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# taz.de -- Wagner-Gruppe in Afrika: Als „Händler des Todes“ bekannt
> Der Waffenhändler Viktor Bout war 15 Jahre in US-Haft. Nun ist er frei.
> Der Chef der russischen Wagner-Gruppe will ihm den Weg in die Politik
> ebnen.
Bild: Viktor Bout beim Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg, während in …
Kampala taz | „Wir kennen uns schon lange“, schreibt Maxim Schugalei auf
seinem Telegram-Kanal über seinen neuen Auftraggeber. Der Vorsitzende der
russischen Stiftung zur Verteidigung der Nationalen Werte, die als
Propagandaorgan der privaten Sicherheitsfirma Wagner fungiert, stellt nun
seine Dienste einem weiteren Russen zur Verfügung. Als „sehr talentierte
und engagierte Person“ bezeichnet Schugalei auf Telegram seinen neuen Boss:
„Schon vor langer Zeit hat er als einer der Ersten in der Praxis bewiesen,
wie vorteilhaft Russland und Afrika füreinander sein können.“
Es handelt sich konkret um [1][den russischen Waffenhändler Viktor Bout],
der in Afrika als „Händler des Todes“ bekannt ist, nach dem gleichnamigen
Spielfilm mit [2][Hollywood-Schauspieler Nicolas Cage], der die
Waffengeschäfte von Bout nachzeichnete. Der gelernte Pilot, einst als
KGB-Spion in Angola stationiert, lieferte nach dem Zerfall der Sowjetunion
Kriegsgerät für fast jeden Bürgerkrieg des Kontinents aus Sowjetbeständen.
Laut taz-Recherchen haben sich in den vergangenen Wochen Wagners
Propagandachef Schugalei und Bout mindestens dreimal in Russland getroffen,
zuletzt am 11. August in Uljanowsk im Herzen Russlands, wo Bout für einen
Sitz im Regionalparlament kandidieren will.
Russlands berühmtester Waffenhändler ist erst seit rund acht Monaten wieder
frei. Er wurde im Dezember 2022 durch einen Gefangenenaustausch aus den USA
nach Russland überstellt. In [3][den USA war er 2012 unter anderem wegen
Terrorismus zu 25 Jahren Haft] verurteilt worden. Er war 2008 in Thailand
verhaftet worden, als er versuchte, Waffen an kolumbianische Rebellen und
Drogenkartelle zu verkaufen.
## Wagner-Chef braucht Flieger
Russlands Präsident Wladimir Putin ließ Bout nach seiner Rückgabe direkt
laufen, die beiden teilen eine gemeinsame Vergangenheit beim sowjetischen
Geheimdienst KGB. Daraufhin trat Bout in Russlands ultranationalistische
Liberaldemokratische Partei ein, die Putins Ukrainekrieg lautstark
unterstützt, und sie will er nun im Regionalparlament in Uljanowsk
vertreten.
In dieser Funktion kann er für Wagner nützlich werden. Denn in der Region
Uljanowsk werden seit Sowjetzeiten in der Firma Aviatar Militärgeländewagen
vom Typ UAZ sowie Transportflugzeuge wie die Iljushin-76 gebaut, die
Wagner-Chef Prigoschin dringend für seine Operationen in Afrika benötigt.
Mehrfach hatte dieser sich vor seinem gescheiterten Aufstand im Juni
lautstark beschwert, dass Russlands Verteidigungsministerium seinen
Kämpfern in der Ukraine nicht die nötige Ausrüstung zukommen lasse.
Transportmaschinen, die Kriegsgerät und Truppen durch die Gegend fliegen
können, sind da ganz entscheidend.
## Seine Piloten konnten mitten im Urwald landen
Bout war in Afrika in erster Linie für seine Transportflugzeuge bekannt. Zu
Beginn der Nullerjahre, als zahlreiche Bürgerkriege auf dem Kontinent
tobten – in der Demokratischen Republik Kongo, in Sudan, in Liberia, in
Sierra Leone –, unterhielt Bout zeitweilig die größte Flugzeugflotte der
Welt.
Er lieferte mit seinen Transportmaschinen Sturmgewehre in den Dschungel,
lud dort Gold, Diamanten und Mineralien wie Coltan wieder ein. Er flog
sogar für die UNO Lebensmittel für Vertriebene in abgelegene
Bürgerkriegsregionen oder lieferte den teuren Viktoriabarsch aus Uganda per
Luftfracht nach Europa, wie es in dem [4][berühmten Film „Darwins
Albtraum“] dokumentiert ist. Seine Piloten waren bekannt dafür, sogar
mitten im dichten Urwald auf einem Fußballplatz landen zu können.
