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# taz.de -- Bundeswehreinsatz in Mali: Vor Abzug Ausverkauf
> Der UN-Einsatz in Mali, der auch größter Auslandseinsatz der Bundeswehr
> war, ist beendet. Deutschland ist auf dieses plötzliche Aus kaum
> vorbereitet.
Bild: Dieser deutsche Soldat, der zum UN-Kontingent der Minusma gehört, kann s…
Das war’s. Die UN-Mission in Mali ist Geschichte und damit auch der aktuell
größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Am Freitag [1][beschloss der
UN-Sicherheitsrat in New York], „das Mandat der Minusma mit Wirkung zum 30.
Juni 2023 zu beenden“ und „am 1. Juli unverzüglich mit der Einstellung
ihrer Operationen, der Übertragung ihrer Aufgaben sowie dem geordneten und
sicheren Abzug ihres Personals zu beginnen“.
Deutschland hatte aber gerade erst das Mali-Bundeswehrmandat bis Ende Mai
2024 verlängert, für einen „geordneten und sicheren Abzug“. Das muss jetzt
viel schneller gehen. Der deutsche Mali-Einsatz wurde oft als
Antiterroreinsatz dargestellt, aber die Minusma hatte nie ein
Antiterrormandat. Als sie [2][am 1. Juli 2013 entstand], war der Kampf
gegen islamistische Terrorgruppen einer separaten Eingreiftruppe aus
Frankreich vorbehalten, die in den Monaten zuvor Malis Nordhälfte von
bewaffneten Islamisten zurückerobert hatte.
Die Minusma bekam ein Stabilisierungsmandat – sie soll die
Wiederherstellung der Autorität des malischen Staates auf dem gesamten
Staatsgebiet unterstützen und seit 2015 auch die Umsetzung des
[3][Friedensabkommens von Algier] zwischen Malis Regierung und den
Tuareg-Rebellengruppen im Norden überwachen. Den Widerspruch zwischen
diesen beiden Dimensionen des UN-Mandats hat die Minusma nie auflösen
können, und das ist ihr zum Verhängnis geworden.
Das Friedensabkommen von Algier gewährt dem Norden Malis weitreichende
Autonomie. Staatliche Autorität aber bedeutet im malischen Verständnis ein
Macht- und Gewaltmonopol der Zentralregierung. Es geht nicht beides auf
einmal. Bis heute ist Malis Regierung und Armee dort, wo Tuareg-Rebellen
das Sagen haben, nur rudimentär oder gar nicht präsent. Diesen Widerspruch
aufzulösen, wäre die Aufgabe Malis gewesen.
## Islamisten auf dem Vormarsch
Die zivile Regierung von Präsident Ibrahim Boubacar Keïta, der 2013
erstmals gewählt und 2020 weggeputscht wurde, eierte herum. Ihre
Nachfolger, die Militärputschisten unter dem heutigen Machthaber Assimi
Goïta, akzeptieren das alles nicht mehr. Sie haben erst Frankreich
hinausgeworfen und nun eben auch die UNO. Als Nächstes dürfte das
Friedensabkommen von Algier gegenstandslos werden. Aus Sicht der
Tuareg-Rebellen bedeutet der Minusma-Abzug das Scheitern des
Friedensprozesses.
Derweil ist der Islamische Staat in der Großen Sahara (ISGS) auf dem
Vormarsch in Malis Nordosten an der Grenze zu Niger. Zuletzt kämpften die
IS-Angreifer in der Gemeinde Gabero nur noch 45 Kilometer flussabwärts vom
Bundeswehrstandort Gao – eine relativ kurze Fahrt im Pick-up. Die Militärs
in Bamako geben sich zuversichtlich mit 1.400 russischen Wagner-Kämpfern an
ihrer Seite und Waffen aus Moskau. Brutale Massaker nimmt man in Kauf.
