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# taz.de -- Tribute-Compilation für „Grateful Dead“: Deadhead-Gefühle wie…
> Mit der 5-CD-Compilation „Day of The Dead“ gedenken junge Popmusiker der
> kalifornischen Acidrockband „Grateful Dead“.
Bild: Nein, das ist nicht Bandleader Jerry García: Ein Fan will das 50-Jährig…
Ausgerechnet 4AD Records! Man könnte es als nicht unbedeutenden Sieg im
ewigen Kulturkampf zwischen Hippies und Punks lesen, dass nun das Label,
das in seiner Anfangszeit wie kaum ein zweites für den Gegenentwurf zur
Hippiemusik stand, für eine britisch kühle, kalkulierte, konzeptuelle
Künstlichkeit statt einer kalifornisch warmen, auf Spontaneität
vertrauenden, spirituellen Erdverbundenheit, nun eine ausladende
Compilation veröffentlicht, die sich in tiefer Demut vor dem Schaffen der
archetypischsten aller Hippiebands in den Staub wirft.
Drei Musikergenerationen nach Dead Can Dance, Cocteau Twins und Clan Of
Xymox zeigen die heutigen Rennpferde des 4AD-Stalls, allen voran Barack
Obamas Lieblingsband The National, deren Masterminds, die Gebrüder Aaron
und Bryce Dessner, für die Aids-Benefit-Organisation Red Hot diese
Zusammenstellung kuratierten, sowie etliche weitere große Player der
Indie-Rock-Welt auf der 5-CD-Compilation „Day Of The Dead“, welchen hohen
Wert sie der Musik der Grateful Dead heute zumessen.
Das künstlerische Erbe von Grateful Dead hat sich ja mittlerweile in zwei
Linien aufgespalten: Einerseits existiert in den USA eine kaum noch
überschaubare Zahl an „Jam-Bands“, die sehr erfolgreich das rituelle
Erlebnis eines Grateful-Dead-Livekonzerts zu re-enacten versuchen.
Andererseits dreht sich das Originalmaterial der Dead immer noch exzellent,
was an den klugen Marketingideen des bandeigenen Labels genauso liegt wie
an dem scheint’s unerschöpflichen Archiv und der immer noch großen Menge
von stetig nachwachsenden Deadhead-Generationen.
Darum geht es auch auf dieser Compilation: Hier präsentiert sich eine
Generation, die die Dead nicht mehr von coolen älteren Geschwistern,
sondern womöglich von ihren Eltern oder gar Lehrern als unantastbares
Nationalheiligtum nahegebracht bekommen hat, die aufwuchs, als das
Deadhead-Tum schon eine sektenartige populäre Lifestyleoption geworden war.
Entsprechend vorsichtig ist der Umgang in weiten Teilen.
## Der Ehrgeiz der jungen Leute
Dankenswerterweise wurde das Jam-Band-Segment ausgespart, bzw. wurden die
üblichen Verdächtigen offensichtlich einfach nicht gefragt. Anscheinend ist
dies eine kuratorische Entscheidung: Es ging den Gebrüdern Dessner vor
allem um Songwriting, nicht um die Kunst des Gitarrensolos bzw. des
Free-form Freak-out. Die kunstvoll-bedächtige Beatpoesie Robert Hunters,
des Autors der meisten Dead-Texte, rückt dabei ungewohnt in den
Mittelpunkt, er dürfte sich hier fast am meisten gefeiert fühlen. Zu Recht,
denn der Cool-Faktor der Dead ist eben auch der Tatsache geschuldet, dass
sie immer bessere Texte hatten als Mitbewerber wie Jefferson Airplane,
Quicksilver Messenger Service, Country Joe & The Fish oder Moby Grape.
