| # taz.de -- Nachruf auf bell hooks: Und wäre die Liebe nicht | |
| > Die große Anwältin der klassenlosen Gesellschaft. Zum Tod der | |
| > Literaturwissenschaftlerin und feministischen Theoretikerin bell hooks. | |
| Bild: Die US-amerikanische Autorin und Aktivistin bell hooks im Jahr 1996 | |
| Man kann zahlreiche [1][Bücher über Klassismus, Feminismus oder Rassismus | |
| lesen], aber kaum ein Text kann in seiner Klarheit, Schärfe und | |
| Unmittelbarkeit mit bell hooks’ Texten mithalten. Jeder Satz ist ein Schlag | |
| ins Gesicht derjenigen, die Klassendifferenzen unsichtbar machen oder | |
| Rassismus und Sexismus totschweigen wollen. Nun ist bell hooks im Alter von | |
| 69 Jahren gestorben. Aber ihr Plädoyer für eine klassenlose Gesellschaft | |
| ist aktueller denn je. | |
| In ihrer Jugend träumt hooks von einem weitläufigen Haus, angefüllt mit | |
| schönen Dingen und zahlreichen Büchern. Als Erwachsene entscheidet sie sich | |
| für eine bescheidene Bleibe. Frei von Schulden will sie leben, aber auch | |
| frei von unnötigem Luxus. Ihr Traumhaus ist kein reines Gedankenspiel, es | |
| ist die materielle Verkörperung eines Gleichheitsversprechens. Mehr als ein | |
| Zimmer für sich allein, ein Platz in der Welt. | |
| bell hooks war eine Klassenaufsteigerin. In ihrem Essay „Die Bedeutung von | |
| Klasse“ beschreibt sie ihren Weg aus einfachsten Verhältnissen in eine Welt | |
| des Wohlstands. Sie wird als Tochter eines Wachmanns und einer Hausfrau | |
| geboren, studiert schließlich an der Eliteuniversität Stanford und wird | |
| Professorin für englische Literatur. | |
| ## Die eindringliche übersetzerin | |
| Noch ihrer Mutter hatte sich nur die Heirat als Ausweg aus ihrer Schicht | |
| geboten. Als ihre Mutter den Vater heiratet, ist sie bereits zweifache | |
| Mutter, dabei selbst noch eine Teenagerin. Gemeinsam mit ihrem neuen | |
| Ehemann bezieht sie ein Haus, das bell hooks später als eiskalten | |
| Betonklotz beschreibt. | |
| Das Haus der Großmutter mütterlicherseits, die weder lesen noch schreiben | |
| kann, ist ein Gegenort: „Vollgestopft mit Objekten und Erinnerungen, war es | |
| für ein Kind unmöglich, zu erkennen, dass dies ein Haus von Erwachsenen | |
| ohne Sozialversicherungsnummer und ohne regelmäßige Arbeit war.“ | |
| Man erfasst beim Lesen intuitiv, wie sich die Kategorien race, class und | |
| gender verschränken und muss dafür nicht von „intersektionalem Feminismus“ | |
| gehört haben. bell hooks war in diesem Sinne eine erfolgreiche | |
| Übersetzerin; eine Übersetzerin hochkomplexer Zusammenhänge in eine Sprache | |
| der Unmittelbarkeit. | |
| ## bell hooks’ Schlüssel zur klassenlosen Gesellschaft | |
| Auch ihr Pseudonym (bell hooks wird als Gloria Watkins geboren) markiert | |
| eine Übersetzung. Es ist der Name ihrer indigenen Großmutter. Mithilfe der | |
| Kleinschreibung zeigt sie ihre Rolle als Nachkommin – auch das ist eine | |
| Form der Verortung in der Welt. | |
| bell hooks’ Klassenaufstieg könnte glauben machen, dass das Klassensystem | |
| durchlässig ist und das meritokratische Versprechen, wonach harte Arbeit | |
| durch Wohlstand belohnt wird, von allen eingelöst werden könnte. Aber nicht | |
| der Klassenaufstieg ist der Schlüssel zu einer gerechten Gesellschaft, so | |
| hooks. Vielmehr müsse eine klassenlose Gesellschaft das eigentliche Ziel | |
| sein. | |
| Für hooks bedarf es aber einer weiteren gesellschaftlichen Veränderung: | |
| [2][In ihrem Buch „alles über liebe“] betrachtet sie gesellschaftlichen | |
| Hass als Folge der Bindungs- und Liebesunfähigkeit des Einzelnen. Diese | |
| wiederum resultiere aus einem falschen Verständnis von Liebe, das in vielen | |
| Familien vorherrsche. | |
| Man verwechsle Fürsorge mit der liebevollen Akzeptanz und Wertschätzung des | |
| Kindes. Wer aber selbst keine Wertschätzung erfahren habe, könne sie auch | |
| nicht für andere empfinden. Liebe ist bei hooks kein Zustand, sondern ein | |
| Tun, das im Alltag verwirklicht und in Intimbeziehungen erprobt werden | |
| muss; erst dadurch kann sie zur gesellschaftlichen Kraft umgewandelt | |
| werden. Diese Botschaft bleibt, auch nach ihrem Tod, dank ihrer | |
| kraftvollen, eindringlichen Texte. | |
| 16 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rassismus-und-Klassismus/!5706370 | |
| [2] /bell-hooks-Roman-alles-ueber-liebe/!5789250 | |
| ## AUTOREN | |
| Marlen Hobrack | |
| ## TAGS | |
| Feminismus | |
| USA | |
| Anti-Rassismus | |
| Klassismus | |
| Podcast „Vorgelesen“ | |
| Schwerpunkt Leipziger Buchmesse 2025 | |
| Rechts | |
| Kulturgeschichte | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| „bone black“ von bell hooks: Das Problemkind | |
| Zwischen Gewalt in der Familie und Liebe für Literatur – in „Bone Black“ | |
| erzählt die US-amerikanische Feministin bell hooks von ihrer Kindheit. | |
| Norberto Bobbios „Rechts und Links“: Das Problem der Gleichheit | |
| Ist die Unterscheidung zwischen links und rechts obsolet geworden? Die | |
| Neuauflage von Norberto Bobbios Klassiker gibt Antworten. | |
| Sachbuch „Die Erfindung der Hausfrau“: Mutti lädt das Gewehr nach | |
| Evke Rulffes rekonstruiert in ihrem Buch die Erfindung und Entwicklung der | |
| Hausfrau. Es offenbart Einblicke in Moral, Ökonomie und Gendergap. | |
| „Selbstporträt in Schwarz und Weiß“: Gegen Tribalismus jeder Couleur | |
| Rassisten und einige Antirassisten reduzierten Menschen auf abstrakte | |
| Kategorien, schreibt der Autor Thomas Chatterton Williams in seinem | |
| Sachbuch. |