Wagner hat bereits Frankreichs Militärbasen im Norden Malis übernommen,
auch am Flughafen von Gao direkt neben dem deutschen Camp Castor. Insofern
ist der Abzug der UNO nicht nur folgerichtig, sondern überfällig, und
eigentlich hätte es dafür gar keiner Aufforderung aus Bamako bedürfen
sollen. Die deutschen Soldaten in Gao müssten sonst untätig zusehen, falls
Malis Armee mit Wagner-Hilfe Tuareg im Norden Malis massakriert –
UN-Soldaten sollen laut Mandat zwar die Zivilbevölkerung schützen, aber sie
können ihre Gewehre nicht gegen Malis Armee richten.
Viele Beobachter weisen darauf hin, dass die UN-Präsenz in Mali auch ihr
Gutes hatte: Die Minusma war ein Garant für halbwegs freie und faire Wahlen
2024; sie bot in Konfliktgebieten einen neutralen und sicheren Raum für
lokale Verständigungsprozesse; UN-Flüge stellten faktisch die größte
innermalische Fluglinie dar.
Andererseits ähneln solche Argumente denen progressiver Verteidiger des
Kolonialismus in den 1950er und 1960er Jahren: Die Afrikaner brauchen uns,
ohne uns funktioniert nichts, und wenn wir zu früh gehen, bricht alles
zusammen. Afrikaner kennen diese Argumente von früher, und im
Minusma-Kontext bedeuten sie auch bloß, Nebeneffekte zum Hauptziel zu
erklären und Militärisches und Ziviles zu vermischen.
## Vom Drucker bis zum Werkzeugkasten
Es blieb im Bundestag der AfD überlassen, [4][die Bundesregierung zu
fragen], was Deutschland eigentlich in Mali jenseits des Militärischen
hinterlasse, also „in welcher Gesamthöhe infrastrukturelle Projekte von
Deutschland teil- oder vollständig finanziert wurden, wer die Träger der
Bauprojekte waren, was der gegenwärtige Stand der Baumaßnahmen ist und
welcher Nutzung die infrastrukturellen Maßnahmen künftig zugeführt werden“.
[5][Die Bundesregierung antwortete] mit einer vertraulichen Tabelle und
schrieb dazu: „Die öffentliche Nennung der hier erfragten Projektdetails
würde ein nicht unerhebliches Risiko für die Umsetzung der Maßnahmen und
das Personal vor Ort bedeuten.“ Man könnte nach zehn Jahren
Stabilisierungseinsatz mehr erwarten. Man könnte auch erwarten, dass das
Bundeswehrmaterial in Mali zukünftig im Nachbarland Niger Verwendung
findet, dem kommenden Schwerpunkt der deutschen Sahel-Militärpräsenz.
Aber offenbar ist das nicht möglich, denn zwischen Gao und Nigers Grenze
herrscht der ISGS. Also läuft jetzt der Ausverkauf von allem, was nicht ins
Flugzeug passt. Laut Bundeswehr fand letzte Woche im deutschen Camp in Gao
eine erste Versteigerung für lokale Händler statt. „Vom Drucker bis zum
Werkzeugkasten ist alles dabei“, [6][schreibt die Bundeswehr]. „Besonderes
Interesse finden zwei Mercedes-Geländewagen.“ Eine Grabenfräse wurde
verkauft, sogar eine komplette Tankstelle „inklusive Tanks“.
Immerhin waren „sicherheitsempfindliches Material, Schusswaffen und
Sprengstoff ausgenommen“. ber wieso wurde das Material nicht einfach Malis
Behörden übergeben, als Entwicklungshilfe? Und wem werden Gaos Händler die
Überreste der deutschen Militärpräsenz in Mali gewinnbringend verkaufen?
Der ISGS hat Geld.
2 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.un.org/Depts/german/sr/sr_23/sr2690.pdf
[2] https://press.un.org/en/2013/sc10987.doc.htm
[3] https://www.un.org/en/pdfs/EN-ML_150620_Accord-pour-la-paix-et-la-reconcili…
[4] https://dserver.bundestag.de/btd/20/064/2006499.pdf
[5] https://dserver.bundestag.de/btd/20/068/2006859.pdf
[6] https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/mali-einsaetze/minusma-bu…
## AUTOREN
Dominic Johnson
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