Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vorbereitung der Klimakonferenz in Dubai: Klimapolitischer Kassenst…
> In Bonn wird der umstrittenste Baustein der nächsten UN-Klimakonferenz
> vorbereitet: eine Bilanz der globalen Politik gegen die Erderwärmung.
Bild: Sultan al-Jaber, der Präsident der nächsten UN-Klimakonferenz in Dubai,…
Bonn taz | In dem bunt gestrichenen Raum mit der niedrigen Decke steht die
Luft stickig und schwül. An etwa 15 großen runden Tischen drängen sich die
Menschen. Sie sitzen, stehen, lehnen, diskutieren und gestikulieren über
die weiße Tischplatte hinweg. In der CO2-geschwängerten Luft herrscht ein
Lärmpegel wie auf einem Schulhof. Die Menschen, darunter viele junge,
erklären, zweifeln, fragen, lachen. Die Atmosphäre ist freundlich und
aufmerksam. Und trotzdem sind das hier nicht Debatten auf einem Kirchentag.
Sondern auf einer UN-Klimakonferenz.
Beim halbjährlichen Treffen der Klimadiplomatie in Bonn ist
„Welt-Café“-Zeit. In der ehemaligen Cafeteria des Bundestags, mit Blick auf
Rasen und Rhein, treffen sich ExpertInnen, Delegierte, LobbyistInnen und
WissenschaftlerInnen zum freien Austausch. In mehr als einem Dutzend
Gruppen geht es um zentrale Fragen: Wie kommen mehr Erneuerbare ins
Energiesystem? Wie soll ein weltweites Ziel für eine Anpassung aussehen?
Wie kann indigenes Wissen genutzt werden? Welche Rolle können Unternehmen
spielen?
„Ich bin jetzt mal Präsidentin einer Entwicklungsbank“, sagt Preety
Bandhari, Finanzexpertin des Thinktanks WIR, an einem der Tische. „Wie soll
ich mit den Ländern umgehen, die Geld von mir wollen?“ Auf Augenhöhe, sagen
die Teilnehmer. Mehr Zuschüsse als Kredite geben, sagen andere. Aber wie
finanziert die Bank das?, fragt jemand. Dem Bankvorstand die Angst nehmen,
dass Investitionen in arme Länder gefährlich sind, meint eine Expertin.
Es sind lebhafte Diskussionen, respektvoll, zielorientiert, engagiert. So
ganz anders als das, was wie üblich nebenan in den Vor- und Hinterzimmern
des Bonner Kongresszentrums bei den technischen Diskussionen und
Vorbereitungen auf die nächste Klimakonferenz abläuft. Dort können sich die
VertreterInnen der Länder aus taktischen Gründen in der ersten Woche nicht
mal auf eine Tagesordnung einigen.
Hier ist das nicht so. „Das ist eine schöne Diskussion“, sagt Hans-Otto
Pörtner, Klimaforscher am Alfred-Wegner-Institut und einer der Vorsitzenden
des letzten IPCC-Berichts, der sich als Beobachter durch die Menschenmenge
schlängelt. „Aber welche Auswirkung wird das hier auf die Verhandlungen
haben?“
## Bilanz der bisherigen Klimapolitik
Das ist die zentrale Frage vor der nächsten UN-Klimakonferenz COP28, die im
Dezember in Dubai stattfindet. Das „Welt-Café“ ist nicht nur eine
Wohlfühlveranstaltung, auf der sich zeigt, wie Klimagespräche im besten
Fall ablaufen könnten. Es ist Teil des „Global Stocktake“ (GST).
Das ist eine Bilanz der internationalen Klimapolitik, die dem [1][Pariser
Abkommen] zufolge alle fünf Jahre aufgestellt werden soll – damit sich dann
jeweils zwei Jahre später die erneuerten nationalen Klimaziele (NDCs) daran
orientieren. Dieser Kassensturz wird das wichtigste und umstrittenste
Element der COP28. Denn es soll die drängenden Fragen beantworten: Wo
stehen wir? Und wie setzen wir die Ziele um?
Sultan Al Jaber hat darauf seine Antworten: [2][Der umstrittene Präsident
der COP28], im Nebenjob noch Industrieminister des Gastgeberlandes
Vereinigte Arabische Emirate und Chef des nationalen Öl- und Gaskonzerns
ADNOC, sagte bei einem Empfang auf der Konferenz zur Frage, wo wir stehen:
„Weit weg vom richtigen Weg. Wir haben nur sieben Jahre, um die Emissionen
weltweit um 43 Prozent zu senken, um das 1,5- Grad-Ziel in Reichweite zu
halten.“ Da widerspricht niemand.
## Woher kommt dafür das Geld?
Ganz anders sieht es bei der zweiten Frage aus: Wie weiter? Da gehen die
Meinungen weit auseinander. Über die vergangenen Jahre haben sich
ExpertInnen in „technischen Dialogen“ und langen Stunden diesen Fragen
gewidmet: Wie bekommen wir die Emissionen runter? Wie passen wir uns am
besten an den Klimawandel an? Woher kommt dafür das Geld?
