt Vito Dabisch. Der 30-Jährige – braunes wuscheliges Haar, schwarze
Lederjacke – wohnt schon sein Leben lang in dem gelben Altbau mit den
weißen hölzernen Fensterrahmen. Seine Mutter ist 1987 dort in eine WG
eingezogen, heute wohnt Dabisch mit seinen Eltern auf 113 Quadratmetern im
ersten Stock. Wie viel sie zahlen müsste, um ihre 3-Zimmer-Wohnung zu
kaufen, ist noch nicht bekannt. „Locker eine halbe Million Euro, und so
viel haben wir nicht“, sagt Dabisch.
## Forderung nach Umwandlungsverbot
So wie Dabisch und seiner Familie geht es vielen Mieter*innen in Berlin.
Von den 17.926 Wohnungen, die seit 2015 in Eigentum umgewandelt wurden und
bei denen für Mieter*innen Vorkaufsrecht galt, wurden nur 54 Wohnungen an
Mieter*innen verkauft. Das geht aus einem Bericht des RBB hervor.
Wenn die Mieter*innen der Wiener Straße 20 ihre Wohnungen bis 2025 nicht
gekauft haben, darf Covivio sie an Dritte verkaufen. Diese müssen die
Wohnungen dann noch weitere fünf Jahre an die Bewohner*innen vermieten,
danach können sie gekündigt werden. „Der Milieuschutz schützt nicht vor
Verdrängung, sondern verschiebt sie nur“, sagt Dabisch.
Einer anderen Bewohnerin graut es besonders vor dem möglichen Auszug. Sie
wohnt seit zehn Jahren in der Wiener Straße 20. „In meinem Wohnzimmer habe
ich zwei meiner Kinder geboren“, sagt die 43-Jährige. Dementsprechend groß
sei die Verbindung zu ihrem Zuhause. „Ich will nicht ausziehen, nur weil
Covivio noch mehr Geld verdienen will.“ Sie und die anderen Bewohner*innen
fordern deshalb ein Umwandlungsverbot für Mietshäuser in Eigentum, das auch
rückwirkend gelten soll. Große Hoffnungen, dass sie vor dem Auszug
verschont bleibt, macht sich die 43-Jährige nicht. „Trotzdem kämpfe ich –
für die künftigen Generationen.“
7 Oct 2020
## AUTOREN
Rieke Wiemann
## TAGS
Milieuschutz
Mietenbewegung
Berlin-Kreuzberg
Wohnungsmarkt
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
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Milieuschutz
Mietendeckel
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