# taz.de -- Ulrike Demmer neue Intendantin des RBB: Pleiten, Pech und Pannen | |
> Nach den Skandalen um Patricia Schlesinger hat der RBB eine neue Chefin | |
> gesucht. Gefunden hat er Ulrike Demmer – nicht ohne Chaos. | |
Bild: Neue RBB-Intendantin: Ulrike Demmer | |
BERLIN taz | Es sind nur wenige Sekunden. Aber die haben es in sich. Kurz | |
vorm dritten Wahlgang, nach mehr als zwei Stunden Stille, läuft im | |
Live-Stream: Für die Intendant*innenstelle steht jetzt offenbar nur | |
noch eine Kandidatin zur Wahl. Die Digitalisierungs-Managerin Heide | |
Baumann, frühere Führungskraft bei Vodafone Deutschland, ist | |
zurückgetreten. „Gehen wir in einen dritten Wahlgang?“, fragt eine | |
Männerstimme, dann bricht der Ton wieder ab. Diese Info, die ganze Wahl, | |
hätte nicht öffentlich sein dürfen. Ist das ganze eine peinliche Panne oder | |
eine bewusste Aktion, um endlich mal wieder Informationen durchsickern zu | |
lassen? Das bleibt unklar. Ja, wir befinden uns beim RBB. Mit Krisen und | |
Pannen kennt man sich da momentan leider gut aus. | |
Klar ist dann, wer gewählt wurde: die letzte Verbliebene, Ulrike Demmer, | |
ehemalige stellvertretende Sprecherin der Regierung Merkel. Sie bekam | |
letztlich die notwendige Zweidrittelmehrheit. Ihre Nähe zur Politik? Die | |
scheint wohl egal zu sein. | |
Für die Wahl zuständig sind die 30 Personen, die im Rundfunkrat sitzen. 15 | |
Menschen brauchte es für die Beschlussfähigkeit, 24 waren am Freitag um | |
14.00 Uhr in Potsdam bei der außerordentlichen Sitzung des Rundfunkrates | |
anwesend. Auch dabei war unter anderem die Interims-Intendantin Katrin | |
Vernau. Die Frau also, die den Scherbenhaufen RBB im Herbst 2022 anschaute | |
und sich dachte: Kann man doch noch was draus machen! Dann kandidierte sie | |
aber doch nicht, um nach Ablauf des Einjahresjobs noch zu bleiben. | |
## Bewerbungstumult: Erst vier, dann zwei | |
Direkt zu Beginn des Treffens am Freitag, als die ersten Regularien geklärt | |
waren, wies RBB-Rundfunkratschef Oliver Bürgel auf das Chaos hin, das in | |
den vergangenen Tagen den RBB und die Öffentlichkeit beschäftigten: das Hin | |
und Her beim Bewerbungsprozess. [1][Aus den 50 Bewerbungen um den Posten | |
der*s Intendant*in waren ursprünglich vier ausgewählt worden], als | |
Bürgel die Veranstaltung und den öffentlichen Teil der Live-Übertragung | |
eröffnete, waren es nur noch zwei. Die anderen beiden stiegen in den Tagen | |
zuvor aus. Und einige Stunden nach Beginn der Veranstaltung – vor allem im | |
nichtöffentlichen Kämmerchen – war dann nur noch eine übrig: Ulrike Demmer | |
hatte den längsten Atem. | |
Vom letzten Rückzug wusste Bürgel jedoch noch nichts, als er zu Beginn der | |
Sitzung erzählte, er habe sich überlegt: „Was ist, wenn wir heute nicht | |
wählen?“ Man hätte neu ausschreiben müssen. Aber wer würde sich dann dies… | |
Verantwortung stellen? | |
Dieses Chaos, auf das Bürgel anspricht, schadet dem RBB. Der ist ohnehin | |
nicht nur durch die Vorwürfe gegen Patricia Schlesinger und Wolf-Dieter | |
Wolf angekratzt, sondern auch durch die aktuelle Stimmung gegen Medien, | |
insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Statt die Konsequenzen zu | |
erklären, man starte den Prozess doch von Neuem, um möglichst viel | |
