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# taz.de -- Hilfe für Menschen in Syrien: Geld wird knapp, Hunger größer
> In Syrien bekommen die Menschen immer weniger Unterstützung. Das
> UN-Welternährungsprogramm fährt seine Hilfe zum neuen Jahr drastisch
> zurück.
Bild: Hilfsorganisationen beklagen eine Unterfinanzierung der Syrien-Hilfe: Kin…
Berlin taz | In Syrien ist Hunger allgegenwärtig. Trotzdem stellt das
Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) sein größtes
Hilfsprogramm für das Land ein. Mit Beginn des Jahres bekommen 3,2
Millionen Menschen keine Essensspenden mehr. Die Kürzung betrifft vor allem
den Nordwesten des Landes, wo das Leiden durch das Erdbeben im Februar
sowie durch Binnenvertreibung und Bombardierung vonseiten der Türkei oder
Russlands gemeinsam mit Machthaber Baschar al-Assad besonders groß ist. In
der Region sind von der Kürzung mehr als drei Viertel der bedürftigen
Bevölkerung betroffen. Durch den Krieg und die Hyperinflation gibt es laut
WFP „fast nichts mehr, was sich ein durchschnittlicher syrischer Haushalt
leisten kann“.
„Angesichts der massiven Finanzierungskrise müssen wir auch in Syrien die
Unterstützung drastisch zurückfahren“, sagte ein WFP-Sprecher der taz.
Gekürzt werde vor allem das Programm zur allgemeinen Ernährungshilfe. WFP
musste diese Hilfen bereits im Juli 2023 von 5,5 Millionen auf 3,2
Millionen Menschen reduzieren. „Unser Ziel war es immer, möglichst viele
Menschen zu erreichen, doch mit dem vorhandenen Geld können Rationen nicht
noch weiter gekürzt werden oder Verteilungen in noch größeren Abständen
erfolgen.“
Erhalten bleiben Ernährungsprogramme für Kleinkinder, Schwangere und
stillende Mütter sowie Schulmahlzeiten und Unterstützung von
Bauernfamilien. Auch sollen lokale Ernährungssysteme wieder in Gang
gebracht, Bewässerungssysteme repariert oder Bäckereien unterstützt werden.
2024 sollen noch 1,6 Millionen Menschen Hilfe bekommen – laut WFP ist dies
„weit unter dem, was nötig wäre“. 12,7 Millionen Syrer*innen litten an
Hunger.
Nach fast 13 Jahren Krieg sind die Geber*innen müde. Auch gibt es
konkurrierende Prioritäten. Die WFP-Kürzung führt auch dazu,dass der Bedarf
bei privaten Hilfsorganisationen steigt. Sie können die Lücke aus eigenen
Mitteln nicht schließen.
Von der Welthungerhilfe heißt es beispielsweise: „In Anbetracht der
Tatsache, dass fast 200.000 Haushalte mit (Geld für) Essen vom WFP
unterstützt wurden, während die Welthungerhilfe derzeit nur 5.000 Haushalte
mit Food-Vouchers unterstützt, ist die Lücke beträchtlich.“ Und selbst die
eigenen Mittel werden knapper: Um auf das Erdbeben zu reagieren, hatte die
Welthungerhilfe 2023 zusätzliche Mittel bekommen, hauptsächlich vom
Auswärtigen Amt sowie vom UN-Nothilfebüro Ocha. Die für 2024 zugesagten
Gelder werden nun von 13 auf 5 Millionen Euro reduziert.
Folgen: Kinderarbeit und Zwangsverheiratungen
Auch bei der Hilfsorganisation Care werden die Mittel für Syrien drastisch
gekürzt – nicht nur für die Ernährungssicherheit, sondern auch für
Unterkünfte oder im Bereich Gesundheit und Wasser. 2023 bekamen 41.980
Haushalte Bargeld oder Lebensmittelgutscheine und 9.000 Haushalte fertige
Mahlzeiten. Dieses Jahr reicht das Bargeld nur noch für 23.700 Haushalte
und Fertiggerichte für 1.500 Haushalte.
Care arbeitet in den gleichen Gebieten in Nordwest-Syrien, in denen zuvor
auch das WFP tätig war. Die für Syrien zuständige Länderdirektorin in der
Türkei, Rishana Haniffa, sagte der taz: „Wir rechnen mit schwerwiegenden
Auswirkungen auf den Lebensmittelkonsum und zunehmender Unterernährung.“
Sie warnt vor Folgen wie Kinderarbeit, früher Zwangsverheiratung und Kauf
von Nahrungsmitteln durch Verschuldung oder Verkauf von Vermögenswerten.
„Darüber hinaus werden Barmittel für Unterkünfte und Überwinterungshilfen
möglicherweise eher für Lebensmittel ausgegeben.“
Um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, brauche es vor allem
Unterstützung von Landwirt*innen und des Lebensunterhalts von Menschen,
sagt Haniffa. Dann wären auch weniger Lieferungen von Hilfsgütern
notwendig. Derzeit fehlt eine UN-Resolution, die garantiert, dass
Hilfslieferungen über die Grenze auch direkt in jene syrischen Gebiete im
Nordwesten gelangen, die von oppositionellen Kräften kontrolliert werden.
Russland und China, Verbündete des syrischen Regimes, haben mehrmals
Resolutionen zur Öffnung von Grenzübergängen blockiert. [1][Zurzeit
gestattet jedoch noch das syrische Regime der UNO, die Übergänge zu
nutzen.]
Bargeld statt Hilfsgüter
Die meisten Hilfen, die nach Syrien kommen, werden von der UNO gestellt.
[2][Die UNO verfügt über die beste Logistik], kann umfangreiche Operationen
leiten und die Hilfe vor bewaffneten Gruppen schützen. Zudem spielt die UNO
eine zentrale Rolle in Verhandlungen mit der türkischen Regierung über den
Zugang zu Nordwest-Syrien. Viele Organisationen sind daher auf
UNO-Strukturen angewiesen.
Falls die UNO ihre Strukturen für die Lieferung von Nahrungsmittelhilfe
nicht mehr bereitstellen sollte, könnte das Management der Hilfslieferungen
auf NGOs verlagert werden, heißt es bei der Welthungerhilfe. Die meisten
NGOs hätten deshalb bereits auf Bargeldhilfen umgestellt – mit Ausnahme von
Partnerorganisationen, die für die UNO Sachleistungen verteilen.
Die Welthungerhilfe arbeitet mit Bargeld und Gutscheinen. „Das einzige
Produkt, das wir nach Syrien importieren, ist Mehl, für das wir den
[3][Grenzübergang Bab al-Hawa] nutzen (zwischen der Türkei und
Nordwest-Syrien, Anm. d. Red.). Für diese Transporte sind wir jedoch weder
von der UN-Resolution noch von der Zustimmung der syrischen Regierung
abhängig, da sie unter der Schirmherrschaft des Türkischen Roten Halbmonds
durchgeführt werden.“
2 Jan 2024
## LINKS
[1] /Humanitaere-Hilfe-fuer-Syrien/!5951899
[2] /UN-Hilfskoordinator-ueber-Idlib-Einsatz/!5784426
[3] /Syrien-Expertin-ueber-UN-Strukturmaengel/!5944829
## AUTOREN
Julia Neumann
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