170.000 Seiten an Vorschlägen und Ideen seien dafür eingegangen und die
Auswertung soll künstliche Intelligenz übernehmen, heißt es. Dann wird die
natürliche Intelligenz der zwei Vorsitzenden des Global Stocktake aus den
USA und Südafrika benötigt, um all das ausgewogen in einem Papier
zusammenzufassen, dem auf der COP28 alle zustimmen. Wenn das gutgeht,
bringt Dubai einen Fahrplan, wie die Welt ihre Klimaziele erreichen kann,
auf den Weg. Wenn es schiefgeht, rückt „Paris“ in weite Ferne.
## Kompromisse in Sicht
Aber in Bonn sieht es gar nicht so schlecht aus. „Die Stimmung ist
allgemein konstruktiv und gut“, sagt David Ryfisch von der
Entwicklungsorganisation Germanwatch, der die Gespräche eng begleitet. Es
könne gut sein, dass das Global Stocktake in Dubai einen guten Weg weise.
„Aber sicher ist nichts.“
Immerhin zeichnen sich in Bonn für Dubai Kompromisse ab, die mal mehr oder
weniger faul sein könnten: Es könnte ein globales Ziel für erneuerbare
Energien geben, das deren jetzigen Zubau verdreifacht und mehr in Effizienz
und den Ausbau des grünen Wasserstoffs steckt. Es könnte einen Beschluss
zum Ausstieg aus den Fossilen geben – mit dem Zugeständnis, dass das
umstrittene Abscheiden von CO2 (CCUS) eine Rolle spielt.
Der Streit um die Finanzen könnte leicht entschärft werden, wenn sich im
Herbst bewahrheitet, [3][dass die Industrieländer] 2022 endlich die
versprochenen 100 Milliarden Dollar gezahlt haben. Und eine Einigung über
neues Geld und über die Struktur des „Loss and Damage“-Fonds, die bis Dubai
kommen soll, könnte die Stimmung weiter verbessern.
Für COP28-Chef Sultan Al Jaber jedenfalls soll die Konferenz ein
„Meilenstein“ werden, wo „die Welt zusammenkommt, den Kurs korrigiert und
Fortschritt vorantreibt“. Das Global Stocktake wäre dann eine Messlatte, um
diesen Fortschritt zu beurteilen und mehr Ehrgeiz in die nationalen
Klimaziele zu bringen. Wie dringend schnelle Erfolge sind, zeigen die
aktuellen Nachrichten aus der Welt jenseits des gut klimatisierten Bonner
Kongresszentrums: CO2-Werte in der Atmosphäre auf Rekordhöhe, eisfreier
Nordpol schon in den 2030ern und bislang unbekannte großflächige Waldbrände
in Kanada und Jüterbog.
12 Jun 2023
## LINKS
[1] /Pariser-Abkommen/!t5301048
[2] /Oelkonzern-Chef-soll-Klimagipfel-leiten/!5930157
[3] /Petersberger-Klimadialog-geht-zu-Ende/!5928720
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Klima
Schwerpunkt Klimawandel
Klimakonferenz in Dubai
UN-Klimakonferenz
Dubai
Pariser Abkommen
Schwerpunkt Klimawandel
Klimakonferenz in Dubai
Wir retten die Welt
Wassermangel
Wir retten die Welt
Hitzewelle
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
UNO berechnet Klimaschutz-Lücke: Abkehr von fossilen Energien nötig
Das Klimasekretariat der Vereinten Nationen hat eine Bestandsaufnahme zum
globalen Klimaschutz vorgelegt. Bisher reicht es hinten und vorne nicht.
Klimagipfel in Afrika: Supermacht im Klimaschutz
Afrikas Staaten beanspruchen mit ihrem Klimagipfel eine Führungsrolle in
der Energiewende – und machen ein schwieriges Angebot.
Verteilungskämpfe in der Verkehrspolitik: Wohin geht das Geld?
Wer auf dem Rad unterwegs ist, merkt, dass Platz und Ressourcen endlich
sind. Diese Erkenntnis sollten wir auch auf andere Bereiche übertragen.
Die Folgen des Wassermangels: Klimakrise vor der Haustür
Das Auto klebt und in der Waschstraße ist das Wasser aus – manchmal kommen
die Folgen des Klimawandels auf unerwartete Weise zu einem.
Vorbereitungen zur Klimakonferenz: Wir haben noch nicht verloren
Die Fakten sehen schlecht aus. Aber im Kampf für eine bessere Klimapolitik
brauchen wir neben Wut auch Zuversicht, findet unser Autor.
Klimakonferenz in Bonn: Die Hütte brennt
Bei der Klimakonferenz geht es vor allem um technische Details in Sachen
Klimapolitik. Die Waldbrände in Kanada sind nur am Rande Thema.
Kleine Klimakonferenz COP in Bonn: Schlafwandeln Richtung Abgrund
Die UN-Zwischenkonferenz in Bonn startet mit Skepsis. ExpertInnen erwarten
wenig Gutes für die Klimakonferenz Ende des Jahres in Dubai.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.