| # taz.de -- Film und Album Courtney Barnett: Sie muss gar nichts | |
| > Ein neues Album der australischen Rumpelrockerin Courtney Barnett mit | |
| > abstrakten Sounds und einer neuen Richtung aus ihrem Doku-Film. | |
| Bild: Klangliches Antidot zur erhitzten Gegenwart: Musikerin Courtney Barnett | |
| Gelegenheitsfans von [1][Courtney Barnett] werden möglicherweise enttäuscht | |
| sein von ihrem neuen Album „End Of The Day“. Oder verblüfft – sofern sie | |
| sich jener Veröffentlichung der Australierin erwartungsfrei, mit offenem | |
| Herzen nähern. „End Of The Day“ ist ein stimmungsvolles, durchaus | |
| hörenswertes Album. Nur ist es eben weit entfernt davon, von dem Sound, für | |
| den die Singer-Songwriterin bisher stand: ihre sehr eigene Mischung aus | |
| Folk, raubatzigem Rock und lakonischer Beobachtung. | |
| Die-Hard-Fans des 35-jährigen Indie-Darlings hingegen sollten die | |
| instrumentalen, ambienthaften Skizzen, die darauf zu finden sind, kaum | |
| überraschen. Schließlich haben sie vermutlich bereits den Dokumentarfilm | |
| „Anonymous Club“ (2022) gesehen. Untermalt ist er genau mit jenen | |
| abstrakten Sounds von Courtney Barnett, die zum Fundament ihres neuen Album | |
| wurden. | |
| Für den Regisseur Danny Cohen, Wegbegleiter und Freund der Musikerin, | |
| führte Barnett mit Diktafon über drei Jahre eine Art Audio-Tagebuch. Und | |
| lieferte damit die Grundlage für diesen bisweilen fast schmerzhaft intimen | |
| Film, der nicht nur von einer Schreibblockade und ihrer Überwindung | |
| erzählt, sondern auch von tiefgreifender Entfremdung. | |
| ## Teil einer scripted performance | |
| An einer Stelle bringt die australische Künstlerin ihr Unbehagen so auf den | |
| Punkt: „Als wäre ich ein Teil einer scripted performance – darüber, was w… | |
| glauben auf der Bühne sehen zu müssen. Es fühlt sich wirklich sinnlos an.“ | |
| Von klassischen Rockumentaries unterscheidet sich der Film, unterteilt in | |
| Kapitel mit Titeln wie „Idling Insignifacntly“ oder „I Just Can’t Yell | |
| Anymore“, nicht zuletzt dadurch, dass Barnetts Musikschaffen selten im | |
| Mittelpunkt steht – auf der Tonspur finden sich kaum Songs. | |
| Die sporadischen Live-Momente unterstreichen eher ihren loner-haften | |
| Alltag, als dass sie [2][Barnetts Œuvre] ehrfürchtig feiern. Stattdessen | |
| sind die verwaschenen 16mm-Bilder, die Barnett auf Tour, beim Zeichnen, in | |
| der Werkstatt eines Gitarrenbauers oder im Gespräch mit Fans zeigen, | |
| unterlegt mit warmen Gitarrenklängen und sanfter Perkussion. | |
| Mal wirkt das wie die Untermalung eines elegischen Roadmovies (was die Doku | |
| oft auch ist), dann wieder klingt es nach Minimal Music. So oder so: Zu | |
| diesen meditativen Klängen guckt man gerne in den Himmel oder aus dem | |
| Fenster – ein klangliches Antidot zur erhitzten Gegenwart. Die Absicht | |
| hinter den Kompositionen, an denen Barnett mit Stella Mozgawa, | |
| Schlagzeugerin bei der US-Postrock-Band Warpaint, arbeitet, scheint es den | |
| Hörer:innen offenzulassen, was sie beim Hören fühlen. | |
| ## Gute Atmosphäre | |
| Und offenbar fühlte sich auch Barnett mit der Atmosphäre so gut, dass sie | |
| den Soundtrack weiterbearbeitete. Sie fügte die Instrumentals neu zusammen | |
| und gab ihnen elf Titel – auch wenn es de facto ein einziger mäandernder | |
| Track ist, luftig und wehmütig. Darin steckt ein Sichfreimachen von | |
| Erwartungen, Projektionen und davon, sich immerzu an etwas abarbeiten zu | |
| müssen. | |
| Der Film – ihr Audio-Tagebuch führte Barnett von 2018 bis 2021 – endet nach | |
| krisenhaften Zeiten dann mit verhaltenem Optimismus. Der schlug sich auch | |
| auf ihrem bis dato letzten Album „Things Take Time, Take Time“ (2021) | |
| nieder, das in besagter Zeit entstand, ebenfalls in Zusammenarbeit mit | |
| Mozgawa. | |
| Das Songwriting war ruhiger als Barnetts Debütalbum „Sometimes I Sit and | |
| Think and Sometimes I Just Sit“ (2015), weniger wütend als der Nachfolger | |
| „Tell Me How You Really Feel“ (2018). Zudem trug eine Solotour in kleinen | |
| Clubs dazu bei, dass sich auch Performen wieder besser anfühlte, weniger | |
| „scripted“. In einer der wenigen Passagen, in denen man sie im Film singen | |
| hört, ist es ein herzergreifendes Cover von Hank Williams’ Countryklassiker | |
| „I’m So Lonesome I Could Cry“ – was die Doku auf den Punkt bringt. | |
| „My heart is empty, my head is empty, the page is empty,“ sagt Barnett früh | |
| in dem Film. Die Zusammenarbeit mit ihrer Freundin Stella Mozgawa zeigte | |
| offenbar einen Ausweg aus diesem Dilemma. Und so hört man den entstandenen | |
| Skizzen gerne zu – auch wenn man [3][Barnetts trockenhumorige Songtexte | |
| vermisst.] | |
| ## Smartness und Selbstreflexion | |
| Schließlich steckte darin immer Smartness und Selbstreflexion, fern von der | |
| in Indie-Gefilden inflationär verbreiteten Gefühligkeit; ebenso | |
| Alltagsbeobachtungen, geerdet von lakonischer Ernsthaftigkeit. Wohin wird | |
| sich die öffentlichkeitsscheue Künstlerin danach nun bewegen? | |
| In einer Hinsicht ist „End Of The Day“ auf jeden Fall ein Schlusspunkt. | |
| Nach über 60 Veröffentlichungen ist es [4][das finale Album ihres Labels | |
| Milk! Records]. Das hatte die australische Künstlerin vor 2012 gegründet, | |
| um ihre Debüt-EP herauszubringen. In den folgenden Jahren wurde die | |
| Plattenfirma, die Barnett bald zusammen mit der Musikerin Jen Cloher | |
| führte, ihrer damaligen Lebenspartnerin, zum Dreh- und Angelpunkt der | |
| Melbourner Indie-Szene. Vielleicht kündigt ihr Ausflug in die Abstraktion | |
| zugleich eine musikalische Neukalibrierung an. | |
| 9 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stephanie Grimm | |
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