# taz.de -- Verteilungskämpfe in der Verkehrspolitik: Wohin geht das Geld? | |
> Wer auf dem Rad unterwegs ist, merkt, dass Platz und Ressourcen endlich | |
> sind. Diese Erkenntnis sollten wir auch auf andere Bereiche übertragen. | |
Bild: Grüner Radweg in Berlin | |
Mein Fehler war eindeutig: Ich war mit dem Fahrrad auf dem Radweg | |
unterwegs. In Berlin-Steglitz, auf einer dieser grün gemalten Routen, die | |
den Autos eine von zwei Fahrspuren wegnehmen. Der SUV drängelte sich links | |
so dicht an mir vorbei, dass er fast meinen Ellenbogen touchierte. Als ich | |
ihm an der nächsten Ampel sagte: „Das war aber knapp. Sie wissen schon, | |
dass Sie 1,50 Meter Abstand halten müssen?“, sagte der Mann – Typ ruhiger | |
Familienvater in den 60ern, mit Wohlstandsbauch und Mutti neben sich: „Mir | |
egal. Aber ich kann dir auch eine reinhauen.“ | |
Aber damit ist es bald vorbei. Dank der neuen Berliner Verkehrssenatorin | |
Manja Schreiner von der CDU. Sie hatte eine Idee: [1][Wenn die | |
RadfahrerInnen die AutofahrerInnen stören, nehmen wir ersteren eben den | |
Platz weg]: Radwege, die Lieferverkehr behindern, die Fahrspuren belegen | |
oder Parkplätze vernichten, sollen nicht mehr gebaut werden. | |
Ich finde das gut. Natürlich nicht diesen dummen Angriff auf das einzige | |
ökologische und vernünftige Fortbewegungsmittel in einer modernen | |
Großstadt. Sondern die klare Ansage von Schreiner: Wenn es hart auf hart | |
kommt, haben die Autos Vorrang. In einer Stadt wie Berlin ist öffentlicher | |
Raum ein knappes Gut. Über seine Verteilung entscheiden die | |
Machtverhältnisse: Die Minderheit der AutobesitzerInnen (nur jedeR Dritte | |
in der Berliner City hat ein Auto) bekommt den Vorzug vor der Mehrheit an | |
FußläuferInnen, ÖPNV-NutzerInnen oder RadfahrerInnen. Für und mit dem Auto | |
ist hier seit so vielen Jahrzehnten geplant worden, dass das eine Drittel | |
automatisch denkt, die Straße gehöre ihm. | |
So brutal ehrlich wie in Schreiners klarer Ansage sollten wir auch auf | |
anderen Feldern sein. Auch wenn man für Veränderung immer eine Mehrheit | |
braucht, man braucht keine Einstimmigkeit. Die Verteilungskämpfe haben | |
begonnen: Gehen die begrenzten Steuergelder in die Schiene oder die Straße? | |
Fließen Forschungsmilliarden für [2][Wasserstoff] oder | |
[3][Fusionsreaktoren]? Subventionieren wir Quäl-Haltung von Schweinen oder | |
schonende Landwirtschaft? Werfen wir weiter fossilen Klimakillern unser | |
Geld in den Rachen oder fordern wir von ihnen eine Entschädigung für ihr | |
Zerstörungswerk? | |
Bisher wurden Konflikte mit Geld zugekleistert – weil Wachstum war und die | |
Natur den Kürzeren zog: Straßen wurden breiter, für Gewerbe asphaltierten | |
wir immer neue Naturflächen. Wir subventionierten Billigfleisch und | |
Öko-Haltung und förderten Erneuerbare und Verbrennbare gleichzeitig. | |
Die Grenzen dieses Wachstums sind erreicht. Der Kuchen, den wir verteilen | |
wollen, wird nicht mehr größer, wir müssen ihn neu aufteilen. Das wird | |
krachen. Aber wenn wir diesen Verteilungskampf nicht politisch lösen, wird | |
er weiter da Opfer fordern, wo die Schwächsten unterliegen, weil sie beim | |
Crash meist unten liegen: auf dem abgeschafften Fahrradstreifen. | |
14 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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