| # taz.de -- Doku „Feminism WTF“ im Kino: Überzeugendes Gegengift | |
| > Katharina Mücksteins Film „Feminism WTF“ ist eine Standortbestimmung des | |
| > Feminismus. Angeregt wurde der Dreh durch eine #MeToo-Welle. | |
| Bild: Die Biologin Sigrid Schmitz ist eine der Protagonistinnen der Doku | |
| [1][Die Wiener Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin Katharina | |
| Mückstein], eine der Frontfrauen des feministischen Filmnetzwerks FC | |
| Gloria, postete im vergangenen Jahr einen Angriff auf das duckmäuserische | |
| Beschweigen sexueller Übergriffe in der österreichischen Filmbranche. Der | |
| österreichischen Filmakademie warf sie vor, einem (nicht namentlich | |
| genannten) Täter als Moderator des Filmpreis-Events die große Bühne zu | |
| öffnen, anstatt sein Verhalten zu brandmarken. Die lange Liste anonymer | |
| Zeugnisse von betroffenen Frauen, die Katharina Mückstein auf Instagram | |
| veröffentlichte, löste eine heftige Kontroverse aus – #MeToo war in der | |
| Wiener Filmblase angekommen. | |
| Feminismus und Genderstudies interessierten die Vierzigjährige schon | |
| während ihres ersten Studiums, bevor sie die Filmregie zu ihrem Hauptfach | |
| machte. Mit Coming-of-Age-Filmen („Talea“ 2013 und „L’Animale“ 2018) … | |
| sie bekannt, mit ihren Kompagnons in der gemeinsamen Produktionsfirma La | |
| Banda produzierte sie Dokumentarfilme, und Drehbücher für die Krimis um den | |
| smarten Alex Haller, einen blinden Wiener Fernsehkommissar, schreibt sie | |
| auch. | |
| Angeregt durch die #MeToo-Welle fragte sich Katharina Mückstein, was heute | |
| eigentlich unter Feminismus verstanden wird, wo die Bewegung zwischen | |
| Theoriekonstrukten und politischem Aktivismus, popkulturellen Slogans und | |
| nicht enden wollender Gewalt auf Seiten reaktionärer Gegner angekommen ist. | |
| Mit Ina Freudenschuss entstand der Entwurf für eine dokumentarische | |
| Standortbestimmung. | |
| Von diesem ersten, auf die USA und England fokussierten Konzept blieb für | |
| den am Ende realisierten Film nur der flapsige Titel „Feminism WTF“ (d. i. | |
| What the Fuck) übrig, hier und da auch Inserts in Originalsprache wie | |
| beispielsweise [2][bell hooks]’ Merksatz „As long as we are using class or | |
| race power to dominate others, feminist sisterhood cannot be fully | |
| realized.“ | |
| Gespräche in Wien | |
| Die Corona-Epidemie zwang nämlich zur kreativen Neuorientierung. Geplante | |
| Drehreisen mussten ausfallen, und so luden die Regisseurin und ihr Team | |
| einige in Österreich und Deutschland lebende und lehrende experts in Sachen | |
| Feminismus und Gender-Equality zu Gesprächen nach Wien ein. | |
| „Feminism WTF“ gibt ihnen im wahrsten Sinne Raum, um in einem Reigen von | |
| anschaulichen und gut verständlichen Statements in deutscher Sprache zu | |
| erklären, warum der Feminismus „the most powerful social movement of our | |
| time“ ist, wie es ein Insert auf den Punkt bringt. Es geht um nicht weniger | |
| als gute Argumente, sachliche Studienergebnisse, historische Forschung, | |
| persönlich beglaubigte Erfahrungen – überzeugendes Gegengift zu der | |
| Polemik, Abwehr und Dämonisierung, die das Reizthema Feminismus nicht erst | |
| seit #MeToo provoziert. | |
| Als Schauplatz wählte Katharina Mückstein ein (den Coronabeschränkungen | |
| entsprechendes) leeres Funktionsgebäude in einem Wiener Neubaubezirk. Den | |
| weiträumigen Quader – Symbol modernistischer Unbehaustheit – richteten die | |
| Szenenbildnerinnen Katharina Haring und Nina Salak abgestimmt auf die | |
| Farbtöne der Kleidung aller Eingeladenen als angedeutete Zimmer oder Büros | |
| ein. Ein monochromes Farbenspiel aus jeweils pastellig grundierten Wänden, | |
| Möbeln, Accessoires gibt Augenfutter und grundiert die Vielfalt der Frauen, | |
| Männer und Queers, die sich äußern. | |
| Das zweite Moment, mit dem der Verleih den inszenierten Dokumentarfilm | |
| „Feminism WTF“ in Social-Media-Kanälen bewirbt, sind Gruppen- und | |
| Einzelperfomances, die angesprochene Themen aus dem didaktischen | |
| Gesamtkonstrukt heraussprengen und neue Bilder für Begehren, Selbstfindung | |
| und Gewalt präsentieren – wie Musikvideos zum sehr präsenten elektronischen | |
| Soundtrack der Wiener DJ-Größe Tony Renaissance, die die gängigen Klischees | |
| des Pop-Feminismus unterlaufen. | |
| Konsequenzen sexistischen Denkens | |
| Bei aller Vielfalt folgt „Feminism WTF“ dem roten Faden, Schritt für | |
| Schritt die Zusammenhänge zwischen Sexismus, Rassismus und Kapitalismus zu | |
| verdeutlichen. [3][Paula Villa Braslavsky] beschreibt die Konsequenzen des | |
| sexistischen Denkens, das die „Schwäche“ des weiblichen Geschlechts als | |
| naturgegebene Schicksalsfrage postuliert habe und bis heute in allen | |
| gesellschaftlichen Bereichen nachwirke. | |
| Sigrid Schmitz fächert neue biologische Erkenntnisse über die Vielfalt der | |
| Chromosomen- und Genkombinationen auf, die der Zweigeschlechtigkeitsnorm | |
| widersprechen. Nikita Dhawan polemisiert gegen die Doppelmoral des Westens, | |
| der kolonisierte Völker ins Korsett „zivilisierter“ prüder Sexualität | |
| presste, sich aber tolerant inszeniere und die Einbürgerung von einem | |
| klaren Bekenntnis gegen Homophobie abhängig mache. | |
| Maisha Auma und Emilene Wopana Mudimu fordern die angemessene Repräsentanz | |
| Schwarzer Frauen auch im feministischen Diskurs, [4][Franziska Schutzbach] | |
| und Laura Wiesböck erklären, wie die ungleiche Stellung der Frauen die | |
| kapitalistischen Profite maximiert, da ihre notwendige Care-Arbeit nach wie | |
| vor nicht oder schlecht bezahlt wird. | |
| Erstaunlich skeptisch die Resümees: In hundert Jahren könne eine | |
| feministische Gesellschaft ohne Heteronormativität, Ausbeutung und Gewalt | |
| entstanden sein oder aber der Kampf höre nie auf. | |
| 6 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Claudia Lenssen | |
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