# taz.de -- Mumbai schließt Taubenhäuser: Glaubensfrage Vogelfütterung | |
> Die Stadt Mumbai schließt ihre 51 Taubenhäuser – das Gesundheitsrisiko | |
> sei zu hoch. Die Jain-Gemeinschaft fühlt sich in ihrem Glauben | |
> eingeschränkt. | |
Bild: Die Zahl der Tauben – hier vor dem Gateway of India – steigt in Mumba… | |
Mumbai taz | Frau Bhatia wohnt nur eine Viertelstunde zu Fuß vom Kabutar | |
Khana in Mumbais Stadtteil Dadar entfernt. Das Kabutar Khana ist eines der | |
bekanntesten Taubenhäuser der Stadt. „Der Geruch dort ist intensiv“, sagt | |
sie. Zu viel Vogelkot und Federn hingen in der Luft. „Wer dort entlang | |
muss, sollte besser eine Maske tragen“, fügt ihr Mann hinzu. Und: Statt | |
Vögel zu füttern, „sollte man lieber Kindern eine warme Mahlzeit geben“. | |
Der Besuch eines der 51 Taubenhäuser der Stadt war für viele Menschen | |
jahrzehntelang Gewohnheit. Oder sogar religiöses Gebot: So haben Tauben für | |
die [1][Jain-Gemeinschaft] eine besondere Bedeutung, sie zu füttern ist | |
Teil der Glaubensausübung. | |
Das Taubenhaus in Dadar liegt auf direktem Weg zum Bahnhof. Wer hier lebt | |
oder pendelt, muss sich zwischen Mensch und Tier durchschieben und hoffen, | |
nicht von Vogelkot getroffen zu werden. Doch seit Anfang August ist mit dem | |
Füttern Schluss. Das Kabutar Khana in Dadar wurde mit Planen verhängt. Der | |
Bombay High Court hatte zuvor die Schließung aller Taubenhäuser angeordnet | |
und dabei auf Gesundheitsrisiken wie Infektionen oder Atemwegserkrankungen | |
verwiesen. | |
Mediziner:innen und Medien warnen längst vor einer „[2][Taubenlunge]“. | |
Doch akzeptiert wird dieses Argument nicht überall. Einige wollen die Vögel | |
dennoch weiter füttern und riskieren dafür Strafen. Die Stadt plant, | |
Überwachungskameras zu installieren. Besonders im Stadtteil Dadar sorgt das | |
Verbot für einen anhaltenden Konflikt. | |
Insbesondere Angehörige der Jain-Gemeinschaft protestieren regelmäßig und | |
versuchten, die Planen herunterzureißen. „Die Jain-Gemeinschaft ist | |
friedlich, aber wenn nötig, werden wir die Waffen für unsere Religion | |
ergreifen“, drohte der Mönch Muni Nileshchandra Vijay und kündigte einen | |
Hungerstreik an. „Von Ameisen bis Elefanten sollten keine Lebewesen | |
verhungern – das lehrt unsere Religion.“ Seiner Meinung nach sei das Verbot | |
politisch motiviert, bedeute eine Gefahr für Hunderttausende Tauben. | |
Aktivisten wie Sneha Visaria nennen es „herzzerreißend“, dass die Tiere nun | |
hungern müssten. | |
## Tauben füttern als Ausdruck von Mitgefühl | |
Stadtchronist Bharat Gothoskar verweist auf die historische Dimension: „Als | |
Mumbai im späten 17. Jahrhundert ein Handelsposten war, luden Vertreter der | |
Britischen Ostindien-Kompanie Händler ein, darunter Hindus und Jains aus | |
Gujarat“, sagt er. Sie siedelten sich im Norden des Forts an und begannen | |
dort, Getreide an [3][Tauben] zu verfüttern – als Ausdruck von Mitgefühl | |
gegenüber allen Lebewesen. Obwohl die Festungsmauern vor 160 Jahren | |
abgerissen wurden, blieb der Ort als Kabutar Khana erhalten, weitere | |
Taubenhäuser kamen hinzu. | |
Laut Gothoskar sähen viele Gläubige in der neuen Gesetzgebung einen Angriff | |
auf ihre Religion. Sie haben zudem versucht, den obersten Gerichtshof als | |
höhere Instanz einzuschalten, doch der lehnte eine Einmischung ab. Das | |
Verbot bleibt vorerst bestehen. Die Debatte ist nicht neu. Bereits früher | |
gab es Überlegungen, die Taubenpopulation einzudämmen. Unterdessen nahm die | |
Zahl der Vögel weiter zu. Natürliche Feinde haben sie kaum. | |
Die Stadtverwaltung warnt, dass der aggressive Kot der Tauben Fassaden und | |
Statuen beschädigt. Einige ikonische Gebäude Mumbais haben bereits | |
Verfärbungen an den Fassaden oder angefressene Kuppeln. | |
Politiker:innen diskutieren nun über einen Mittelweg: kontrollierte | |
Fütterungszonen außerhalb dichter Wohngebiete, etwa in der Nähe des | |
Nationalparks. Der Streit um die Kabutar Khanas ist auch ein Ringen darum, | |
was im begrenzten Raum Mumbais Platz hat – und spaltet unterschiedliche | |
Gemeinschaften. | |
Für Frau Bhatia hat die Gesundheit der Bevölkerung Priorität, für viele in | |
der Jain-Gemeinschaft hingegen das Recht auf religiöse Tradition. | |
18 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.deutschlandfunk.de/jainismus-du-sollst-keine-tiere-essen-100.ht… | |
[2] https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/haut-und-allergie/vogelhalterl… | |
[3] /Stadttauben-in-Berlin/!6053294 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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