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# taz.de -- Noch viel mehr Autos aus Grünheide: Tesla will mehr
> Die Ausbaupläne des Autobauers für sein Werk in Grünheide stoßen bei
> Umweltschützern auf Widerstand. Sie sorgen sich um die Wasserversorgung
> der Region.
Bild: Anwohner bei einer Informationsveranstaltung von Tesla im Grünheider Ort…
Grünheide taz | Erneut hat auch der Bundeskanzler sich als Tesla-Fan
präsentiert: Die Pläne für eine Erweiterung der Großfabrik des
US-Elektroautobauers in Grünheide, die bis zum Freitag einsehbar sind,
befürwortet ganz aktuell auch Olaf Scholz, der SPD-Mann mit dem
Bundestagsmandat in Potsdam. Das ändert nichts daran, dass
Umweltschutzverbände weiter gegen den im Juli beantragten Ausbau
protestieren. Ab jetzt haben sie noch einen Monat Zeit, diesen Protest als
offizielle Einwendung einzureichen.
„Was hat die SPD-geführte Landesregierung Brandenburg Tesla zugesagt?“, hat
der Verein für Natur und Landwirtschaft in Brandenburg sofort gefragt,
nachdem der Autobauer Tesla seine neuen Pläne für eine noch größere
„Gigafactory“ an der Grenze zu Berlin am 19. Juli vorstellte.
Die Gegner*innen eines Ausbaus sorgen sich um die Wasserversorgung der
Region. Brandenburgs Pegelstände sinken seit Jahren, gleichzeitig nehmen
Wasserverbrauch und Verdunstung zu. Das müsste eigentlich auch
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wissen. „Wir sind fest entschlossen,
Tesla dabei zu unterstützen, eine passende Lösung noch vor dem Sommer zu
finden“, versprach er hingegen bereits im März in einem lieben, auf
Englisch geschriebenen Brief („Dear Mr. Musk“) an Tesla-Chef Elon Musk.
Umweltschutzverbände reagierten auf dieses Schreiben mit „Entsetzen und
Unverständnis“.
Seine Ausbaupläne hat das US-Unternehmen auf 17.400 Antragsseiten
dokumentiert. Zuständig dafür: das brandenburgische Landesamt für Umwelt
(LfU). Kernstück des Ausbaus ist neben der Batteriezellproduktion eine
neue Fertigungshalle zur Verdoppelung der Autoproduktion.
## Bedenken vom Wasserverband
Bereits vor der Veröffentlichung des Änderungsantrags hatte der für den
Tesla-Standort Grünheide zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE)
Bedenken geäußert. Wenn zusammen rund 2 Millionen Quadratmeter versiegelt
beziehungweise überbaut würden, hätte das „Auswirkungen auf die
Grundwasserneubildung“, schrieb der Verband im April. Er befürchtet einen
„direkten Einfluss auf die öffentliche Trinkwasserversorgung“.
Tesla widerspricht dieser Befürchtung: „Jegliche auf der genannten Fläche
anfallenden Niederschläge werden am Standort versickert und tragen zur
Grundwasserneubildung bei“. Alle Grundwasserabsenkungen seien temporäre
Maßnahmen.
Nicht nur der WSE, auch Umweltschutzverbände wie die Grüne Liga und die
Bürgerinitiative (BI) Grünheide befürchten negative Auswirkungen auf das
Grundwasser. So soll etwa die Fertigungshalle auf über 81.000 Betonpfeilern
stehen, die zwölf Meter tief in den Boden bis weit ins Grundwasser
getrieben werden sollen. Doch befinden sich die geplanten Neubauten zum
Teil im Trinkwasserschutzgebiet – und dort sind Baumaßnahmen wir das
Einrammen von Pfählen strikt verboten. Allerdings kann die Untere
Wasserbehörde eines Kreises so etwas ausnahmsweise erlauben.
Auch der geplante Neubau für die Produktion von Batteriezellen liegt zum
Teil in einer Wasserschutzzone. Das Landesamt für Umwelt sieht hier deshalb
„unüberwindliche Hindernissen für eine Teilgenehmigung“ und forderte Tesla
auf, seine Pläne zu ändern. Tesla sieht laut Unterlagen „keine nachteiligen
Auswirkungen“ aufs Grundwasser und sichert zu, trotz erhöhter Produktion
nicht mehr Wasser zu benötigen und das Abwasser komplett wiederzuverwerten.
## Weitere Wasservorkommen werden erkundet
Trotz dieser Ankündigung bleibt Steffen Schorcht von der BI Grünheide
skeptisch: „Ich glaube nicht, dass die uns die Wahrheit sagen.“ Mit dem
erhöhten Einsatz von Roh- und Gefahrenstoffen müsse die Gigafactory in die
obere Klasse laut Störfallverordnung eingestuft werden. Außerdem halte
Tesla an den Plänen für Probebohrungen für Brunnen fest und hoffe weiter
auf Wasser aus dem Erschließungsgebiet zur Grundwasserförderung in
Hangelsberg. Tatsächlich erkundet Tesla inzwischen selbst weitere
Wasservorkommen.
Wie viel Grundwasser die lokalen Wasserverbände fördern dürfen, entscheidet
das Landesamt für Umwelt. Der Wasserverband Strausberg-Erkner darf pro Jahr
14,5 Millionen Kubikmeter Wasser für 170.000 Einwohner*innen fördern.
Der Verband hat Tesla vertraglich eine Lieferung von 1,8 Millionen
Kubikmeter Wasser pro Jahr zugesagt.
