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# taz.de -- Regisseurin über feministische Filme: „Nur Männer werden Genies…
> Für Regisseurin Katharina Mückstein ist die Fernsehbranche weiter vom
> männlichen Blick dominiert. Sie will diversere Figuren, Casts und
> Mitwirkende.
Bild: Portrait der Regisseurin und Drehbuchautorin Katharina Mückstein
taz: In einem [1][früheren Interview] sprachen Sie davon, dass in der
Filmgeschichte die schauende Person hinter der Kamera ein Mann und die
angeschaute Person vor der Kamera eine Frau sei. Wie meinen Sie das, Frau
Mückstein?
Katharina Mückstein: Wer hinter der Kamera arbeitet, entscheidet, wie die
Person vor der Kamera abgebildet wird. Und damit auch, wie wir als
Zuschauer:innen sie sehen. In der Entstehungsgeschichte des Kinos wurde
der Bereich hinter der Kamera sehr schnell männerdominiert. Weiblich
gelesene Körper hingegen wurden vor der Kamera in Szene gesetzt und
sexualisiert.
Spiegelt sich das in der Filmsprache, also in der Bildsprache, wider?
Ja, ich beschreibe Ihnen mal eine klassische Bildfolge: Wir sehen das
Gesicht eines Mannes, wir sehen seine Augen, dann schwenkt die Kamera den
weiblich gelesenen Körper ab. Dieser Blick, der einen Körper von oben bis
unten scannt, ist stark patriarchal konnotiert. Er ist objektifizierend und
reduzierend. Eine feministische oder eine queere Filmsprache bedeutet für
mich, mit dieser Machtachse des Blicks zu brechen und Lust anders zu
inszenieren.
Auf der Webseite des Vereins [2][„FC Gloria“], den sie mitgegründet haben
und der sich für Geschlechtergerechtigkeit in der österreichischen
Filmbranche einsetzt, steht: „Wir sind überzeugt, dass es eine große Rolle
spielt, ob Medieninhalte von Männern oder Frauen, Menschen mit
unterschiedlichen kulturellen Hintergründen oder Erfahrungswelten kreiert
werden.“ Kann ein alter, weißer Mann nicht etwa die Erfahrungen einer
jungen, schwarzen Frau abbilden?
Bestimmte Erfahrungen sind an einen Körper gebunden und in die
Erfahrungsgeschichte eines Menschen eingeschrieben. Daraus entsteht eine
Perspektive, die eine andere Person nicht haben kann. Perspektiven, die
nicht jenen weißer, oftmals wohlhabender Hetero-Männer entsprechen, sind in
unserer Kulturgeschichte marginalisiert. Auch wenn Frauen keine Minderheit
sind, ist das, was sie in dieser Gesellschaft zu sagen haben und wie viel
Wert auf ihre Erzählperspektive gelegt wird, eine marginalisierte
Perspektive. Dasselbe gilt für queere, trans Perspektiven und für Menschen
of Color.
Das Problem beginnt also bei der Besetzung der Teams hinter der Kamera.
Das Problem beginnt bei der Ausbildung und bei Chancengleichheit in der
Gesellschaft: Wer kann es sich leisten, einen künstlerischen Beruf
auszuüben? Schon von Anfang an findet ein klassistischer Ausschluss statt.
Dann die Frage: Wer unterrichtet Film? Wie sieht der Kanon im Unterricht
aus? Ich habe in meinem Studium zwischen 2004 und 2010 beim Regisseur und
Drehbuchautor [3][Michael Haneke] eine Liste der seiner Meinung nach 50
wichtigsten Filme aller Zeiten bekommen. Da war kein einziger Film von
einer Regisseurin dabei, fast alle Filme kamen aus einem weißen, westlichen
Kontext. Nichts wich jemals von dieser Norm ab. Der Geniebegriff bleibt
Männern vorbehalten.
Wie kann die Branche gerechter werden?
Es bräuchte eine Veränderung der Arbeitsstrukturen. Elternschaft und
Filmberuf dürfen einander nicht ausschließen. Es braucht gute
Arbeitszeiten, faire Bezahlung und Gewaltschutz. Wir wissen, dass die
[4][Filmindustrie ein optimaler Nährboden für Machtmissbrauch und für
sexualisierte Übergriffe] ist. Auch Geld spielt eine Rolle: Für Kino gibt
es sehr wenig Stipendien, was wiederum bedeutet, dass Leute aus
wohlhabenden Familien im Vorteil sind. Und nicht zuletzt sollte das Kino
ein Medium des Volkes sein, das für alle zugänglich ist und idealerweise
wenig oder gar nichts kostet. Die Gesellschaft finanziert unser
Filmemachen, warum sollten unsere Filme also nicht Allgemeingut sein?
