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# taz.de -- Ampel-Koalition geht in die Sommerpause: Besser als ihr Ruf
> Die Erfolge der Ampel verblassen hinter den Streitigkeiten der
> Koalitionspartner. Sie muss dringend das Vertrauen in der Bevölkerung
> zurückgewinnen.
Bild: Endlich Sommerpause für die Ampel-Koaliton
Angenommen, Sie planen eine Gipfeltour, wollen mehrere Achttausender
bezwingen. Der Rucksack ist schwer, die Schuhe drücken. Sie haben so was
noch nie gemacht und obendrein Höhenangst. Und dann diese drei Bergführer,
die sich pausenlos über den Weg streiten, rechts, links oder doch
geradeaus. Wer will da nicht am liebsten umkehren?! So ähnlich geht es
vielen Menschen derzeit mit der Ampelregierung.
Angetreten ist sie 2021 als Fortschrittskoalition, um die großen
Herausforderungen der Zeit anzugehen: die Dekarbonisierung, den
demografischen Wandel und die Digitalisierung. Nun ist fast die Hälfte der
Legislatur rum, doch statt beherzt voranzuschreiten, schleppt sich die
Ampel in die Sommerpause. Grüne und FDP zanken und die SPD schaut dabei zu.
Kein Wunder, dass drei Viertel der Menschen laut [1][ARD-Deutschlandtrend]
beunruhigt von den aktuellen Verhältnissen sind. Von der von Olaf Scholz
oft beschworenen Zuversicht ist im Land wenig zu spüren, was auch an den
mangelnden Führungsqualitäten des Kanzlers und dem Dauerstreit in der
Regierung liegt. Zugegeben: Den russischen Überfall auf die Ukraine, die
daraus resultierende globale Energie- und Sicherheitskrise hatte im
Dezember 2021 niemand so vorhergesehen.
Doch während die Ampel mit gemeinsamer Kraftanstrengung die Krisen im
vergangen Jahr bewältigte, treibt es sie nun, wo sie endlich gestalten
kann, auseinander. Die Streitigkeiten um das Heizungsgesetz haben viel
Vertrauen gekostet. Nun wird es [2][doch erst nach der Sommerpause]
verabschiedet. Für sich genommen ist das kein Beinbruch. Schließlich kommt
es beim großen Ziel, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird und dann
entsprechend heizt, nicht auf ein paar Wochen an.
## Gewinnerin ist die AfD
Doch man hat mittlerweile Zweifel, ob wirklich alle drei Koalitionspartner
dieses Ziel ansteuern. Besonders die FDP erweckt den Eindruck, als wollte
sie möglichst viele Verschnaufpausen und Umwege machen. Die Uneinigkeit
der Ampel, gepaart mit schlechter Vorarbeit im grün geführten
Wirtschaftsministerium, was schließlich in den übereilten, nun gestoppten
Endspurt führte, ist Wasser auf die Mühlen der AfD. Die kann zwar nur
blöken: „Keine Heizung ist illegal“. Sie hält auch keine Lösung parat, a…
um Dampf abzulassen, reicht dieses Angebot.
Dabei hat die Ampel durchaus Erfolge vorzuweisen: Sie hat den
[3][Mindestlohn deutlich erhöht], auch wenn diese Erhöhung angesichts der
Inflation schon nicht mehr ausreicht. Sie hat ein [4][Bürgergeldgesetz]
eingeführt, das endgültig damit Schluss macht, Menschen in jeden miesen Job
zu vermitteln. Sie hat ein Einwanderungsgesetz verabschiedet, das
Ausländer:innen, die in Deutschland arbeiten wollen und können, endlich
eine legale Einreise ermöglichen wird.
Gebraucht werden sie dringend, denn ohne zusätzliche Einwanderung drohen
Deutschland ein drastischer Fachkräftemangel und in der Folge massive
Wohlstandsverluste, was die Mehrheit fast überall begriffen hat, außer an
Orten wie [5][Sonneberg] oder [6][Raguhn-Jeßnitz]. In den Ausbau der
erneuerbaren Energien kommt nach der Merkel-Flaute wieder Schwung, denn die
Ampel hat unter anderem das Gesetz [7][„Windenergie an Land“] beschlossen,
das Genehmigungsverfahren für Windkraft massiv beschleunigen dürfte.
Es gibt endlich eine Kennzeichnungspflicht, die transparent macht, wie die
Tiere, die wir essen, gehalten wurden. Das und vieles andere haben SPD,
Grüne und FDP gemeinsam und effizient beschlossen. Es geht also. Doch was
nützt es, wenn man viele richtige Dinge macht, sich aber zwischendurch so
miserabel aufführt, dass alle nur mit dem Kopf schütteln. Selbst die Union,
die mit so krassen [8][Kloppern wie einem Mautgesetz], das die
Steuerzahler:innen 243 Millionen Euro kosten wird, davonkommt,
entblödet sich nicht, über die Regierung zu lästern.
Die Ampel steht nun vor der Halbzeit und an einer Weggabelung: Entweder sie
reißt sich zusammen und geht die anfangs genannten Berge von
Herausforderung geschlossen an. Damit all jene, die ängstlich und
unerfahren sind, also fast alle, nicht das Gefühl haben, sie stürzen auf
dieser Tour ab. Oder sie macht so kakophonisch weiter wie bisher.
Dass im Herbst Landtagswahlen in Bayern und Hessen sind und spätestens im
nächsten Sommer der Bundestagswahlkampf einsetzt, wo jede Partei nur noch
für sich kämpft, spricht eher für letzteres. Doch im Herbst 2024 wird auch
in Sachsen, Brandenburg und Thüringen gewählt. Und gerade in Thüringen, wo
die AfD in Umfragen stabil vorn liegt, droht mehr ins Rutschen zu geraten
als eine Regierung. Nicht zuletzt angesichts dieser Lawinengefahr sollte
die Ampel ihren Kurs noch einmal überdenken.
7 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-3372.html
[2] /Nach-Stopp-fuer-Heizungsgesetz/!5942181
[3] /Geplante-Erhoehung-des-Mindestlohns/!5827970
[4] /Buergergeld-im-Bundestag-beschlossen/!5894957
[5] /Sonneberg-und-die-AfD/!5941459
[6] /Raguhn-Jessnitz-in-Sachsen-Anhalt/!5944567
[7] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/wi…
[8] /Gescheiterte-PKW-Maut/!5945690
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Ampel-Koalition
Schwerpunkt AfD
Energiewende
GNS
Bürgergeld
Energiekrise
Schwerpunkt Klimawandel
Kolumne Materie
Ökostrom
Sozialstaatsreform
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