# taz.de -- Versagen der Ermittlungsbehörden: Der Schaden ist enorm | |
> Eine unschuldige Frau wurde monatelang ihrer Freiheit und ihres Kindes | |
> beraubt. Das ist ein Skandal, der durch nichts zu entschädigen sein wird. | |
Bild: Glücksfall: Die engagierten Verteidigerinnen verhinderten einen vollstä… | |
Wenn Gabriela Martínez* am Montag vom Landgericht freigesprochen wird – und | |
alles andere ist nicht vorstellbar –, ist die Hamburger Justiz knapp an | |
einem großen Skandal vorbeigeschlittert. Der entstandene Schaden ist dann | |
trotzdem enorm: [1][Eine unschuldige Frau wurde über Monate ihrer Freiheit | |
und ihres Säuglings beraubt.] Während sie sieben Monate lang in | |
Untersuchungshaft saß, wurde ihr Baby durch verschiedene | |
Pflegeeinrichtungen gereicht. | |
Das Kind bei der Mutter in der Haftanstalt unterzubringen, war der | |
Gefängnisleitung offenbar zu aufwendig. Sie ließ die Mutter-Kind-Zellen | |
lieber leer stehen, als Martínez mit ihrem Baby dort einzuquartieren. Das | |
ist ein Skandal für sich. | |
Das Fiasko einer falschen Verurteilung zu einer lebenslangen | |
Freiheitsstrafe wurde nur durch das Engagement der Verteidigerinnen | |
abgewendet. Sie stellten auf eigene Faust Ermittlungen an, machten | |
Zeug*innen ausfindig, die das Gericht nicht vorgesehen hatte, und gaben | |
ein Gutachten in Auftrag, das die Staatsanwaltschaft selbst hätte | |
beauftragen müssen. [2][Polizei und Staatsanwaltschaft haben versagt.] | |
Für Martínez war es Glück im Unglück, an so engagierte Verteidigerinnen zu | |
geraten – einerseits. Andererseits ist eine Mordanklage natürlich keine | |
Sache von Glück oder Unglück. Martínez ist eine schwarze Frau, die zum | |
Zeitpunkt der Ermittlungen keinen Aufenthaltstitel – und entsprechend keine | |
Arbeitserlaubnis hatte. Die Wohnung des späteren Mordopfers Ignacio López | |
betrat sie, um sich als Haushaltshilfe zu bewerben. So gelangte mutmaßlich | |
ihre DNA an den späteren Tatort. | |
## Dass es eine illegalisierte Migrantin traf, hat strukturelle Gründe | |
Sie war also nicht zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort, sondern | |
[3][aus strukturellen Gründen:] weil sie als schwarze, illegalisierte | |
Migrantin keinen Zugang zum legalen Arbeitsmarkt hatte. Dass López* von | |
seiner früheren Haushaltshilfe verlangt hatte, mit ihm Sex zu haben, wurde | |
im Prozess nur am Rande thematisiert. Immerhin das blieb Martínez erspart. | |
Ihr die falsche Anklage und ihrem Sohn das Trauma der Trennung von seiner | |
Mutter zu ersparen, wäre Aufgabe der Justiz gewesen. Es wird durch nichts | |
zu entschädigen sein. | |
23 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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