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# taz.de -- Investition in Indiens Gesundheitssektor: Ungesunde Entwicklung
> Die indische Gesundheitsversorgung wird weiter privatisiert.
> Entwicklungskredite der KfW-Tochter DEG drohen, Ungleichheit zu festigen.
Bild: Gesundheit ist in Indien immer öfter Geldsache: Krankenhaus im Sopore Di…
Mumbai taz | 300 Millionen Euro hat die staatliche deutsche Förderbank
Kreditanstalt für Wiederaufbau [1][in Indien während der Coronapandemie]
zur Verfügung gestellt. Das Geld sollte helfen, medizinisches Material zu
beschaffen und Nahrungsmittel für Bedürftige bereitzustellen. Hinzu kamen
Darlehen für Privatfirmen im Gesundheitsbereich, die über die KfW-Tochter
Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) vergeben wurden.
Für viele Unternehmen sind solche Finanzierer eine der wenigen
Möglichkeiten, an Kapital zu kommen, das andere Banken wegen der Risiken in
Entwicklungsländern in geringerem Umfang zur Verfügung stellen.
Vor allem diese Darlehen sollen aber kaum der breiten Bevölkerung zugute
gekommen sein, die auf staatliche und kommunale Einrichtungen angewiesen
sind. Das legen zwei aktuelle Studien nahe. Vorgelegt haben sie die
zivilgesellschaftlichen Organisation der SATHI aus Westindien und die
internationale Entwicklungsorganisation Oxfam.
Indien verfügt zwar über eine hervorragende private Gesundheitsversorgung
und ist längst auch ein beliebtes Ziel für den Medizintourismus. Allerdings
kommt beides praktisch ausschließlich zahlungskräftigen Kund:innen
zugute.
Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist dagegen massiv unterfinanziert.
Das hat zu einer immensen Abhängigkeit von den privaten Krankenhäusern
geführt, für die aber wiederum Regelungen wie beispielsweise
Gebührentabellen fehlen. So kann zwar theoretisch mehr als ein Drittel der
Bevölkerung über die 2018 eingeführte staatliche Krankenversicherung für
Geringverdiener:innen – „PM-JAY“ genannt – auch private Leistungen
bis zu einer Höhe von 5.600 Euro pro Familie in Anspruch nehmen. Den
Untersuchungen zufolge nutzen die medizinischen Einrichtungen jedoch immer
wieder Lücken aus, um Patient:innen doch für teure Behandlungen zahlen
zu lassen – oder ihnen Leistungen vorzuenthalten.
## Überhöhte Rechnungen
Konkret zeigt die [2][SATHI-Studie „Unterstützung von Patienten oder
Profiten?“] Beispiele, in denen private Krankenhäuser für überhöhte
Rechnungen, medizinische Fahrlässigkeit, Verletzung von
Behandlungsprotokollen verantwortlich sind. Dabei handelt es sich um
Krankenhäuser, die DEG-Darlehen erhalten haben und auch Patient:innen
unter der PM-JAY-Versicherung behandeln sollten.
Hintergrund ist laut den Expert:innen, dass die DEG ihre Investitionen
hauptsächlich auf öffentlich-private Partnerschaften gründet – etwa mit
Private Equity Fonds wie der im asiatischen Gesundheitswesen führenden
Quadra Capital. Quadra Capital ist in Singapur angesiedelt, das als
Steueroase gilt. Entsprechend intransparent ist die Datenlage. SATHI
kritisiert denn auch „die Abhängigkeit von undurchsichtigen, kommerziellen
Einrichtungen“, die sich „der öffentlichen Rechenschaftspflicht entzogen�…
Die SATHI-Autor:innen kritisieren auch das PM-JAY-Programm selbst, weil es
die Fokussierung auf die privaten Krankenhäuser verfestigt. Mit der Studie
vertraute Expert:innen betonen, die DEG habe offenbar weder
vertrauenswürdige Finanzierungsmodelle noch Prüfmechanismen für ihre
Projekte in öffentlich-privaten Partnerschaften. So würden
Patient:innenrechte durch die mit deutschen Steuergeldern
finanzierten Kredite indirekt verletzt.
## Fehl verwendete Entwicklungsgelder
Auch die Organisation Oxfam kritisiert die Fehlverwendung von
Entwicklungsgeldern im Gesundheitsbereich weltweit. In [3][der am Montag
vorgestellten Studie „Kranke Entwicklung“] kommt sie zu dem Schluss, dass
die Verteilung der Gelder schlecht kontrolliert werde. Im Ergebnis hätten
Menschen mit geringem Einkommen keinen oder wenig Zugang zu den Leistungen
der Gesundheitsversorgung. Bei Gesundheitsprogrammen in Nigeria und Indien
gebe es menschenrechtswidrige Geschäftspraktiken.
„Statt allgemein zugängliche Gesundheitsdienstleistungen zu fördern,
investieren europäische und internationale Entwicklungsbanken in
Elitenprojekte mit bedenklichem Geschäftsgebaren“, so Oxfam.
Die Studienverfasser warnen, dass Gesundheit ein lukrativer Markt sei. 2021
beliefen sich die weltweiten Investitionen in den Sektor durch
[4][internationale, bilaterale und multilaterale
Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen] auf 84 Milliarden US-Dollar – fast
die Hälfte der weltweiten öffentlichen Entwicklungshilfe.
Oxfam fordert, solche Finanzierungen durch europäische Entwicklungsbanken
zu stoppen. SATHI setzt auf Verbesserungen: mehr Transparenz über die
Entwicklungsfinanzierung und ihre Empfänger, eine umfassende Strategie für
den Gesundheitssektor und Modelle, die strukturelle Mängel in lokalen
Versorgungssystemen berücksichtigen.
26 Jun 2023
## LINKS
[1] /Uebersterblichkeit-in-der-Pandemie/!5901153
[2] https://www.rosalux.de/en/publication/id/50652/supporting-patients-or-profi…
[3] https://oxfam.app.box.com/v/kranke-entwicklung/file/1245735285685
[4] /IWF-und-Weltbank-auf-Fruehjahrstagung/!5924846
## AUTOREN
Natalie Mayroth
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