# taz.de -- Verfassungsschutz schützt Altnazis: Falsche Loyalitäten | |
> Jahrzehnte lebte Alois Brunner, die rechte Hand Adolf Eichmanns, in | |
> Syrien. Erst jetzt werden Akten sichtbar, die zeigen, wer ihn deckte. | |
Bild: Hier wurde gemauert, was das Zeug hält: Bundesamt für Verfassungsschutz… | |
Dass Nazis andere Nazis vor einer Strafverfolgung zu bewahren suchen, | |
entspricht den Umgangsformen unter Massenmördern. Das Gegenteil wäre | |
überraschend. Und so ist es denn auch geradezu folgerichtig, dass der | |
Verfassungsschutz über Jahrzehnte seine schützende Hand über einen der | |
furchtbarsten NS-Täter gehalten hat. Schon früh wusste man im Kölner Amt, | |
dass sich [1][Adolf Eichmanns] rechte Hand, Alois Brunner, nach Syrien | |
abgesetzt hatte. Aber darüber schwieg man lieber, als es den Kollegen der | |
Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main mitzuteilen, die ein Verfahren gegen | |
den Flüchtigen eröffnet hatten. | |
Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass diese Art mörderischer Kumpanei | |
in der Bonner Republik allgegenwärtig war, ob beim BND, im Auswärtigen Amt | |
oder bei anderen Dienststellen – also eben auch beim Verfassungsschutz. | |
Weite Teile gerade der Geheimdienste hatten sich aus NS-belastetem Personal | |
rekrutiert. Deren Loyalität galt nur formal der neuen Demokratie. Sobald es | |
um ausgeschiedene Bandenmitglieder ihrer terroristischen Vereinigung ging, | |
waren Freundschaftsdienste angesagt, galt es doch, die alten Bande und | |
damit die eigene Karriere zu stärken. | |
Die Bonner Republik ist schon vor langer Zeit nach Berlin umgezogen. Die | |
alten Nazis sind längst gestorben, die in ihren Verstecken genauso wie die | |
in ihren Amtsstuben. So wäre die ganze Affäre eigentlich eine Angelegenheit | |
für Historiker. Doch der Verfassungsschutz hat bewiesen, dass das leider | |
ein Irrtum ist. | |
Denn der Inlandsgeheimdienst hat mit allen Mitteln dagegen gekämpft, dass | |
seine frühere Kumpanei zwischen Altnazis öffentlich wird. Dass das Amt | |
diesen Streit nun verloren hat, ist ein gutes Zeichen. Dass der | |
[2][Verfassungsschutz] aber überhaupt glaubte, dieses Geheimnis hüten und | |
vor hartnäckigen Nachforschungen bewahren zu müssen, ist ein Signal, dass | |
die Loyalitäten unter denjenigen, die das Grundgesetz schützen sollen, | |
nicht ganz so eindeutig sind, wie man es erwarten sollte. | |
Denn selbstverständlich zählt es zu den vornehmsten Aufgaben einer | |
staatlichen Behörde, eigene vor langer Zeit begangene Verfehlungen | |
öffentlich zu machen. Erst recht dann, wenn man von Amts wegen damit | |
betraut ist, die Verfassung zu bewahren. Wissen um Fehler kann bekanntlich | |
vor dem Begehen neuer Fehler bewahren. Wen aber glaubte das Amt mit seiner | |
Geheimnistuerei zu schützen? Die eigenen Nazis? Das macht wenig Sinn, denn | |
über denen wächst längst das Gras. | |
Viel näher liegender erscheint es, dass man die eigenen Fehler immer noch | |
nicht als solche erkannt hat. Nein, [3][Alois Brunner] wird nicht mehr | |
geschützt. Aber die lange, unselige Behördentradition scheint ungebrochen | |
zu sein. | |
30 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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