# taz.de -- Ölkonzern-Chef soll Klimagipfel leiten: Klimaschützer oder Öl-Lo… | |
> Die nächste Weltklimakonferenz wird in Dubai stattfinden. Leiten soll sie | |
> ausgerechnet Sultan Ahmed al-Jaber, Chef des staatlichen Ölkonzerns. | |
Bild: Umstrittener designierter Klimagipfel-Leiter in Dubai: Sultan Ahmed al-Ds… | |
Berlin taz | Das kann man sich nicht ausdenken: Präsident der [1][nächsten | |
Weltklimakonferenz (COP28)] wird der CEO eines Ölkonzerns. Der Posten wird | |
regulär vom Gastgeberland ernannt, in diesem Fall sind das die Vereinigten | |
Arabischen Emirate, die nach Dubai einladen. Als die Entscheidung für | |
Sultan Ahmed al-Jaber im Januar bekannt wurde, gab es sofort Kritik. Seit | |
2016 leitet al-Jaber die staatseigene Abu Dhabi National Oil Company | |
(ADNOC), weltweit der zwölftgrößte Erdölproduzent. In der Rolle als CEO | |
beaufsichtigt al-Jaber eine massive Ausweitung der Öl- und Gasproduktion in | |
einem Ausmaß, das nicht mit dem eigenen Net-Zero-Szenario vereinbar ist, | |
geschweige denn mit der 1,5-Grad-Grenze. | |
Doch um die Einhaltung genau dieser Grenze soll es bei den | |
[2][Verhandlungen der COP] eigentlich gehen. Die Doppelrolle veranlasste | |
diverse Akteure zu der Aussage, al-Jaber sei eine Fehlbesetzung für die | |
Präsidentschaft. Al-Jaber reagiert gelassen: „Ich weiß diese Skepsis zu | |
schätzen, doch ich lade Sie ein, sich meine Laufbahn anzuschauen“, sagte er | |
in einem Video-Interview im März. | |
Tatsächlich hat al-Jaber noch weitere Rollen inne. So ist der Sultan seit | |
2020 Minister für Industrie und Fortschrittstechnologie sowie | |
Sondergesandter für den Klimawandel, was ihn zu einem naheliegenden | |
Kandidaten macht, waren doch die vergangenen COP-Präsidenten oft Minister | |
oder Staatssekretäre. Zwischen 2013 und 2020 hat al-Jaber außerdem als | |
Staatsminister bereits an Klimaverhandlungen teilgenommen. Zusätzlich ist | |
er Vorsitzender des staatseigenen Unternehmens für erneuerbare Energien, | |
Masdar, das unter anderem einen der größten Offshore-Windparks vor England | |
entwickelt hat. Al-Jaber hat diese Firma 2006 mitgegründet und soll dafür | |
gesorgt haben, dass der staatliche Ölkonzern der Vereinigten Arabischen | |
Emirate 2022 ein Viertel der Masdar-Anteile gekauft hat. Mit Masdar möchte | |
al-Jaber bis 2030 erneuerbare Energien um 100 Gigawatt ausbauen. Ein | |
ambitioniertes Ziel, das er auch beim Petersberger Dialog letzte Woche in | |
Berlin manifestiert hat. | |
Als designierter Präsident der COP möchte al-Jaber Verhandlungen führen, | |
die „allen Parteien Raum geben, alle Energiequellen zu diskutieren“. In | |
einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesaußenministerin Annalena | |
Baerbock (Grüne) erklärte er am Mittwoch: „Aufseiten der Emissionsminderung | |
müssen wir die Erneuerbaren verdreifachen, die Wasserstoffproduktion | |
verdoppeln, nukleare Energie expandieren, Batteriespeicher verbessern und | |
Carbon-Capture-Technologien vergrößern.“ All das müsse gleichzeitig | |
passieren. | |
## Kein Ende von Öl und Kohle | |
Da hört man den Ölkonzernchef heraus: Fossile Energiequellen hält al-Jaber | |
für unverzichtbar. Statt über ein Ende für Öl, Kohle und Gas sprach er von | |
„Dekarbonisierung“ und einem „Ausstieg aus den Emissionen“. Mit der | |
ADNOC-Gruppe möchte al-Jaber bis spätestens 2050 unterm Strich klimaneutral | |
sein – wie die Vereinigten Arabischen Emirate als Ganzes. Dafür investiert | |
ADNOC viel Geld in die Entwicklung von Carbon-Capture-Technologien, mit | |
denen man CO2 abscheidet und unterirdisch speichert. Wie viele fossile | |
Konzerne berücksichtigt die Ölfirma in ihrer CO2-Bilanz ohnehin nicht die | |
Emissionen, die später bei der Verbrennung des Kraftstoffs entstehen. | |
Die Präsidentschaft wird al-Jaber nicht allein innehaben, sondern gemeinsam | |
mit Abu Dhabis Umweltbehördenchefin Razan Al Mubarak, Klima- und | |
Umweltministerin Mariamm Al Mheiri und Entwicklungsministerin Shamma Al | |
Mazrui. Das Team steckt schon in den Vorbereitungen für die COP28 im | |
Winter: In den letzten Monaten hat es nach eigenen Angaben eine „aktive | |
Zuhör-Tour“ gemacht und „Stimmen aus dem Globalen Süden, aus großen | |
Wirtschaftsnationen, aus Indigenen Communities, NGOs, der | |
Zivilgesellschaft, der Jugend und der Wirtschafts-Community gehört“. | |
## Gesundheitsaspekte der Klimakrise im Vordergrund | |
Insgesamt arbeiten etwa 70 Menschen im Präsidentschaftsteam. Davon seien 60 | |
Prozent Frauen und 60 Prozent aus Ländern des Globalen Südens, betonte | |
al-Jaber in Berlin. Das Durchschnittsalter liege bei 34 Jahren. Eines | |
erwähnte er allerdings nicht: Nach Recherchen des Centre for Climate | |
Reporting sind darunter auch ein Dutzend ehemalige Mitarbeiter von ADNOC. | |
Die 28. UN-Klimakonferenz findet vom 30. November bis 12. Dezember in Dubai | |
statt. Zum ersten Mal soll es dabei einen ganzen Tag lang um die | |
Gesundheitsaspekte der Klimakrise gehen, ein persönliches Anliegen von | |
al-Jaber. Es wird auch der erste Gipfel sein, bei dem in einer globalen | |
Bestandsaufnahme überprüft wird, wie es um die Einhaltung der globalen | |
Klimaschutzziele steht. Dieser sogenannte Stocktake ist ein elementarer | |
Bestandteil des Pariser Abkommens und soll alle fünf Jahre erfolgen. „Wir | |
müssen nicht auf das Stocktake warten, um zu wissen, wo wir stehen“, sagte | |
al-Jaber im Januar bei einer Rede: „Wir befinden uns weit abseits der Bahn, | |
weit abseits.“ | |
Derweil gibt es von Menschenrechtsorganisationen ernsthafte Bedenken, was | |
das Gastgeberland des Klimagipfels betrifft: „Die starken Einschränkungen | |
der Meinungs- und Versammlungsfreiheit untergraben die Arbeit der | |
Zivilgesellschaft und den Raum für politischen Widerspruch im Land“, | |
schrieben Human Rights Watch, Amnesty International und zahlreiche | |
Organisationen in einem gemeinsamen Statement letzte Woche. | |
7 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Leonie Sontheimer | |
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