# taz.de -- Vorbereitungen zur Klimakonferenz: Wir haben noch nicht verloren | |
> Die Fakten sehen schlecht aus. Aber im Kampf für eine bessere | |
> Klimapolitik brauchen wir neben Wut auch Zuversicht, findet unser Autor. | |
Bild: Sommerhimmel | |
Bonn taz | Der junge Mann sitzt gleich hinter dem Eingang des | |
Kongresszentrums in Bonn in einem Sessel. Er blickt auf sein Smartphone, | |
aber die wirkliche Nachricht steht auf seiner Brust: „We have not yet been | |
defeated“ – „Wir haben noch nicht verloren!“ | |
Das ist ja mal die richtige Einstellung für eine Klimakonferenz, sage ich | |
zu ihm. „Ja“, meint er und lacht. „Aber eigentlich ist das der Titel eines | |
Buchs von [1][Alla Abd El-Fattah]. Der sitzt immer noch im Gefängnis.“ | |
Noch ein Grund mehr, das T-Shirt hier in Bonn zu tragen. El-Fattah ist | |
vielleicht der bekannteste politische Gefangene in Ägypten. Seit sieben | |
Jahren sitzt der Blogger immer wieder in Haft, weil er sich im autoritär | |
regierten Pyramidenstaat nicht unterkriegen lässt. | |
Bei der [2][COP27 in Scharm al-Scheich] war er in einen Hungerstreik | |
getreten, die deutsche und die EU-Delegation hatten sich um den Fall | |
prominent gekümmert. | |
## 1,5 Grad nicht höflich zu stoppen | |
Seine Schwester wurde von den Deutschen eingeladen und auf einem Podium von | |
ägyptischen „Sicherheitsleuten“ bedrängt, die Ägypter waren sauer, dass … | |
Deutschen sich in ihre „inneren Angelegenheiten“ einmischten. Alle hatten | |
Angst, dass El-Fattah sterben würde, aber er beendete den Hungerstreik. | |
Und dann zog die Klimakarawane weiter und vergaß El-Fattah. Ich auch. Aber | |
seinen Slogan sollte man in Marmor meißeln und als offizielles Motto der | |
Klimakonferenzen auf Kaffeebecher drucken: Ein trotziges und rotziges „Wir | |
haben noch nicht verloren!“ – auch wenn die Realität ganz anders aussieht. | |
Denn klar, die Fakten sehen schlecht aus. Und man haut sie uns bei jeder | |
Konferenz um die Ohren: neue CO2-Rekorde, wo die Emissionen weltweit in | |
sechseinhalb Jahren halbiert werden müssten; Waldbrände, Dürren, | |
Überschwemmungen, bald schon eisfreie Arktis im Sommer. Und die Öl- und | |
Gasländer versprechen den Ausstieg, stecken ihr Geld aber weiter in die | |
dreckigen Energien. Da kannste schon mal meckern. Und kalkulieren, dass die | |
Erwärmung bei 1,5 Grad nicht höflich stoppen wird. | |
Aber die Welt geht eben auch nicht an dem Morgen unter, wo offiziell und | |
weltweit die [3][1,5 Grad überschritten] sind. Ja, es wird dann noch | |
gefährlicher, ja, es drohen Kipppunkte, ja, wir sollten alles tun, um das | |
zu vermeiden und ja, wir alle sind die letzten Generationen, die das | |
verhindern können. | |
## Wut und Zuversicht | |
Aber auch bei 1,6 Grad müssen wir weiter dafür kämpfen, die Fossilen | |
auszubremsen und den Wald zu retten. Wir müssen den Armen gegen die | |
Klimaschäden helfen und das verdammte CO2 möglichst schnell wieder aus der | |
Luft holen. Noch haben wir die Wahl. | |
Da ist es das Beste, einmal tief Luft zu holen und sich zu sagen: „Wir | |
haben noch nicht verloren!“. Denn wenn wir denken, dass es aus ist, dann | |
ist es wirklich aus. Nicht umsonst hat die ehemalige Chefin des | |
UN-Klimasekretariats Christiana Figueres, die „Klimaqueen“, die das Pariser | |
Abkommen mitverhandelt hat, ihrem Podcast einen schönen Namen gegeben: | |
Outrage and Optimism. Wut und Zuversicht. Ein T-Shirt mit diesem Slogan | |
würde ich sofort kaufen. | |
9 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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