| # taz.de -- Nach dem Putsch in Niger: Kein frisches Geld für Putschisten | |
| > Entwicklungsministerin Schulze verspricht, Druck auf die Junta zu machen, | |
| > indem sie Entwicklungsgeld zurückhält. Doch die Stimmung könnte kippen. | |
| Bild: Entwicklungsministerin Schulze trifft den Präsidenten der ECOWAS-Kommiss… | |
| Abuja taz | Kurz nachdem Entwicklungsministerin Svenja Schulze am Mittwoch | |
| in Nigerias Hauptstadt Abuja gelandet war, brach das Inferno los. | |
| Starkregen überschüttete den Konvoi der deutschen Delegation, die Autobahn | |
| vom Flughafen ins Stadtzentrum verwandelte sich in eine Wasserstraße. Das | |
| ist normal um diese Jahreszeit, es herrscht Regenzeit. Schulzes kurzfristig | |
| angesetzter Besuch in Nigeria war jedoch außergewöhnlich. | |
| Ursprünglich wollte die SPD-Politikerin [1][vier Tage nach Mauretanien und | |
| Burkina Faso reisen], doch nach dem Putsch in Niger am 26. Juli änderte sie | |
| kurzfristig ihre Reiseroute. Statt nach Burkina Faso, das sich mit den | |
| Putschisten solidarisiert hatte, reiste sie von Mauretanien weiter nach | |
| Nigeria, dem Sitz der [2][westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft | |
| Ecowas]. Die Ecowas hatte auf den Sturz des gewählten nigrischen | |
| Präsidenten Mohamed Bazoum scharf reagiert, verhängte Sanktionen und droht | |
| nach wie vor, militärisch gegen die Militärjunta vorzugehen. Sie ist | |
| gleichzeitig die Institution, die vermitteln soll. Am späten Mittwochabend | |
| teilte die Ecowas „die Aktivierung der Bereitschaftstruppe zur | |
| Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Niger“ mit. | |
| In Abuja traf Schulze den Kommissionspräsidenten der Ecowas, den gambischen | |
| Politiker Omar Touray, um zu erfahren, wie es weitergeht in Niger. Touray | |
| habe ihr berichtet, wie angespannt die Lage in der Region sei und wie | |
| besorgt die verbliebenen demokratisch regierten Länder. „Es war wirklich | |
| der eine Putsch zu viel, das war die Formulierung“, so Schulze nach dem | |
| Gespräch. Seit 2020 waren in vier der 15 Ecowas-Mitgliedsländer die | |
| gewählten Regierungen von Militärs gestürzt worden. | |
| Die Lage im Sahel, der bereits jetzt Krisenherd und [3][Drehkreuz für | |
| Flüchtlinge] ist, bleibt also explosiv. Immerhin scheint die Ecowas die von | |
| ihr aufgebaute militärische Drohkulisse wieder abzubauen. Sie sei sich mit | |
| Touray einig gewesen, dass es eine friedliche Rückkehr zur Demokratie im | |
| Niger geben müsse, so Schulze. Unklar bleibt jedoch, ob und wann es zu | |
| Verhandlungen mit den neuen Machthabern in Niger kommt. Es heißt, eine | |
| Abordnung von Parlamentsabgeordneten der Ecowas sei in Nigers Hauptstadt | |
| Niamey. Außerdem werde der UN-Sondergesandte für Westafrika am Donnerstag | |
| dort erwartet. | |
| ## Kein Strom, kein Geld | |
| Die von ihr verhängten Sanktionen will die westafrikanische | |
| Wirtschaftsgemeinschaft aufrechterhalten. Seit dem Putsch ist der Handel | |
| ausgesetzt, die Grenzen geschlossen und Nigeria hat als wichtigster | |
| Lieferant Niger den Strom abgedreht. | |
| Der Westen setzt auch weiterhin die Entwicklungshilfe aus. Aus deutschen | |
| Regierungskreisen heißt es, die Ecowas habe die westlichen Geber darum | |
