| # taz.de -- Gefahr rechtsextremer Gewalt: Der deutsche Mob hat Tradition | |
| > Im August 1975 jagte in Erfurt ein Mob tagelang algerische | |
| > Vertragsarbeiter mit Brecheisen. Heute können ähnlich Denkende einfach | |
| > die AfD wählen. | |
| Bild: Ostdeutsche Schuhe von 1975 in schwarz-gold-rot, im Museum für Volkskund… | |
| Es war der [1][erste Pogrom] nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf deutschem | |
| Boden. In Erfurt bewaffneten sich am 10. August 1975 Deutsche mit | |
| Holzlatten und Brecheisen. Der Mob ging in der thüringischen Stadt auf | |
| algerische Vertragsarbeiter los. Algerier*innen wurden zusammen mit | |
| Zehntausenden anderen ausländischen Arbeitskräften in die DDR gerufen, um | |
| die marode Wirtschaft dort zu retten. Getroffen sind sie in Erfurt auf den | |
| [2][deutschen, lebensgefährlichen Rassismus]. | |
| Zuvor waren Falschmeldungen in Umlauf, die sich wie erfundene Schlagzeilen | |
| von heute lesen: Algerische Arbeiter würden Deutschen die Frauen | |
| ausspannen. „Unsere Frauen“ war und ist für das deutsche Patriarchat eine | |
| rote Linie, wird bis heute gerne als Ausrede instrumentalisiert, um | |
| rassistische Gewalt zu legitimieren, um zivilisatorische Spielregeln über | |
| Bord zu werfen, um Pogrome zu veranstalten. | |
| Etwas [3][mehr als drei Tage] dauerten die Erfurter Ausschreitungen 1975. | |
| Sie sollten in die unrühmliche deutsche Geschichte als Hetzjagden eingehen, | |
| bei denen Dutzende Menschen um ihr Leben bangten, sich verängstigt in | |
| Gebäuden in der Innenstadt verschanzen mussten. | |
| Laut Archiveinträgen soll der wütende Mob aus bis zu 300 meist jungen | |
| deutschen Männern „Totschlagen!“ und „Aufhängen!“ [4][skandiert haben… | |
| Dann griffen sie das Wohnheim an. Dutzende Menschen wurden verletzt. Der | |
| Mob meinte es ernst – in guter alter Tradition. | |
| Bald ist dieses nur wenigen bekannte Ereignis ein halbes Jahrhundert her, | |
| und doch klingt es, als könnten entsprechende Meldungen heute genauso über | |
| den Newsticker laufen. Regelmäßig machen Ausschreitungen von rechtsextremen | |
| Vereinigungen [5][und Netzwerken] Schlagzeilen (nicht nur in | |
| Ostdeutschland). | |
| ## Männer skandieren: „Totschlagen!“ und „Aufhängen!“ | |
| Die AfD steht in Umfragen zur anstehenden Landtagswahl in Thüringen stabil | |
| bei über 30 Prozent als potenziell stärkste politische Kraft im Bundesland. | |
| Die anderen Parteien verfallen in Panik, mehrere Strömungen in der CDU | |
| öffnen die rechte Flanke und bieten Rechtsextremisten die Zusammenarbeit | |
| an. In Thüringen kann man beobachten: Je radikaler die AfD auftritt, desto | |
| mehr Menschen geben an, sie unterstützen zu wollen. | |
| Die AfD fungiert wie einer von diesen überflüssigen Start-ups, die | |
| Altbekanntes neu verpacken und den Massen als Verlockung andrehen. So muss | |
| man sich in Erfurt nicht mehr mit Holzlatten und Brecheisen bewaffnen, | |
| „Totschlagen!“ und „Aufhängen!“ bei Hetzjagden skandieren. Es reicht d… | |
| Kreuz auf dem Wahlzettel. | |
| Immer wenn ich über die Gefahr der Rechtsextremen und die Verharmlosung | |
| durch nazipositive Kräfte schreibe, gratulieren sich rechtsradikale Trolle | |
| auf sozialen Medien und in meinen Postfächern gegenseitig. | |
| So nach dem Motto: Je öfter du uns als rechtsradikal bezeichnest, desto | |
| mehr Zulauf bekommen wir. Da haben die Nazis anscheinend und ausnahmsweise | |
| recht. Mit dieser bitteren Erkenntnis endet dieser Text. | |
| 9 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mohamed Amjahid | |
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