# taz.de -- 60s-Grafikdesign im Hamburger Umland: Es gibt nur ein Schaf auf Haw… | |
> Die Babyboomer werden alt, ihre kulturellen Errungenschaften stehen | |
> zunehmend im Museum. Aber hippes Londoner Grafikdesign im Hamburger | |
> Speckgürtel? | |
Bild: Bekannter als die Musik darauf: Cover des Pink-Floyd-Albums „Dark Side … | |
Es muss hier viele alte Menschen geben. Wer vom S-Bahnhof kommend das | |
Ahrensburger Schloss und seinen Marstall sucht, dem müssen sie auffallen: | |
Apotheken, Optikerläden, Sanitätshäuser, Cafés. „Es scheint, als würde | |
Schleswig-Holstein das Florida Deutschlands sein“, hat die langjährige | |
Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) [1][mal gesagt]; ja, die kürzlich | |
von uns gegangene. An Florida erinnert allerdings nur wenig, hier im | |
Hamburger Speckgürtel. | |
Verlockend, einen Zusammenhang herzustellen zwischen der | |
Geronto-Infrastruktur und dem Grund meines Besuchs: Ein rundes Jubiläum | |
wird in der örtlichen [2][„Galerie im Marstall“] gefeiert, genauer gesagt, | |
sind es sogar zwei. Anfang März 1973, also vor etwas über 50 Jahren, | |
veröffentlichte die britische Kunststudenten-Rockband Pink Floyd ihr Album | |
[3][„Dark Side of The Moon“]. Vielleicht noch bekannter als die Musik | |
dürfte das Albumcover sein: ein Lichtstrahl, den ein Prisma in seine | |
Regenbogen-Bestandteile bricht. Ob als zweckentfremdete Plattenhülle oder | |
gerahmte Reproduktion in limitierter Auflage, dürfte es bis heute an vielen | |
Wänden hängen. | |
Ganz besonders groß – anderthalb mal anderthalb Meter – hängt es nun auch | |
da im Marstall, dazu 39 weitere Arbeiten des einst wohl enorm | |
einflussreichen Londoner Grafikbüros Hipgnosis: Viel Pink Floyd ist da zu | |
sehen, aber auch Cover und -studien für andere Rockbands, vor allem aus den | |
1970er-Jahren: Led Zeppelin, Genesis, 10cc, auch AC/DC; Zeugnisse einer | |
Zeit, in der die Hülle als wichtiger Teil des Albums betrachtet wurde – und | |
dieses gerne als Gesamtkunstwerk. | |
Daneben zu sehen sind einige Fotos von damals beteiligten Musikern, Syd | |
Barrett beim (LSD-induzierte Psychosen lindernden) Yoga, zum Beispiel; der | |
erste Pink-Floyd-Gitarrist soll den Grafikern auch den Namen „Hipognosis“ | |
eingeflüstert haben. Dass sich die ausgestellten Motive – und etliche mehr | |
aus dem Hipgnosis-Katalog – auch kaufen und mit nach Hause nehmen lassen: | |
so richtig überraschend ist es nicht. Knapp 18.000 Euro kostet die | |
Riesenversion des Pink-Floyd-Prismas, rahmen lassen muss man die einstige | |
Gegenkultur bei Bedarf aber selbst. | |
Verlockend auch, sich eine schillernde Hintergrundgeschichte auszumalen zum | |
Zustandekommen dieser Ausstellung in einer ehemaligen fürstlichen | |
Reithalle. Aber nein, es gibt da keinen beinharten Pink-Floyd-Fan, der es | |
in einflussreiche Ränge bei der Sparkasse Holstein gebracht hat – die | |
nämlich betreibt die Galerie im Marstall, genauer eine ihrer Stiftungen. Es | |
ist alles viel profaner: Die bis in den späten September gezeigte | |
Ausstellung ist gewissermaßen ein Ableger der Hipgnosis-Schau, [4][die 2018 | |
in der Berliner Browse Gallery zu sehen war]. | |
Das ist das andere den Anlass stiftende Jubiläum: 1968 hatte sich die | |
Grafikschmiede gegründet; pleite war sie 1985, in der Ära des Musikvideos. | |
Da hatten sich die Gründer Storm Thorgerson und Aubrey Powell einen | |
Dritten an Bord geholt, Peter Christopherson, und überhaupt eine ganze | |
Entourage zugelegt – seit 1983 schon machte Thorgerson aber alleine sein | |
Ding; Trennungsdrama, ein wenig wie bei manchen Bands damals. | |
Als nicht auf norddeutsche Gegenwartskunst beschränkte Sommerbespielung | |
also holte die Galerie eine reduzierte Auswahl von Hipgnosis-Arbeiten nach | |
Ahrensburg. Und wie damals in Berlin reiste der verbliebene Hipgnostiker, | |
der überraschend agile Powell, Anfang Juli zur Eröffnung an und erzählte | |
Döntjes, Anekdötchen von der Art, wie sie auch neben etlichen der Bilder zu | |
lesen sind. Hätten Sie gewusst, dass es nicht leicht war, beim Shooting auf | |
Hawaii ein Schaf aufzutreiben (und eine Chaiselongue)? | |
Ob die Sache aufgeht, ob also ein doch recht spezifischer Blick auf | |
Jahrzehnte zurückliegende Popkultur vom Marstall-Publikum angenommen wird? | |
Das zu beurteilen, dafür ist es noch etwas zu früh. Eine völlig | |
unsystematische Stichprobe ergab überraschend junge Besucher:innen; kauften | |
nicht gleich einen Fine Art Print für ein paar tausend Euro, aber – | |
T-Shirts. | |
Änderungshinweis: In einer früheren Version des Texts stand, dass die | |
Sparkasse Südholstein die Ahrensburger Galerie trage – richtig ist: Es ist | |
die Sparkasse Holstein. | |
28 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.abendblatt.de/region/norddeutschland/article106719026/Seniorenp… | |
[2] https://www.galerie-im-marstall.de/ | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/The_Dark_Side_of_the_Moon | |
[4] /Ausstellung-zu-Plattencover-in-Berlin/!5537939 | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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