Was beim Durchhören von „Day Of The Dead“ auffällt, ist der Ehrgeiz der
jungen Leute, ihren jeweiligen Song „richtig“ zu spielen, selbst wenn das
Arrangement extrem weit vom Originalentwurf abweicht: Wenn etwa Local
Natives mit Samples, Elektronik, Tempowechseln und verfremdetem Gesang an
die romantische Ballade „Stella Blue“ herangehen, sehen sie trotzdem zu,
dass sie Akkorde und Melodie unangetastet lassen. Die respektvolle
Coverversion ist ja sonst meistens konzeptionell kein großer Wurf, es sei
denn, man kann via individuellen Gesangsstil einem Song sozusagen auf
natürliche Weise die eigene Position hinzufügen, wie es hier beispielsweise
den Künstlerinnen Angel Olsen („Attics Of My Life“) und Courtney Barnett
(„New Speedway Boogie“) exzellent gelingt. In jedem Fall ist dieser Ansatz
der um Originalität bemühten Umdichtung vorzuziehen, wie etwa bei Mumford &
Sons’ Umwandlung des großen Bluegrass-Wurfs „Friend Of The Devil“ in ein
lächerliches U2-Dolby-Surround-Pathos-Epos mit falschen Akkorden.
Ansonsten sind aber die ambitionierten Projekte die Sieger: Ganz vorne
liegt Anohnis avantgardistisch orchestrierte Version von „Black Peter“. Die
„Terrapin Station Suite“ erfährt in einer Gemeinschaftsarbeit von The
National und Grizzly Bear ihre sorgsame und erstaunlich schlüssige
Überführung aus dem Prog-Rock in den Kanon der Neuen Musik der USA und
zurück in die Americana-Welt. Tim Hecker verbeugt sich vor dem kanadischen
Soundkünstler John Oswald, der seine „Plunderphonics“ genannte Sample-Kunst
auf seinem 1994er Album „Grayfolded: Transitive Axis“ auch den Dead
angedeihen ließ und aus Tonnen von Originalaufnahmen den idealen Jam
zusammenmontierte.
## Die Abstraktion forttragen
Der sonst mit Vorsicht zu genießende, weil New-Age- und Fusion-nahe
Banjo-Spieler Bela Fleck schafft es, einem wohlbekannten Song wie „Help On
The Way“ völlig neue Räume zu öffnen, obwohl seine Interpretation
werkgetreu ist, was den Notentext angeht – allerdings gespielt auf Banjo,
Bass und Tabla. Jerry García selbst hätte womöglich die Solo-Piano-Version
des Jazzmusikers Vijay Iyer von „King Solomon’s Marbles“ am besten
gefallen, die exemplarisch zeigt, wie man eine Komposition von sich selbst
entfernt und in die Abstraktion fortträgt. Übrigens gibt es hin und wieder
auch Gitarrensoli, wobei die aufregendsten nicht etwa von Lee Ranaldo
kommen, sondern von den Wüstenrockern Tal National aus dem Niger.
Es ist nicht die richtig teure Compilation: Bis auf Lucinda Williams und
die Flaming Lips fehlen die A-Rate-Künstler der diversen Genres, es fehlt
die Country-Szene, auch Dylan, Willie Nelson oder Wynton Marsalis hätten
sich des Themas womöglich auf interessante Weise angenommen. Gillian Welch
hätte man gerne gehört. Und der legendäre Disco-Ausflug „Shakedown Street�…
bei dem das Unknown Mortal Orchestra hier einen ordentlichen Job macht,
hätte eigentlich eine Würdigung seitens eines Vertreters der
internationalen House- oder Electronica-Aristokratie verdient.
Aber 1991 gab es schon mal ein Grateful-Dead-Tribut-Album der damals
tonangebenden Generation: Auf „Deadicated“ durften sich etwa Elvis
Costello, Jane’s Addiction, Suzanne Vega und die Cowboy Junkies versuchen.
Wenn man von der überragenden „Bertha“-Version absieht, die Los Lobos
damals beisteuerten, macht die neue Generation die bessere Figur.
12 Jul 2016
## AUTOREN
Detlef Diederichsen
## TAGS
Erbe
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