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# taz.de -- Neues Album von Courtney Barnett: Singen übers Fensterputzen
> Auf dem dritten Album der australischen Songwriterin Courtney Barnett,
> „Things Take Time, Take Time“, regiert die Leichtfüßigkeit.
Bild: Braucht nur wenige Worte und Akkorde für große Popsongs: Courtney Barne…
Beim letzten Album wollte sie wissen, wie es uns geht. Also, wie es uns
[1][wirklich] geht. Auf einer Website konnte man seine Antwort in ein
Fenster eintippen, absenden und die eigenen Worte poppten dann auf zwischen
Beschreibungen von „Danke, gut“ bis hin zu tiefenpsychologischen
Erforschungen – eine Art Liveticker globaler Gemütslagen.
Dieses Mal dürfen wir [2][Courtney Barnett eine Postkarte schicken] mit
Dingen, auf die wir uns aktuell freuen – offenbar blieb bei der letzten
Aktion „Danke, gut“ doch eher die Ausnahme und Barnett muss die Fans ein
bisschen stupsen, die guten Dinge im Alltag zu sehen. Erlernter Optimismus
sozusagen.
Wem die Antworten auf die Frage nach den guten Seiten des Lebens doch eher
im Halse stecken bleiben, bekommt von der australischen Künstlerin
Hilfestellung.
Write a List of Things to Look Forward To, heißt auch einer ihrer Songs,
ein fröhlich vor sich hin hüpfendes Stück Popmusik, das in seiner
Leichtfüßigkeit an die [3][Go Betweens] erinnert, ebenfalls Australier und
eine der Bands, die sie maßgeblich beeinflusst haben.
## Liste des Guten
Der Song mit der Liste des Guten erscheint auf dem dritten Album von
Barnett, „Things Take Time, Take Time“, in dem die Leichtfüßigkeit ohnehin
regiert. Der Gitarrenkrach ihrer ersten Doppel-EP („A Split Sea of Peas“,
2013) und ihres Debütalbums von 2015 („Sometimes I Sit and Think and
Sometimes I Just Sit“) sind damit weitgehend verschwunden.
Geblieben sind Introspektion und die Zurückgelehntheit, die die 33-Jährige
auch schon auf ihrem zusammen mit US-Oberslacker Kurt Vile entstandenem
Album „Lotta Sea Lice“ (2017) bewiesen hat und die mittlerweile zur
Barnett’schen Signatur geworden ist. Höhepunkt ihres neuen Werks ist in der
Hinsicht auch gleich der Auftaktsong „Rae Street“, dessen unscheinbares
Midtempo spätestens beim zweiten Hören seine ganze Schönheit entfaltet.
„Time is money / And money is no man’s friend“, singt Barnett im Refrain.
Es sind diese kleinen Weisheiten, teilweise sprechgesungen oder
binnengereimt aneinandergereiht, die die Texte der Australierin ausmachen.
Dass es nicht viel Inszenierung braucht, um großes Drama in Songs zu
packen, weiß Barnett überdies.
## An der Grenze zur Depression
Die Künstlerin singt in nüchterner Lakonie vom Fensterputzen, vom Warten
auf den Anruf der Angebeteten, ebenso wie von Ängsten und Komplexen an der
Grenze zur Depression. Die kann man übrigens auch hervorragend anhand eines
unordentlichen Vorgartens erzählen, wie sie schon 2015 bewiesen hat.
Aufgenommen wurde „Things Take Time, Take Time“ mit Warpaint-Schlagzeugerin
Stella Mozgawa. Auch die findet es gar nicht nötig, den Wumms ihrer
Hauptband in Barnetts Musik zu stecken, sondern lässt den lyrischen und
instrumentalen Ideen ihrer Songwriterin Raum. Barnett wiederum meint
übrigens, ihre Stücke seien nur deshalb so ruhig, weil sie beim Komponieren
Rücksicht auf Nachbar:innen nehmen musste.
Tatsächlich hat sie ihre Songs aber auch geschrieben, um den nicht ganz so
einfachen Antworten darauf, wie es um ihre Mitmenschen steht, gerecht zu
werden. In [4][„Take it Day by Day“] etwa täuscht die musikalische
Leichtigkeit, denn im Text begleitet sie jemanden durch eine depressive
Phase: Du musst erst einmal nur einen Fuß vor den anderen setzen, mehr
nicht, heißt es da. Und: „I’m checking in / Just to see how you’re going…
Are you good? Are you eating?“
Dass „Things Take Time, Take Time“ erst ihr drittes Album ist, überrascht,
wenn man daran denkt, wie oft Courtney Barnett bereits als Hoffnung des
Rock ’n’ Roll bezeichnet wurde. Aber vielleicht muss man hier wieder mal
einen Albumtitel wörtlich nehmen. Barnett weiß, dass die wichtigen Dinge
Zeit brauchen. Vielleicht auch, bis man die Frage, wie es einem geht,
wieder etwas positiver beantworten kann. Courtney Barnett gelingt dies
mittlerweile. Alle anderen kann ihre Musik zumindest ein Stück weit auf dem
Weg dahin begleiten.
18 Nov 2021
## LINKS
[1] /Courtney-Barnetts-neues-Album/!5506189
[2] https://courtneybarnett.com.au/writealist
[3] /Robert-Forster-ueber-The-Go-Betweens/!5458073
[4] https://www.youtube.com/watch?v=2LTc1eGGZlE
## AUTOREN
Diviam Hoffmann
## TAGS
Neues Album
Melbourne
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Pop
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Erbe
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