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# taz.de -- Sonneberg und die AfD: Deutschland ist ein Kindergarten
> Die AfD verschenkt Luftballons, und alle anderen wollen „zuhören“ und
> niemanden „überfordern“. Wann behandeln wir WählerInnen wie Erwachsene?
Bild: Der AFD geht leider noch nicht die Luft aus
Sie haben es vielleicht auch gesehen, [1][das Video aus Sonneberg,
Thüringen]: Ein Nazi, wie er nicht mal im Comic steht, so klischeehaft
sieht er aus, öffnet den Kofferraum seines Autos. Dann wirft er AfD-blaue
Luftballons über den Zaun eines Kindergartens. Und alle Kinder (und
Erzieherinnen) jubeln.
Viele empörte Kommentare gingen in die gleiche, naheliegende Richtung:
Lasst unsere Kinder aus dem Spiel! Aber das führt in die Irre. Denn
tatsächlich hat es keinen besseren Kommentar zum Erfolg der AfD in Umfragen
und nun auch bei der Landratswahl in Sonneberg gegeben als dieses Video.
Die Bundesrepublik ist ein Kindergarten. Und die AfD hat das verstanden.
Die Kindergartisierung Deutschlands, sie zeigt sich in den Debatten über
die AfD, aber auch im Umgang mit der Klimakrise und den Maßnahmen dagegen,
etwa dem Heizungsgesetz. Ständig müssen alle „mitgenommen“, darf niemand
„überfordert“ werden. Ständig soll man „zuhören“, auch wenn da nur G…
kommt. Jegliche Zumutung des Lebens soll von den BürgerInnen ferngehalten
werden, es könnte sie verunsichern.
Jeder, der mal in einer halbwegs zeitgemäßen Kindertagesstätte außerhalb
von Sonneberg war, weiß, dass diese Form der pädagogischen Ansprache längst
nicht mehr zeitgemäß ist. Kein Erzieher, der noch bei Sinnen ist, würde der
kleinen Alice, die im Sandkasten mal wieder mit der Plastikschaufel den
Ausländer verhaut, in den Arm nehmen und trösten. Die meisten Kitas sind
längst weiter als große Teile der deutschen Medien und Politik, die den
Kindergarten der AfD immer noch mitmachen.
## Alice im Sternhimmel
Womit wir beim Stern wären, der exemplarisch für den Umgang mit dem
Rechtsruck und die abnehmende Relevanz klassischer Medien steht. Der Stern
hat in dieser Woche [2][Alice Weidel als Postergirl] aufs Cover gedruckt
und das Ganze als Tabubruch inszeniert. Das Interview mit Weidel ist dann
eher naiv. „Wir stellen es uns wahnsinnig anstrengend vor, Alice Weidel zu
sein“, so lautet eine Frage. Und Weidel darf behaupten, dass es bei der AfD
keine Rechtsextremen gebe.
Nur, diese Alice schlägt nicht mit einer Plastikschaufel um sich, sondern
ist Vorsitzende einer Partei, deren Hetze Tote in Kauf nimmt. Deswegen
macht die taz keine Wortlaut-Interviews mit der AfD. Weil diese Partei lügt
wie gedruckt.
Für den Stern ist die Aufregung um ihr Cover ein billiger Versuch, für
einen kurzen Moment aus der selbst verschuldeten Bedeutungslosigkeit
herauszutreten. Mit einem gefälschten Hitler begann vor vielen Jahren der
Abstieg des Magazins, und ausgerechnet mit einer täuschend echten Führerin
wollen sie ihn stoppen. Der AfD kann’s recht sein.
Es ist höchste Zeit, die AfD und ihre WählerInnen [3][wie Erwachsene zu
behandeln]. Menschen wählen Rechtsextreme, weil sie rechtsextrem sind oder
weil sie davon profitieren, wenn Rechtsextreme Macht erlangen.
Rechtsextreme muss man ausgrenzen, bekämpfen, schlagen, mit allen Mitteln.
Und wer nach Gründen für ihren Erfolg sucht, sollte sich nicht mit
Kränkungen und Pädagogik beschäftigen, sondern mit den Grundlagen des
Erfolgs.
40 Prozent der Erwerbstätigen in Sonneberg leben vom Mindestlohn, so viele
wie nirgendwo sonst. Das kann ein Ansatz sein, auch wenn ökonomische Gründe
nicht ausreichen, um den Erfolg der AfD zu erklären. Rechtspopulismus ist
europaweit auf dem Vormarsch. Wer eine Alternative zu ihm will, muss die
Schwäche der Linken überwinden, Antifaschismus und Umverteilung
organisieren. Auf die Parteien der Mitte kann man dabei nicht setzen. Sie
haben nicht mehr anzubieten als Streicheleinheiten.
1 Jul 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/KatharinaKoenig/status/1673558983112638464?s=20
[2] /AfD-in-den-Medien/!5932885
[3] /Rechtsruck-in-Deutschland/!5936157
## AUTOREN
Kersten Augustin
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