# taz.de -- Nachruf auf Bert Papenfuß: „ich such das meuterland“ | |
> Ende eines entschlossenen Lebens: Der Berliner Undergrounddichter Bert | |
> Papenfuß ist gestorben. Er hinterlässt seine Frau, Kinder und Leser. | |
Bild: Hingabe an die Sätze. Eine diensthabende Sprache konnte Bert Papenfuß n… | |
„Das ist mein Leben, mit dem ich experimentiere, ich sehe mich nicht als | |
Experimentator an der Sprache, sondern das ist mein Leben“, betonte Bert | |
Papenfuß im Gespräch mit dem Herausgeber Egmont Hesse für dessen Anthologie | |
„Sprache & Antwort. Stimmen und Texte einer anderen Literatur aus der DDR“, | |
erschienen 1988 bei Fischer in Frankfurt am Main. | |
Zu sagen, Bert Papenfuß benutzte die Sprache, verkennt die Hingabe, mit der | |
dieser Dichter sich Buchstaben und Zeilen, Sätzen und Absätzen näherte. Was | |
er nicht ausstehen konnte, war Sprache im Dienst politischer Kosmetik und | |
Korrektheit, diensthabende und dienstbeflissene Sprache generell. | |
Ebenfalls 1988 eröffnete Gerhard Wolf im Aufbau Verlag Berlin und Weimar | |
seine Edition „Außer der Reihe“ mit Bert Papenfuß und seinem Band | |
„dreizehntanz“, darin ein programmatisches Gedicht: „rasender | |
schmertsweiterlachen“ heißt es, und seine erste Strophe geht in | |
eigenwilliger Orthografie weiter: „ich such die kreuts & die kwehr / | |
kreutsdeutsch treff ich einen / gruess ich ihn kwehrdeutsch / auf | |
wiedersehen faterland / ich such das meuterland“. Es endet mit einer | |
lakonisch-ironischen Notiz: „spannend erzaehltweitermachen.“ | |
Die biografischen Angaben auf dem Buchrücken sind knapp: Bert | |
Papenfuß-Gorek, wie er damals hieß, wird vorgestellt als „geb. 1956 in | |
Reuterstadt Stavenhagen, Schulbesuch in Greifswald, 1972–1975 Lehre als | |
Elektronikfacharbeiter, Arbeit als Theaterbeleuchter, ab 1980 | |
freischaffender Schriftsteller, lebt seit 1976 in Berlin.“ | |
Was da nicht steht, ist, dass Bert Papenfuß in den 60er Jahren in Leningrad | |
zur Schule ging und dort prägende Eindrücke sammelte, verschwiegen wird | |
auch, dass der Sohn eines NVA-Offiziers als Bausoldat den Dienst an der | |
Waffe verweigerte und in der DDR nach ersten Veröffentlichungen in | |
Anthologien in der offiziellen Literatur lange nicht vorkam. | |
## Arbeiten in der „real existierenden Umzinglung“ | |
Bert Papenfuß wurde zum Undergrounddichter. Er sollte dem, abgesehen von | |
einer kurzen Zeit beim Steidl Verlag unmittelbar nach dem Mauerfall, treu | |
bleiben. Übrigens empfiehlt es sich nicht, bei der Geschichte in der DDR, | |
ihrer Opposition – von der der Dichter nicht vereinnahmt werden wollte – | |
[1][und der legendären Prenzlauer-Berg-Connection] zu verharren: Papenfuß | |
hat an die zwei Jahrzehnte in der, wie er einmal schrieb, „real | |
existierenden Umzinglung“ gearbeitet und reichlich drei Jahrzehnte im | |
Neoliberalismus, für den der dezidierte Anarchist nicht weniger deutliche | |
Worte fand. | |
Um seine Texte zu den Leuten zu bringen, trat Bert Papenfuß mit Rock- und | |
Punkbands auf und schrieb für diese. Er kooperierte mit Malern und | |
bildenden Künstlern. Papenfuß übersetzte, beispielsweise aus dem | |
Norwegischen, mit der Lyrikerin Tone Avenstroup. Der Norden hatte es ihm | |
angetan, der Raum, der bei Mecklenburg beginnt. Er liebte das Meer, | |
speziell das zwischen Helsinki und St. Petersburg. Vielleicht kam die See | |
seinem barocken Wesen, das sich in seinen Texten spiegelt, nahe. | |
Der Lyriker Papenfuß war auch akribischer Redakteur der im BasisDruck | |
Verlag erscheinenden kulturpolitischen Zeitschriften Sklaven, Gegner und | |
dem daraus erwachsenen Magazin Abwärts!, des Osteuropa-Almanachs „Zonic“ | |
wie des aus der linken DDR-Opposition hervorgegangenen Periodikums | |
telegraph. In den letzten Jahren verwendete er zwei Pseudonyme: Bęrt | |
Elsmann-Papenfuß, „ich wollte, dass einmal auf meinem Buch Bertelsmann | |
steht.“ Das war sein Humor. Das Anagramm Sepp Fernstaub verwies auf seine | |
Liebe zur Science-Fiction-Literatur. | |
Bert Papenfuß ist nach einem entschlossenen Leben am 26. August in Berlin | |
gestorben. Der mehrmals Verheiratete hinterlässt seine Frau Mareile Fellien | |
und Kinder, Freunde und Leser. Auch von Zeilen wie diesen: „Wir brauchen | |
Ideen gegen Interessen, um Kultur gegen Konsum zu setzen. Kultur hat Ecken | |
und Kanten, Konsum folgt Algorithmen. Je digitaler, desto scheiße; es ist | |
der Draht zur Welt, der uns vom Leben abhält. […] – Und was wir brauchen, | |
können wir nur selber schaffen.“ | |
27 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Robert Mießner | |
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