Als den „schlauesten und meistgebildeten Menschen“ bezeichnet Progoschin
seinen neuen Freund Bout in einer Sprachnachricht auf Telegram nach ihrem
„gemeinsamen Besuch in Uljanowsk“ Ende Juni. [5][Fotos dieses Treffens
machten in den russischen und afrikanischen Telegram-Kanälen die Runde.]
Darauf sieht man die beiden Russen vor einem Werbebanner der Stadt
Uljanowsk, beide locker gekleidet in Jeans und Hemd. Ohne zu lächeln,
gucken sie in die Kamera. Es ist ein Foto, das in Afrika mit großer
Besorgnis betrachtet wird.
## Treffen beim Russland-Afrika-Gipfel
Denn vieles deutet darauf hin, dass Bouts Erfahrungen mit dem Transport von
Militärausrüstung in Afrika nun der Firma Wagner zugutekommen könnte, die
ihr Einsatzgebiet auf dem afrikanischen Kontinent erweitern will. Kurz nach
dem Putsch im Niger Ende Juli hat Wagner-Chef Prigoschin den Putschisten
seine „Unterstützung“ angeboten.
Um für eine Expansion mehr Lufttransportmaschinen zur Verfügung zu haben,
soll Bout helfen. Die US-Amerikaner hätten einen „großen Fehler“ begangen,
Bout im Austausch an Russland zu übergeben, so Prigoschin, denn: „Diese
Person wird eine enorme Leistung für die Zukunft Russlands erbringen.“
Umgekehrt hilft Wagner dem Waffenhändler jetzt beim Wahlkampf in Uljanowsk.
Wagners Propagandachef Schugalei soll nun höchstpersönlich Bouts Wahlkampf
leiten. Die ersten Ergebnisse wurden bei dem Treffen vergangene Woche in
Uljanowks bereits sichtbar: Da sitzen Schugalei und Bout vor einem
aufwendig gestalteten gigantischen Werbeplakat.
## Höher geschätzt als Diamanten
Die Zusammenarbeit wurde offenbar auf dem Russland-Afrika-Gipfel in Sankt
Petersburg Ende Juli vereinbart, wo sowohl Prigoschin als auch Bout
anwesend waren. „Auf dem Gipfel traf ich Viktor Bout“, teilte Schugalei
damals über seinen Telegram-Kanal mit. „Wir haben auch darüber gesprochen,
dass UAZs aus Uljanowsk in Afrika höher geschätzt werden als lokale
Diamanten.Gleiches gilt für IL-Flugzeuge – Fracht- und Tankflugzeuge, die
bei Aviastar in Uljanowsk produziert werden“, so Schugalei: Besonders gut
habe ihm gefallen, dass Viktor Bout einen „sehr klaren Plan“ habe, „wie m…
das alles in die Tat umsetzt“, erklärte der Chefpropagandist und pries Bout
als „sehr sachkundige Person“.
Bout sei ein großer strategischer Gewinn für den Kreml, argumentiert Samuel
Ramani, Experte für Russlands Außenpolitik an der Universität von Oxford.
Insbesondere in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, wo Bout
früher aktiv war und wo jüngst Wagner vergeblich versucht hat, Einfluss zu
gewinnen.
Douglas Farah, der ein umfassend recherchiertes Buch über Bout geschrieben
hat, argumentiert hingegen: „Er war von allem sehr lange abgeschnitten.“
Seine Beziehungen in Afrika seien in der Vergangenheit sehr persönlich
gewesen. Insofern sei es zweifelhaft, dass er diese so einfach nach 15
Jahren in Haft wieder reaktivieren könne. Dass Bout sich nun wieder in
Afrika engagiere, sei laut Farah „nicht sehr wahrscheinlich“. Doch
andererseits, so der Bout-Experte, „hatte er eine bemerkenswerte Karriere –
und nichts davon war wahrscheinlich“.
21 Aug 2023
## LINKS
[1] /Mutmasslicher-Waffenhaendler-Bout/!5132193
[2] /!226432/
[3] /Haendler-des-Todes-verurteilt/!5108441
[4] https://www.imdb.com/title/tt0424024/
[5] https://73online.ru/r/evgeniy_prigozhin_pribyl_v_ulyanovsk-121240
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
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