Seit März 2022, etwa zeitgleich mit der Eröffnung des Tesla-Werks, hat der
WSE 18 Bauprojekten im Verbandsgebiet keine wasserrechtliche Genehmigung
erteilt, da er dafür kein Trinkwasser mehr bereitstellen und deren Abwasser
nicht entsorgen kann. Auch private Verbraucher*innen im Verbandsgebiet
sollen wegen Wassermangels ab 2025 auf 105 Liter pro Person und Tag
beschränkt werden. Das Gebiet zwischen Grünheide und Berlin gilt darum als
„rote Zone“. Dort wird schon jetzt mehr Grundwasser pro Jahr gefördert, als
sich neu bilden kann. Dazu gehören auch die Gemeinden Vogelsdorf und
Altlandsberg, knapp 30 Kilometer nördlich der Tesla-Fabrik.
Beide Gemeinden gehören zum Landkreis Märkisch-Oderland, wo Gernot Schmidt
von der SPD Landrat ist. Der hatte bereits im Januar angedeutet,
Wassergenehmigungen an der Genehmigungsbehörde vorbei über den Landkreis zu
erteilen. Denn kleinere Brunnen mit einer Fördermenge von bis zu 2.000
Kubikmeter pro Tag müssen nicht beim Landesamt für Umwelt, sondern bei der
Unteren Wasserbehörde des Landkreises beantragt werden.
Die untersteht dem Landrat, in diesem Fall also Schmidt. Dabei spielt die
Zahl dieser Brunnen keine Rolle. Für den Landkreis ist das praktisch, denn
er muss sich die Wasserentnahmen nicht vom (dem LfU unterstehenden)
Wasserverband genehmigen lassen und benötigt auch keine
Umweltverträglichkeitsprüfung. Damit besteht jedoch die Gefahr, dass dieses
Wasser dann in den Nachbargemeinden fehlt. In Vogelsdorf etwa plant die
Sorbus GmbH, ein Gewerbegebiet zu entwickeln und auch Zulieferer für Tesla
anzusiedeln. Nach der Genehmigung des Brunnens segnete die
Gemeindeversammlung am 29. Juni den Bebauungsplan ab.
## Orientierung an der Grundwassersituation
Daraufhin hat die Grüne Liga Brandenburg beim Landkreis Märkisch-Oderland
Widerspruch gegen die wasserrechtliche Erlaubnis für das Gewerbegebiet in
Vogelsdorf eingereicht. „Wenn die Ampeln bei einigen Bilanzgebieten auf Rot
stehen und mehr Grundwasser entnommen als neu gebildet wird, können selbst
die Unteren Wasserbehörden keine Kleinstmengen genehmigen“, so Michael
Ganschow von der Grünen Liga gegenüber der taz. Die Bauplanungen müssten
sich an der Grundwassersituation orientieren und nicht umgekehrt: „Jede
Menge, die in diesem Gebiet entnommen wird, ist zu viel.“
Der Wasserverband WSE fühlte sich übergangen und verklagte den Landkreis
Märkisch-Oderland beim Verwaltungsgericht auf die Herausgabe des
Bescheides. Dies ist nicht der erste Konflikt des WSE mit den Behörden.
Unter der Leitung des Umwelttechnikers André Bähler hat sich der Verband
wiederholt besorgt über die Trinkwasserversorgung in der Region gezeigt und
sich auch kritisch zur Tesla-Ansiedlung geäußert.
Auf die Klage reagierten Politiker*innen der SPD teilweise empört und
forderten die Ablösung Bählers. Ein entsprechender Abwahlantrag steht nun
auf der Tagesordnung für die nächste Verbandssitzung am 27. September.
Erkners Bürgermeister Henryk Pilz ist Vorsitzender der Verbandsversammlung
und zeigte sich schockiert. Der Abwahlantrag sei „eine Kriegserklärung
gegen die Solidargemeinschaft im Verband“, sagte Pilz der taz. Der gesamte
Wasserverband, der für eine zukunftssichere und nachhaltige Versorgung
zuständig sei, sei nun in Gefahr, Bähler habe den WSE „hervorragend“
geführt.
Praktisch alle von der taz Befragten sehen hinter dem Abwahlantrag eine
politische Einflussnahme. „Mit der Abwahl eines Verbandsvorstehers hält man
das Absinken der Grundwasserspiegel nicht auf“, findet auch Michael
Ganschow von der Grünen Liga. Bähler habe immer auf Versorgungsengpässe
hingewiesen und die Interessen der Gemeinden und ihrer Bürger*innen
vertreten.
Für Steffen Schorcht von der Bürgerinitiative in Grünheide ist der Streit
um die Ausbaupläne des Autobauers von grundsätzlicher Natur. Er kann der
Tesla-Ansiedlung weit weniger abgewinnen als Bundeskanzler Scholz, der in
Potsdam bei einem Bürgerdialog vergangenen Montag den Ausbau befürwortete.
„Betrachtet man den Lebenszyklus eines Tesla von der Rohstoffgewinnung bis
zur Entsorgung, ist die Ökobilanz negativ“, bilanziert Schorcht von der BI
Grünheide. „Tesla leistet keine Beitrag zum Umwelt-, Arten- und Klimaschutz
– und ist damit Teil des Problems und nicht der Lösung.“
18 Aug 2023
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
Tesla
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Wasserversorgung
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Schwerpunkt Klimawandel
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Automobilbranche
Wassermangel
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