Glaubwürdigkeit zu erhalten, stellte Bürgel allerdings fest: „Der Wahlkampf | |
ist beendet.“ Damit könne die Wahl am Freitag auch stattfinden. Man solle | |
sie „fair, anständig“ durchführen und „mit viel Respekt“. Es sei nun … | |
Zeit, eine Intendantin zu wählen, mit der der Aufbruch und die | |
Transformation gelinge. Den Bewerbungsprozess zu evaluieren und zu | |
hinterfragen, das steht hinten an. So viel wird klar. | |
Das sahen jedoch nicht alle so. Ein Anwesender meldet sich mit einem | |
weiteren Anliegen: Es solle vor der Wahl eine Aussprache über den „Stand | |
des Verfahrens“ geben – also eine Diskussion darüber, wie es sein konnte, | |
dass zwei von vier Kandidat*innen kurz vor der Wahl das Handtuch | |
geworfen hatten. Der Mann erreichte immerhin die notwendigen Stimmen, um | |
diese Debatte auf die Tagesordnung zu setzen, wenngleich sie, ebenso wie | |
die Wahlen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. | |
## Für Demmer ist der RBB unverzichtbar | |
Vor der geheimen, aber langen Diskussion und Wahl dürfen sich die | |
Kandidat*innen aber dann doch vorstellen. Eine halbe bis drei Minuten | |
Zeit gibt ihnen der Rundfunkrat, um sich selbst bestmöglich im Blitzlicht | |
zu präsentieren. Und das tun sie: Beide mit zitternder Stimme, aber klaren | |
Worten. Demmer macht den Anfang und beginnt mit dem, was den RBB seit den | |
Vorwürfen unter anderem um Vetternwirtschaft im Sommer 2022 so sehr | |
beschäftigte. Sie bedauert, „dass sich in der Krisenzeit niemand mit einem | |
breiten Kreuz vor den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den RBB“ gestellt | |
hat. | |
Danach lobt sie ausschweifend die ARD und insbesondere den RBB für deren | |
Programm und stellt klar: „Der RBB ist für mich unverzichtbar.“ Das bleibt | |
Demmer zufolge auch nur so, wenn der Sender weiterhin Qualität liefert. Sie | |
wolle gemeinsam mit den Mitarbeitenden und den unterschiedlichen Gremien | |
und Räten für eine Zukunft arbeiten, in der die Mitarbeitenden für genau | |
diese Qualität sorgen können. Ihre Ansage: Schwierig, aber jetzt, mit mir | |
in eurem Team wird das wieder. Den Merkel-Satz „Wir schaffen das“ verkneift | |
sich Demmer. | |
Baumann hingegen argumentiert komplexer, unterstreicht ihre eigenen | |
Qualifikationen, indem sie die Anforderungen, um der „großen Verantwortung“ | |
Intendanz nachzukommen in drei Punkte gliedert. Zum einen blickt sie auf | |
das „hervorragende Programm für alle“ im Sendegebiet und erwähnte dabei i… | |
Lieblingsthema, die Digitalisierung. In diesem Prozess steckt auch der RBB. | |
„In dieser komplexen Welt kenne ich mich aus“, sagt Baumann, die auch als | |
Gastprofessorin an der Technischen Universität in Berlin war. Ihr | |
Schwerpunkt: Technologie-und Innovationsmanagement. | |
Danach schwenkt sie über auf eines der größten Probleme, mit dem sich der | |
RBB auseinandersetzen muss: Verlorenes Vertrauen. Um dieses bei Belegschaft | |
und Publikum zurückzugewinnen, brauche es Transparenz und diesbezüglich | |
bringe sie Erfahrung durch ihre Arbeit bei Vodafone mit. Erst am Ende kommt | |
sie auf die „Frau von Außen“ zu sprechen, die sie für manche tatsächlich | |
ist. Baumann rechtfertigt sich durch eine Aufzählung ihrer | |
