| # taz.de -- Grenzübergang nach Syrien offen: Mit Assads Zustimmung | |
| > Der Übergang ins syrische Rebellengebiet, Bab al-Hawa, wird geöffnet. Das | |
| > haben die UN mit dem syrischen Machthaber verhandelt. | |
| Bild: Protest für die Öffnung des Grenzpostens Bab al-Hawa in Nordwestsyrien | |
| Beirut taz | Es ist zunächst eine gute Nachricht: Bab al-Hawa, der | |
| wichtigste Grenzübergang für grenzüberschreitende humanitäre Hilfen nach | |
| Syrien, wird wieder geöffnet. Der Nothilfekoordinator der Vereinten | |
| Nationen, Martin Griffiths, hat sich mit dem syrischen Regime direkt | |
| geeinigt: Der Übergang bleibt für sechs Monate geöffnet, damit Lastwägen | |
| mit Essen, Medizin oder Hygieneartikeln, aber auch Hilfspersonal die | |
| Rebellengebiete erreichen können. | |
| Im von nichtstaatlichen, bewaffneten Milizen kontrollierten Nordwestsyrien | |
| leben mehr als vier Millionen Menschen. Über 60 Prozent davon sind | |
| Binnengeflüchtete, die teilweise in Lagern leben. Viele Dörfer und Städte | |
| in der Region wurden durch das Erdbeben im Februar dieses Jahres stark | |
| zerstört. Der Bedarf an humanitärer Hilfe in Syrien ist deshalb so hoch wie | |
| nie zuvor. | |
| Der schnellste Weg für Hilfsgüter führt von der Türkei aus über den | |
| [1][Grenzposten Bab al-Hawa] direkt nach Idlib. Etwa 70 Prozent der | |
| bedürftigen Menschen in Nordwestsyrien halten sich dort auf. Die | |
| Nothilfeorganisation der Vereinten Nationen (UN), Ocha, bestätigt der taz, | |
| dass die UN im Anschluss an das [2][Erdbeben] bisher 3.816 Lastwagen mit | |
| Hilfsgütern nach Nordwestsyrien geschickt haben, 80 Prozent passierten die | |
| Grenze in Bab al-Hawa. | |
| Doch der Übergang ist seit rund einem Monat geschlossen, weil Russland eine | |
| Resolution zur Verlängerung der Öffnung im UN-Sicherheitsrat blockiert | |
| hatte. Der [3][russische Präsident Wladimir Putin] ist ein Verbündeter des | |
| syrischen Machthabers Baschar al-Assad. | |
| ## Zwei weitere Übergänge wurden ebenfalls geöffnet | |
| Die Resolution konnte nicht wieder aktiviert werden. Stattdessen haben die | |
| UN mit dem Regime von al-Assad direkt verhandelt. Denn die Zustimmung der | |
| Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten – so die Auffassung der UN – wird | |
| benötigt, um in den jeweiligen Ländern [4][humanitäre Hilfe] zu leisten. | |
| Das gilt auch für Hilfslieferungen in Gebiete, in denen die Machthaber | |
| diese zu einem Politikum machen, oder sie aus militärischen Gründen ganz | |
| verweigern. Dass al-Assad damit nun alle Grenzübergänge kontrolliert, ist | |
| die Schattenseite des Deals. | |
| Die [5][Resolution aus dem Jahr 2014], die zuletzt nur noch Bab al-Hawa | |
| umfasste, betraf einmal vier Grenzübergänge. Auf Druck von Russland und | |
| China wurden diese aber im Laufe der Zeit aus der Resolution gestrichen. | |
| Nach dem Beben ließ al-Assad die Übergänge Bab al-Salama, der einmal Teil | |
| der Resolution war, und Al-Ra’i wieder öffnen. Erst am Dienstag wurde | |
| verkündet, dass die beiden Übergänge das für weitere drei Monate, bis zum | |
| 13. November, auch bleiben sollen. | |
| „Die Verlängerung eines Abkommens für zwei zusätzliche Grenzübergänge, d… | |
| ursprünglich zur Unterstützung der Erdbebenhilfe für drei Monate geöffnet | |
| wurden, bietet kaum mehr Sicherheit“, heißt es dazu in einer Presserklärung | |
| der Hilfsorganisation International Rescue Committee. | |
| ## Darf humanitäre Hilfe von den Regierungen abhängig sein? | |
| Die nur temporär gewährten Verlängerungen führen bei den | |
| Hilfsorganisationen zu logistischen Problemen und Unsicherheit. Eine | |
| sechsmonatige Vereinbarung zu Bab al-Hawa „wirft kritische Probleme auf, | |
| wenn es darum geht, Personal einzustellen und zu behalten, Hilfsgüter zu | |
| beschaffen oder Dienstleistungen zu erbringen“. Es brauche am besten eine | |
| zwölfmonatige Verlängerung der Resolution des Sicherheitsrates, so die | |
| Organisation. Wie es ab dem Winter weitergehe, sei sonst unklar. | |
| Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Vorgehen der UN. | |
| „Wenn die humanitäre Hilfe von der Zustimmung der syrischen Regierung | |
| abhängt oder in irgendeiner Weise unter ihrer Kontrolle steht, ist die | |
| Gefahr der Manipulation hoch“, sagt Ola Batta, Projektleiterin für | |
| Nordwestsyrien bei der Welthungerhilfe, der taz. Es bestehe das Risiko, | |
| dass die Zustimmung willkürlich widerrufen wird, wenn die Vereinten | |
| Nationen die Zustimmung Syriens als alleinigen Rechtsrahmen für | |
| grenzüberschreitenden Zugang für Hilfen akzeptierten. | |
| Ob es die Zustimmung des Regimes braucht, ist eine Auslegungsfrage. | |
| Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder das | |
| Internationale Zentrum für humanitäres Recht kommen zu dem Schluss, dass es | |
| mehrere Rechtfertigungen im Völkerrecht dafür gebe, dass | |
| Nichtregierungsorganisationen auch dann Hilfe leisten, sollte der Staat | |
| diese verweigern – „wenn das Überleben der Zivilbevölkerung in den von | |
| nichtstaatlichen, bewaffneten Akteuren kontrollierten Gebiet bedroht ist“. | |
| 9 Aug 2023 | |
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| [3] /Meduza-Auswahl-3-bis-9-August/!5953503 | |
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| [5] https://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6… | |
| ## AUTOREN | |
| Julia Neumann | |
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