# taz.de -- Syrische Kurdengebiete: Erdoğan droht, Truppen zu schicken | |
> Seit Wochen bombardiert die türkische Luftwaffe kurdische Stellungen in | |
> Irak und Syrien. Nun erwägt Ankara, erneut in Nordsyrien | |
> einzumarschieren. | |
Bild: Die Türkei greift wieder Ziele in Irak und Syrien an, hier eine Archivau… | |
ISTANBUL taz | Der türkische Präsident droht mit einem neuerlichen | |
Einmarsch in Nordsyrien. Im Anschluss an eine Kabinettssitzung, auf der | |
Konsequenzen aus Angriffen der kurdischen Arbeiterpartei PKK auf türkische | |
Stellungen im Nordirak diskutiert wurden, sagte Recep Tayyip Erdoğan, die | |
Türkei werde ihre Einsätze gegen die PKK im Nordirak und Nordsyrien | |
ausweiten. Er beklagte, dass sowohl Russland als auch die USA ihr | |
Versprechen nicht eingehalten hätten, die syrische Kurdenmiliz YPG 30 | |
Kilometer weit von der türkischen Grenze entfernt zu halten. | |
Aus türkischer Sicht ist die YPG Teil der PKK. Deshalb will Erdoğan schon | |
länger eine Pufferzone entlang der Grenze auf syrischem Staatsgebiet | |
östlich des Euphrats errichten, in der die YPG nicht präsent ist. Solange | |
die Welt mit dem [1][Gazakrieg und seiner Ausweitung] beschäftigt ist, | |
scheint Erdoğan und der türkischen Militärführung offenbar der Zeitpunkt | |
günstig, ihren Plan umzusetzen. | |
„Wenn Russland und die USA ihre Versprechen nicht einhalten, müssen wir uns | |
selbst darum kümmern“, sagte Erdoğan. Im türkischen Parlament unterstützt | |
auch die Opposition – mit Ausnahme der kurdischen DEM (der früheren HDP) – | |
eine Ausweitung des Kampfes gegen die PKK. In der ersten Sitzung nach dem | |
Jahreswechsel wurde eine Resolution verabschiedet, die die PKK-Angriffe auf | |
türkische Soldaten verurteilt und Gegenmaßnahmen fordert. | |
Anlass der Debatte sind zwei Angriffe auf Stellungen der türkischen Armee | |
im Nordirak innerhalb von drei Wochen, bei denen zunächst zwölf und am | |
vergangenen Wochenende neun weitere Soldaten getötet wurden. Um die PKK | |
zurückzudrängen und Anschläge in der Türkei zu verhindern, hat die Armee | |
auf der irakischen Seite mittlerweile rund 100 größere und kleinere | |
Stellungen eingerichtet, von denen aus sie die PKK nun angreift. Von | |
ehemaligen Militärs in der Türkei wird die Dauerpräsenz der Armee jenseits | |
der Grenze kritisiert. Der pensionierte General Osman Pamukoğlu sagte, | |
stationäre Posten auf irakischer Seite bedeuteten, „du wirst beobachtet und | |
in schwachen Momenten überfallen“. | |
## Dörfer in Syrien ohne Strom | |
Die PKK verfügt angeblich über US-Waffen, die ursprünglich an die YPG | |
geliefert, von dieser dann aber an die PKK im Nordirak weitergeben wurden. | |
Das ist einer der Gründe, warum die Türkei nicht nur vermeintliche oder | |
tatsächliche PKK-Stellungen im Nordirak angegriffen hat, sondern auch die | |
kurdischen Gebiete in Syrien bombardiert. | |
Vertreter der kurdischen Selbstverwaltung, die den Nordwesten Syriens | |
kontrolliert, haben beklagt, dass dadurch [2][wichtige Teile der | |
Elektrizitätsinfrastruktur zerstört] worden seien, weshalb in weiten Teilen | |
des Landes der Strom ausgefallen sei. Weil die Wasserpumpen nicht mehr | |
betrieben werden könnten, reiche das Trinkwasser nicht aus. Laut | |
Selbstverwaltung sind seit Samstag 60 Standorte in Nordsyrien angegriffen | |
worden, angeblich hauptsächlich Elektrizitätswerke und Weizenspeicher. Mehr | |
als tausend Orte hätten keinen Strom mehr. | |
Sollte die Türkei nach mehreren Militärinterventionen seit 2016 erneut in | |
Nordsyrien einmarschieren, dürfte das für die Zivilbevölkerung katastrophal | |
werden. Die Frage ist nun, wie die USA sich positionieren. [3][Die YPG ist | |
mit den US-Truppen in Syrien verbündet, seit sie gemeinsam den „Islamischen | |
Staat“ (IS) bekämpft haben]. Im Moment sind noch rund 900 US-Soldaten in | |
Syrien stationiert. Die USA haben deshalb ein Interesse daran, dass der | |
Konflikt zwischen der Türkei und der YPG nicht eskaliert. | |
18 Jan 2024 | |
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[1] /Ausweitung-des-Gazakriegs/!5983002 | |
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## AUTOREN | |
Wolf Wittenfeld | |
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