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# taz.de -- Zweiter Anlauf bei Hamburger Mordprozess: Neue Angeklagte nach Just…
> Sieben Monate saß eine Kolumbianerin fälschlicherweise in
> Untersuchungshaft und durfte ihr Baby kaum sehen. Nun stehen drei Männer
> vor Gericht.
Bild: Neuer Anlauf nach dem Freispruch von Yulady Lasso: die drei Angeklagten m…
Hamburg taz | Drei Jahre nach dem gewaltsamen Tod eines 69-Jährigen in
Hamburg-Borgfelde hat am Dienstag ein neuer Prozess wegen Mordes vor dem
Landgericht Hamburg begonnen. Den drei Angeklagten wird gemeinschaftlicher
Mord in Tateinheit mit Raub vorgeworfen. Es ist bereits der zweite Prozess
in diesem Mordfall.
Im ersten Verfahren wurde 2023 die damals 38-jährige Kolumbianerin Yulady
Lasso beschuldigt, den 69-Jährigen ermordet zu haben. Trotz wenig
schlüssiger Indizien [1][saß sie sieben Monate in Untersuchungshaft und
durfte ihren Säugling kaum sehen]. Eine ihrer beidem Anwältinnen, Fenna
Busmann, sprach im NDR von einem „Justizskandal“.
Lasso war aus Kolumbien nach Deutschland gekommen, um ihren Kindern eine
bessere Zukunft zu ermöglichen. Im Mai 2022 meldete sich die damals
hochschwangere Frau auf die Stellenanzeige des späteren Opfers: Er suchte
eine Haushaltshilfe, sie bügelte seine Kleidung. Fünf Tage nach ihrem
ersten Arbeitstag wurde der Mann tot in seiner Wohnung aufgefunden.
Ermittler:innen fanden die Chatverläufe der beiden. Da sich Lassos DNA
– sie hatte freiwillig eine Probe abgegeben – auch am Tatort befand, wurde
sie festgenommen.
Aber Lasso hatte ein Alibi, sie arbeitete zum Tatzeitpunkt woanders. Das
belegte ein Stundenprotokoll, ihre Kollegin sprach sich bei der Polizei für
sie aus. Und ihre DNA hätte genauso gut seit fünf Tagen am Tatort sein
können, argumentierten Lassos Anwältinnen. [2][Dennoch durfte Lasso die
Justizvollzugsanstalt in Hamburg-Billwerder sieben Monate lang nicht
verlassen.]
## Kontakt zum eigenen Baby verweigert
Für inhaftierte Eltern hat die JVA spezielle Räume, um sie nicht von ihren
Kindern zu trennen. Sie alle standen damals leer. Trotzdem durfte Lassos
Sohn nicht zu ihr, wurde stattdessen von einer Pflegefamilie ins Kinderheim
und in ein zweites Kinderheim weitergereicht. Da die Mutter nur Spanisch
spreche, könnten die JVA-Mitarbeitenden sich bei Problemen nicht angemessen
um das Baby kümmern, argumentierte die Haftrichterin. Außerdem könne Lasso
eine lebenslängliche Haftstrafe bekommen, eine Zusammenführung mit ihrem
Sohn sei daher nicht sinnvoll.
In den ersten drei Monaten sah Lasso ihren Sohn gar nicht, später konnten
ihre Anwältinnen Besuchszeiten einmal und kurz vor dem Freispruch dreimal
in der Woche erkämpfen, berichtete Lasso der taz später. Die
Sachbearbeiterin des Jugendsamts bestätigte vor Gericht, dass Lassos Sohn
„traumatisiert“ wirkte.
Lasso wurde letztlich [3][freigesprochen]. Im September 2023 [4][sagte sie
der taz], sie sehe Rassismus als einen Grund für die Vorverurteilung:
„Erstens wegen meiner Hautfarbe, zweitens, weil ich keine Papiere hatte.“
Mittlerweile hat sie eine Aufenthaltsgenehmigung. Als Entschädigung für die
Zeit in der Untersuchungshaft erhielt sie 16.000 Euro. Lange wurde
verhandelt, ob ihr überhaupt zwei Anwältinnen zugestanden haben und ob sie
das DNA-Gutachten selbst zahlen müsse. Laut Anwältin Busmann ist beides vom
Tisch und Lasso steht die gesamte Entschädigung zu.
## Tod durch Ersticken
Am Dienstag wurde nun die neue Anklage im Mordfall von der Staatsanwältin
Stefanie Diettrich vorgetragen. Die drei Angeklagten im Alter von 32, 36
und 38 Jahren sollen ihr Opfer am 12. Mai 2022 in seiner Wohnung durch
einen Schlag mit einer Schusswaffe an den Kopf zu Boden gebracht haben, ihn
dann mit Kabelbindern gefesselt und sich auf seinen Brustkorb gesetzt
haben. Dadurch sollen mehrere Rippen gebrochen und seine Atemwege
zugedrückt worden sein. Der 69-Jährige erstickte.
Die drei Angeklagten sollen ihn aufgesucht haben, weil er Schulden aus der
Inanspruchnahme von Prostituiertenleistungen gehabt haben soll. Sie sollen
eine größere Geldsumme aus seiner Wohnung entwendet haben. Die drei Männer
befinden sich seit November beziehungsweise Dezember 2024 in
Untersuchungshaft.
Während die Oberstaatsanwältin die Anklageschrift verliest, tragen alle
drei Männer Kopfhörer. Der 32 und der 36 Jahre alte Angeklagte sind Brüder
und stammen aus der Dominikanischen Republik, der 38-Jährige ist in
Kolumbien geboren. Wie auch Lasso sprechen sie kein Deutsch, eine
Dolmetscherin übersetzt simultan.
Ob sich die Beschuldigten zu den Vorwürfen noch äußern werden, ist noch
unklar. Der nächste Prozesstag findet am 2. Juni statt, es sind bisher
insgesamt 17 Folgetermine geplant.
21 May 2025
## LINKS
[1] /Mutter-in-U-Haft/!5941907
[2] /Mutter-unter-Mordverdacht/!5944984
[3] /Mordprozess-in-Hamburg/!5950927
[4] /Betroffene-ueber-einen-Justizskandal/!5956366
## AUTOREN
Charlina Strelow
## TAGS
Hamburg
Schwerpunkt Rassismus
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Schwerpunkt Rassismus
Justizskandal
Gefängnis
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