| # taz.de -- Reform des Straßenverkehrsgesetzes: Zum Jubeln zu früh | |
| > Die Regierung hat den Weg freigemacht für mehr Klimaschutz in der | |
| > Verkehrsplanung. Ob sich dadurch etwas ändert, hängt von der Reform der | |
| > StVO ab. | |
| Bild: Die Abkehr vom Pkw-Primat ist keine Marotte großstädtischer Fantast:inn… | |
| Das wurde auch Zeit: Die Ampelregierung hat [1][mit der Änderung des | |
| Straßenverkehrsgesetzes] den Weg frei gemacht für eine Modernisierung der | |
| Verkehrsplanung in den Kommunen. Denn mit der Novellierung verändert die | |
| Bundesregierung den Rechtsrahmen für die Verkehrspolitik in entscheidender | |
| Weise. Konkret: In Zukunft schreibt das Gesetz nicht mehr [2][den | |
| ungestörten Autoverkehr als Nonplusultra] vor, sondern stellt weitere | |
| Punkte gleichberechtigt daneben: Klimaschutz, Umweltschutz, Gesundheit und | |
| die städtebauliche Entwicklung. Umwelt-, Verkehrs- und Kommunalverbände | |
| fordern diese Abänderung schon lange. Mit den CSU-Verkehrsministern war das | |
| nicht zu machen. | |
| Ob mit der Novellierung die Abkehr vom Vorrang des Autos verbunden ist, | |
| muss sich zeigen. Das hängt davon ab, wie Bund und Länder die | |
| Straßenverkehrsordnung (StVO) ändern. Denn deren Regelwerk ist dafür | |
| verantwortlich, dass das Auto bislang bei der Verkehrsplanung sakrosankt | |
| war. Mit fatalen Folgen: Bisher ist es für Städte und Gemeinden sehr | |
| schwierig, [3][Tempo 30 für den Autoverkehr], Zebrastreifen, Radspuren oder | |
| verkehrsberuhigte Zonen einzurichten. Wollen sie Parkgebühren erheben, | |
| müssen sie Straßenzug für Straßenzug nachweisen, dass das wirklich nötig | |
| ist. Ansonsten drohen Klagen und schlimmstenfalls das Abschrauben der | |
| Schilder oder der Abbau von Radwegen. Kommunen können auch keine neuen | |
| Konzepte ausprobieren: etwa [4][Parkgebühren sozial staffeln] oder | |
| Car-Sharing-Fahrzeugen Vorrang einräumen, damit der Anreiz steigt, das | |
| eigene Auto abzuschaffen. | |
| ## Sie öffnet Möglichkeitsfenster | |
| Sie werden das nur können, [5][wenn die Reform der StVO entsprechend | |
| ausgeht]. Dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing hier keinen großen | |
| Wurf vorgelegt hat, überrascht nicht – schließlich ist er ein Fürsprecher | |
| des Autos. Es kommt jetzt auf die Beharrlichkeit und das | |
| Verhandlungsgeschick derjenigen an, die echte Handlungsspielräume für die | |
| Kommunen wollen. Sie müssen dafür sorgen, dass die StVO entrümpelt wird. | |
| Leicht wird das nicht. | |
| Zum Jubeln ist es also etwas zu früh. Aber die Novellierung insgesamt | |
| abzuqualifizieren, weil sie noch keine Absage an den Autoverkehr ist, wie | |
| es etwa die Deutsche Umwelthilfe macht, trifft die Sache ebenfalls nicht. | |
| Denn die Gesetzesänderung öffnet Möglichkeitsfenster, sie ist ein großer | |
| Schritt in die richtige Richtung. Viele Bürger:innen und | |
| Kommunalpolitiker:innen warten darauf, dass die Modernisierung des | |
| Verkehrs endlich beginnen kann. Die [6][Initiative von mehr als 750 | |
| Kommunen] mit Bürgermeister:innen aller politischer Richtungen für | |
| Tempo 30 zeigt, dass die Abkehr vom Pkw-Primat keine Marotte | |
| großstädtischer Fantast:innen ist – auch wenn autophile | |
| Kulturkämpfer:innen das gerne so darstellen. | |
| 23 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
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