# taz.de -- Wind-an-Land-Gesetz: Deutschlandtempo für die Windkraft? | |
> Am Montag wurde die Umsetzung einer EU-Notfallverordnung beschlossen. | |
> Heute tritt das Wind-an-Land-Gesetz in Kraft. | |
Bild: Für den Windpark in Wollenthin wird ein Turmteil im Oktober 2022 von ein… | |
BERLIN taz | An diesem Mittwoch tritt das [1][Wind-an-Land-Gesetz] in | |
Kraft. Vergangenen Sommer wurde es unter hohem Druck beschlossen: Am 8. | |
Juni stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zwei Gesetze | |
für die Beschleunigung vor. Umweltverbände bekamen kaum Zeit für | |
Stellungnahmen, Beamte mussten Nachtschichten machen. In der Woche darauf | |
billigte das Kabinett die Entwürfe. Noch vor der Sommerpause wurden sie | |
beschlossen. | |
Das novellierte Bundesnaturschutzgesetz gilt schon seitdem, jetzt auch das | |
Wind-an-Land-Gesetz. Zudem hat in der Zwischenzeit die EU eine | |
Notfallverordnung erlassen, die ebenfalls den [2][Windkraftausbau | |
beschleunigen] soll. Wird 2023 also das Jahr der Trendwende für die | |
Windkraft? Zumindest wird sich zeigen, ob das von Bundeskanzler Olaf Scholz | |
ausgerufene „Deutschland-Tempo“ nicht nur für LNG-Terminals, sondern auch | |
für den Ausbau der Windkraft gilt. | |
In den vergangenen Jahren verlief der nämlich schleppend. 2017 war das | |
bisherige Ausbau-Hoch, seitdem sinken die Zahlen. In Bayern wurden 2022 nur | |
14 Anlagen errichtet, in Baden-Württemberg nur 9. Das liegt mitunter an den | |
langen Planungsverfahren. Hier soll das Wind-an-Land-Gesetz ansetzen. Es | |
schreibt vor, dass bundesweit 2 Prozent der Flächen für Windräder | |
ausgewiesen werden müssen. | |
Es verspricht den Ländern: Wenn ihr jetzt Flächen ausweist, dann können | |
andere Gebiete von Windkraftanlagen freigehalten werden. Wenn die Länder | |
das aber nicht schaffen, drohen Sanktionen. So werden dann die in einem | |
Bundesland geltenden Abstandsregeln außer Kraft gesetzt und die Windräder | |
könnten ungesteuert ausgebaut werden. Das Zwischenziel muss bis 2027 | |
erreicht werden, 1,7 Prozent der Landfläche müssen bis dahin ausgewiesen | |
sein, bis 2032 dann 2 Prozent. | |
## Nicht nur eine Frage der Planung | |
Für den Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Sascha Müller-Kraenner | |
geht das zu langsam. „Die Bundesländer dürfen keine Zeit verlieren“, sagt | |
er. Sein Appell: Die Länder sollen die Flächen schon bis 2025 ausweisen. | |
Baden-Württemberg hat sich das bereits als Ziel gesetzt. Sachsen will die | |
Ausweisung 2027 abschließen, Niedersachsen 2026. | |
Magnus Wessel ist Leiter für Naturschutzpolitik bei der Umweltorganisation | |
BUND. Er ist glücklich über das Zwei-Prozent-Ziel, sagt aber: „Ausgewiesene | |
Flächen sind noch keine Windkraftanlagen.“ Er befürchtet, dass zwar Flächen | |
ausgewiesen werden, es aber Jahre dauere, bis sich dort auch Windräder | |
drehen. Dazu kommt: Es sei nicht nur eine Frage der Planung, sondern auch | |
der Kapazitäten. Es fehle an Personal und Daten. | |
Ob Planer für Autobahnen oder Windräder eingesetzt werden, darüber streitet | |
zurzeit die Ampelkoalition. Beides gleichzeitig ginge nicht, sagt Wessel. | |
Um die Beschleunigung sicherzustellen, hat das Bundeskabinett am Montag die | |
Umsetzung einer EU-Notfallverordnung beschlossen. Danach sollen | |
Umweltverträglichkeits- und Artenschutzprüfungen für einen Zeitraum von | |
eineinhalb Jahren wegfallen, wenn es eine strategische Umweltprüfung für | |
das Gebiet gibt. | |
Die Mitgliedstaaten sollen für die Windkraft sogenannte Go-to-Areas | |
ausweisen. Künftige, aber auch schon begonnene Genehmigungsverfahren sollen | |
mit dem Beschluss beschleunigt werden. Bundeswirtschafts- und | |
Klimaschutzminister Robert Habeck von den Grünen sprach am Montag von einem | |
„Windausbau-Beschleuniger, wie wir ihn noch nicht hatten“. Trotzdem sei der | |
Artenschutz „wichtig“. | |
## Windenergieverbände begrüßen den Beschluss | |
Nach der Gesetzesvorlage, die noch durch den Bundestag muss, können | |
deswegen die Behörden Schutzmaßnahmen für Arten anordnen, etwa | |
Abschaltzeiten für Windräder. Andernfalls müssten die Betreiber | |
Ausgleichszahlungen an Artenhilfsprogramme zahlen. Die Windenergieverbände | |
reagierten positiv auf den Beschluss, Umweltschutzorganisationen äußerten | |
sich kritisch. | |
Der Präsident des Bundesverbands WindEnergie (BWE) sagt: Die | |
Notfallverordnung stellt „einen Paradigmenwechsel im Zusammenspiel des | |
Planungs- und Genehmigungsrechts dar.“ Für ihn hätte sie das Potenzial für | |
eine echte Beschleunigung.Die Referentin für erneuerbare Energien und | |
Naturschutz beim Naturschutzbund (Nabu), Rebekka Blessenohl, findet die | |
Idee der Go-to-Areas gut. | |
Sie äußert aber heftige Kritik an der geplanten Umsetzung. Die aktuellen | |
Entwürfe „kommen einer Abschaffung des Artenschutzes beim Bau von | |
Windenergieanlagen gleich.“ Ihr scheint es nur um einen Gewinn beim | |
Klimaschutz zu gehen. Aber: „Mit hastigen Maßnahmen, die einseitig zu | |
Lasten des Artenschutzes sind, werden keine maßgeblichen Fortschritte beim | |
Ausbau der Windenergie erreicht“, sagt Blessenohl. | |
31 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/wind-an-land-gese… | |
[2] /Neuer-Kabinettsbeschluss-fuer-Erneuerbare/!5912177 | |
## AUTOREN | |
Tom Burggraf | |
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