| gebeten, zu verhindern, dass die nigrische Militärjunta an dringend | |
| benötigtes frisches Geld kommt. Das Auswärtige Amt gab am Donnerstag | |
| bekannt, EU-Sanktionen gegen Militärs in Niger auf den Weg bringen zu | |
| wollen. | |
| Touray habe sich ausdrücklich für die Solidarität der Sahel-Allianz | |
| bedankt, so Schulze. Sie ist seit einem Monat Präsidentin dieses Bündnis | |
| der westlichen Geber für Entwicklungshilfe und vor allem in dieser Funktion | |
| nach Nigeria gereist. Touray habe vom Westen aber auch gefordert, weiterhin | |
| solidarisch zu sein, was Schulze zusagte. „Der Druck muss jetzt | |
| aufrechterhalten werden. Wir werden Ecowas weiter unterstützen“, so Schulze | |
| in Abuja. | |
| Das bedeutet auch, dass 24 Millionen Euro deutscher Entwicklungshilfegelder | |
| weiterhin auf Eis liegen. Mit diesem Geld unterstützt Deutschland im | |
| bitterarmen Niger etwa die Bildung von Mädchen. Familien erhalten Geld, | |
| wenn sie ihre Töchter zur Schule schicken. Auch Gemeinden, die Schulen | |
| betreiben oder Gesundheitsstationen aufbauen, konnten dies bislang vor | |
| allem dank deutscher Entwicklungshilfe tun. [4][Als Schulze im Frühjahr | |
| Niger besuchte, traf sie Bürgermeister:innen und | |
| Regionalvertreter:innen], die sich für das deutsche Engagement | |
| bedankten und sie baten, weiter aktiv zu bleiben. Das wird vorerst nicht | |
| möglich sein. | |
| ## Heikler Stopp von Entwicklungshilfe | |
| Schulze erklärte zwar, sie wolle Geld so umsteuern, dass es in | |
| regierungsferne Projekte gehe. Gleichzeitig räumte sie ein: „Das wird in | |
| der jetzigen Situation, in der die Grenzen geschlossen sind und wir keine | |
| Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort haben, natürlich sehr, sehr | |
| schwierig.“ Also nahezu unmöglich. | |
| Die Hoffnung ist, dass Niger einen ähnlichen Weg nimmt wie das ebenfalls | |
| zum Sahel zählende Mauretanien, welches Schulze am Montag und Dienstag | |
| bereiste. Hier putschten Militärs Anfang der 2000er mehrere Male, ließen | |
| sich allerdings später durch Wahlen legitimieren. Falls sich die nigrische | |
| Militärjunta auf diesen Pfad begäbe, könnte auch die Entwicklungshilfe | |
| wieder fließen. | |
| Zwar fließen humanitäre Hilfsgelder weiter. Dennoch ist der Stopp der | |
| Entwicklungshilfe auch eine politische Gratwanderung. „Es war ein Fehler, | |
| die Hilfen ganz zu stoppen“, erklärt etwa Asmau Benzies-Leo von der | |
| nigerianischen Nichtregierungsorganisation Cengain, die sich für | |
| Frauenrechte einsetzt. „Das könnte zu einem Backlash führen, wenn die | |
| Menschen im Niger Ecowas und den Westen für ihre Notlage verantwortlich | |
| machen“. | |
| Eine Erzählung, wie sie die Militärjunta verbreitet. Benzies-Leo berichtet | |
| vom ansonsten regen Austausch im Grenzgebiet von Niger und Nigeria, aus dem | |
| sie selbst stammt. Die Menschen trieben Handel, heirateten untereinander. | |
| „Wir sind eins.“ Nun müssten alle diplomatischen Mittel ergriffen werden, | |
| um eine friedliche Lösung in Niger zu finden, fordert Benzies-Leo. Sonst | |
| drohe eine Katastrophe für die gesamte Region. | |
| 17 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
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