Vom Kino zum Fernsehen: Was bedeutet feministisches Arbeiten in der
TV-Branche?
So etwas wie feministisches Filmemachen kenne ich beim Fernsehen nicht. Das
lineare und das öffentlich-rechtliche Fernsehen sind keine feministischen
Medien. Ich kann mir als Regisseurin nicht aussuchen, mit wem ich
produziere, mit wem ich drehe, wer die Hauptrollen spielt. All das ist
vorgegeben. Was ich mitbringen kann, ist meine eigene politische Haltung,
aus der heraus ich durch meine Machtposition als Regisseurin versuche, ein
Arbeitsklima herzustellen, in dem sich niemand schlecht behandelt fühlt und
in dem Kritik möglich ist. Im Kino ist das anders, wobei auch da die
Ressourcen Zeit und Geld immer vorgeben, wie wir arbeiten können. Das zeigt
wieder, dass Kapitalismus und Patriarchat zusammengehören.
Inwiefern?
In diesen Arbeitsverhältnissen ist nicht vorgesehen, dass jemand mal krank
wird, ein Kind zu Hause pflegen oder andere [5][Care-Arbeit] leisten muss.
Alles ist auf eine funktionierende Arbeitshierarchie ausgelegt, sodass man
in kurzer Zeit so sparsam wie möglich möglichst spektakuläre Filme
produzieren kann. Das ist eine sehr patriarchale Idee von Kunst und es ist
mit viel Aufwand verbunden, wenn man es in einzelnen Projekten anders oder
besser machen möchte.
Sie haben beim Wien-Krimi und beim [6][Tatort] Regie geführt. Die
Hauptfiguren sind vorgegeben, doch beim restlichen Ensemble legen Sie Wert
auf Diversität. Wie gehen Sie vor?
Bekomme ich Drehbücher fürs Fernsehen, in denen alle irgendeinen autochthon
österreichischen oder deutschen Namen haben und nur die Bösewichte
sogenannte rassifizierte Personen sind, möchte ich das einfach nicht
drehen. Da stelle ich sofort die Frage: Bei welchen Figuren ist es
überhaupt wichtig, dass sie Hofmann oder Huber heißen? Und könnten sie
nicht auch eine ganz andere Herkunft, ein anderes Geschlecht, eine andere
sexuelle Orientierung haben? Für mich bedeutet das demokratische Haltung,
zu sagen, öffentlich-rechtliches Fernsehen ist für alle da, deshalb müsste
es allen Arbeit geben und auch alle abbilden.
Sie plädieren für mehr Diversität und weniger Hofmanns und Hubers. Was
braucht es noch?
Wir sollten wegkommen von der Idee, über Geschlecht immer binär zu
sprechen. Wo sind die ganzen genderqueeren Autor:innen? Wo die
Autor:innen of Colour? Warum sind die Filmschulen so weiß? Warum ist die
Filmindustrie so hetero normiert? Und nicht zuletzt müssen wir uns die
Frage stellen, wofür machen wir diese ganze Arbeit? Die [7][Klimakrise] ist
real. Wenn die Welt verbrennt, dann interessiert die Filmbranche niemanden
mehr. Und wenn die Rechten Deutschland oder Österreich regieren, sind diese
Künstler:innen die ersten, die abgeschafft werden. Ich würde mir sehr
wünschen, dass Kino und Fernsehen das ausschöpfen, was sie an
Bildungsarbeit, an Politisierung, an Auseinandersetzung leisten könnten.
6 Jan 2024
## LINKS
[1] https://thegap.at/feminism-wtf/
[2] https://www.fc-gloria.at/
[3] /Komoedie-von-Michael-Haneke/!5452357
[4] /Anklage-gegen-Harvey-Weinstein-in-LA/!5677944
[5] /Reform-der-Pflegeversicherung/!5937015
[6] /Hamburger-Tatort/!5979646
[7] /Hochwasserschutz-in-Deutschland/!5979900
## AUTOREN
Franziska Mayr
## TAGS
Regisseurin
Feminismus
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