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# taz.de -- Erster Mai in Indien: 12 Stunden malochen in der Fabrik
> In Indien regt sich Protest gegen eine starke Flexibilisierung der
> Arbeitszeit. Ein Bundesstaat hat die 9-Stunden-Begrenzung pro Tag
> aufgehoben.
Bild: In Indien fordert die Bevölkerung faire Arbeitszeiten
Mumbai taz | Nur wenige gesetzliche Feiertage gibt es in Indien – der 1.
Mai ist einer dieser seltenen Tage. Vor 100 Jahren organisierten hier die
Gewerkschaften zum ersten Mal eine landesweite Demo, um ihren Forderungen
nach besseren Arbeitsbedingungen und Löhnen Gehör zu verschaffen. Seitdem
wird der 1. Mai als Tag der Arbeit begangen: Schulen, Büros und Banken
bleiben zu. Auf den Straßen, etwa in Mumbai, ist wenig los. Wirklich zum
Stillstand kommen Indiens Metropolen aber nur bei einem extra ausgerufenen
„Bharat Bhand“, einem Generalstreik.
Hatten die Gewerkschaften in den 70er und 80er Jahren in Indien großen
Einfluss und sogar die Macht, in Mumbai den Flughafen lahmzulegen, so
schwindet dieser Spielraum.
„1991 gab es durch die Globalisierung einen Einschnitt für die
Gewerkschaftsarbeit. Mittlerweile sind beispielsweise weite Teile der
Textilindustrie in den informellen Sektor abgewandert“, erklärt Shubha
Shamim von der Gewerkschaft Citu, die der Kommunistisch-Marxistischen
Partei Indiens nahe steht.
Gewerkschafter:innen wie Shamim beklagen, dass in den vergangenen
Jahren das obere Prozent der Inder:innen immer vermögender geworden ist.
Andererseits wächst mit der indischen Bevölkerung auch die Nachfrage nach
besser bezahlten Jobs. Einige davon lassen sich in der sogenannten
Gig-Economy im Dienstleistungsbereich finden, wie als Fahrer:in für Uber
und Co.
Auch [1][Technologieunternehmen wie Apple] interessieren sich zunehmend für
den indischen Markt, sowohl für den Absatz als auch für die Produktion. Das
macht sich im Arbeitsrecht bemerkbar. Die indische Regierung versucht nun,
Unternehmen entgegenzukommen, wie im südindischen Bundesstaat Karnataka.
Indien stehe im Wettbewerb mit Südkorea, Indonesien, Vietnam, Kambodscha
und Japan für Investitionen. „Nur mit flexiblen Arbeitsgesetzen können
Investitionen angezogen werden“, so der IT-Minister Karnatakas Ashwath
Narayan von der BJP.
## Regierung handelt auf Wunsch des Unternehmens
Ende Februar wurde eine Änderung des Fabrikgesetzes verabschiedet. Damit
ist Karnataka der erste indische Bundesstaat, der eine
Rund-um-die-Uhr-Produktion mit zwei 12-Stunden-Schichten erlaubt, wie sie
in chinesischen Fabriken üblich ist. Die Arbeitszeit kann nun von 9 auf 12
Stunden pro Tag erhöht werden, soll aber 48 Stunden pro Woche nicht
überschreiten.
Die lokale Regierung bestätigte, dass sie dies auf Wunsch der Firma Foxconn
getan hat. Der Ministerpräsident von Karnataka versprach, dass deren neue
iPhone-Fabrik 100.000 Arbeitsplätze schaffen würde, was wahrscheinlich der
Grund dafür ist, dass die Kritik bislang leiser war. Es wird aber
befürchtet, dass die Zentralregierung die Arbeitsgesetzgebung bis zu den
Parlamentswahlen 2024 aufschieben wird, um einen öffentlichen Gegenwind zu
vermeiden.
Die Flexibilisierung stößt aber immer wieder auf Kritik, da sie die
Teilnahme an Tarifverhandlungen oder Demonstrationen einschränkt. Es wird
auch befürchtet, dass längere Arbeitszeiten die Gesundheit und Sicherheit
der Arbeitnehmer gefährden könnten. Der All India Trade Union Congress, der
älteste Gewerkschaftsverband Indiens, forderte die Rücknahme des Gesetzes,
da sich die Verlängerung der Arbeitszeiten negativ auf die Löhne und
Arbeitsbedingungen auswirken würde, so der linke Gewerkschaftsverband.
Mitglieder des Zentrums der indischen Gewerkschaften (Citu) haben bereits
dagegen demonstriert. „Dies wird katastrophale Folgen für die Arbeitnehmer
im Bundesstaat haben und zu völliger Anarchie in der Verwaltung der
Arbeitsbeziehungen führen“, so Citu in einem Schreiben an den
Ministerpräsidenten von Tamil Nadu.
Der südindische Bundesstaat Tamil Nadu, in dem der Apple-Hauptzulieferer
Foxconn Technology Group das bislang größte [2][iPhone-Werk] des Landes
betreibt, stimmte zunächst einer Änderung der Arbeitszeiten zu, stoppte sie
dann aber wieder. Generell befürchten die Gewerkschaften eben, dass die
Zentralregierung die Arbeitsgesetzgebung bis zu den Parlamentswahlen 2024
auf Eis legt.
1 May 2023
## LINKS
[1] /Saudi-Aramco-wertvollstes-Unternehmen/!5854350
[2] /Kommentar-Apples-Umsatzeinbrueche/!5560127
## AUTOREN
Natalie Mayroth
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Arbeiterklasse
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Arbeitszeit
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