unterschiedlichen Stationen bei Medienunternehmen, ihre Arbeit als Freie | |
Journalistin und ihre „Passion für Medienjournalismus und | |
Qualitätsinhalte“. Ihr Status als Neue sei eine Chance und ein Signal für | |
einen Neustart mit Respekt und Vertrauen. Trotzdem scheidet sie dann aus. | |
Bis Redaktionsschluss blieb unklar weshalb. | |
## Rückzug aus vielerlei Gründen | |
Unter den Leuten, die zurückziehen, ist Baumann in guter Gesellschaft. | |
Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales bei ARD-aktuell („Tagesschau“, | |
„Tagesthemen“), die einzige Shortlist-Kandidatin mit Ostbezug, schied nur | |
drei Tage vor der Wahl aus. [2][Auf der Plattform Linkedin schrieb sie am | |
Dienstagabend], sie wolle den Weg freimachen für „eine Kandidatin oder | |
einen Kandidaten, deren oder dessen Angebot besser zu dieser aktuellen | |
Situation passt“. Wen sie damit meint, ist nicht klar. Dass sie jedoch | |
selbst diese Person nicht sein wird, begründet sie damit, dass der „Kern“ | |
ihres Angebots die digitale Transformation des Journalismus sei, sie aber | |
in Gesprächen in den Tagen vor ihrem Rückzug den Eindruck gewonnen habe, | |
dass für viele Menschen im RBB andere Fragen wichtiger seien. | |
Dazu gehört auch: „Wie bleibt am ehesten alles so, wie es ist?“ Zwischen | |
den Zeilen ist dies als heftiger Vorwurf zu werten: Der RBB will keine | |
Zukunft, sondern in der Vergangenheit bleiben. | |
Ein weiterer Bewerber trat hingegen offensichtlich wegen der | |
Zukunftsperspektive zurück: Jan Weyrauch. Erst entschied sich die | |
Findungskommission dafür, den gebürtigen Berliner und Programmdirektor von | |
Radio Bremen, einen Vertreter der klassischen öffentlich-rechtlichen | |
Hierarchie, auf die Shortlist zu setzen. Aber bei der Präsentation jener | |
Liste fehlte sein Name. Somit stand er auch nicht zur Wahl. [3][Der Grund: | |
Die Gehaltsvorstellungen stimmten nicht so sehr überein.] Die | |
Sparmaßnahmen, die der RBB erfüllen muss, werden sich auch auf der | |
Führungsebene widerspiegeln. Nach Protest stand er dann wieder auf der | |
Liste, aber dann – ganz spontan – sagte er am Donnerstagabend wieder ab. | |
Ein Rückzug aus bisher unbekannten Gründen. Einer wegen Geld. Einer wegen | |
starrer Ideen. Gewonnen hat dann eine Frau, die früher Journalistin war, | |
für den Spiegel, den Focus, das ZDF-Morgenmagazin, bevor sie Leiterin des | |
Hauptstadtbüros vom Redaktions-Netzwerks Deutschland wurde – und dann | |
Sprecherin der Bundesregierung. | |
Wie das zusammengehen soll, eine Ex-Regierungssprecherin und der | |
öffentlich-rechtliche Rundfunk, der sich ohnehin immer wieder als | |
Staatsmedium, „eliten“- und politikgesteuert diffamiert sieht, muss Demmer | |
jetzt zeigen. Mehr als 3.000 Mitarbeitende hat sie, sie erbt ein riesiges | |
Finanzloch, weil sie beim jährlichen Budget von 450 Millionen Euro bis Ende | |
2023 ganze 49 Millionen einsparen muss. Und ganz viel Aufmerksamkeit | |
während ihrer fünfjährigen Amtszeit. | |
16 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Neue-Intendanz-beim-RBB/!5937327 | |
[2] https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7074416812418850816/ | |
[3] /Archiv-Suche/!5940708/ | |
## AUTOREN | |
Johannes Drosdowski | |
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