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# taz.de -- Marmelade aus Kroatien: Im Garten, wo alles begann
> Als Journalistin war Sandra Babac oft unterwegs. Dann wurde ihre Tochter
> geboren und sie wollte das nicht mehr. Da sah sie reife Feigen.
Bild: Sandra Babac prüft, ob die Feigen schon reif sind. Geben wir ihnen noch …
Zadar taz | Der Feigenbaum, mit dem alles begann, schmiegt sich dicht an
die Terrasse des Elternhauses von Sandra Babac. Es war ein heißer Augusttag
im Jahr 2003, als Babac – in den Armen ihre kürzlich geborene Tochter –
unter diesem Baum Platz nahm und sich überlegte, wie es beruflich
weitergehen soll.
Als Musikjournalistin arbeiten, oft bis spät nachts und dauernd unterwegs,
wollte sie als Mutter nicht mehr. Vielleicht, dachte sie, muss ich etwas
Eigenes erfinden. „In diesem Moment fiel mein Blick auf die [1][Feigen, die
vor mir auf der Erde lagen]“, erzählt Babac heute, 20 Jahre später.
Sie sammelte die Früchte auf, kochte sie im Garten auf offenem Feuer zu
Marmelade ein, verteilte sie an Freunde und Familie. Da alle begeistert
waren, stellte sie ein Schild an der Straße auf: „Hausgemachte
Feigenmarmelade zu verkaufen“ stand dort auf [2][Kroatisch] und – weil in
Norddalmatien viele Reisende unterwegs sind – auf Englisch, Italienisch und
Deutsch.
Šinjorina Smokva, Fräulein Feige, war geboren. Eine Marmelade mit nur einer
Zutat: Feigen aus dem eigenen Garten. Aus den anfänglich drei sind
mittlerweile viele hundert Bäume geworden, verteilt auf den 2.500
Quadratmetern Grund, die sich rund um ihr Elternhaus im Hinterland von
Zadar erstrecken. Das Grundstück liegt am Ende einer staubigen Straße. Wie
eine schwere Decke liegt die Juli-Hitze über der flachen Landschaft. Am
dunstigen Horizont zeichnet sich das Velebit-Gebirge ab, dessen Gipfel fast
2.000 Meter in den Himmel ragen.
## Mandarinen mit Schale verarbeiten
Barfuß und braungebrannt kommt Sandra Babac über den Hof, um ihre Gäste zu
begrüßen. Als sie merkte, dass sie mit ihrer Idee Geld verdienen kann, zog
die Familie [3][zurück aufs Land], anfangs in eine Wohnung über der Garage,
später in einen zweigeschossigen Neubau, den sie neben dem Haus ihrer
Eltern errichteten.
Der Garten ist überraschend grün. Die Gegend rund um Zadar hat rund 107
Regentage im Jahr – so viele wie Berlin. Im Sommer ist es oft schon
vormittags über 30 Grad, der Winter aber ist kühl. In den kalten Monaten
trägt der Bura-Wind das feine Meersalz von der nahen dalmatischen Küste ins
Landesinnere, wo es sich wie Puderzucker auf Häuser, Felder und Bäume legt.
„Man schmeckt es, wenn man die Feigen ableckt“, sagt Babac. Nach besonders
windigen Tagen müssen die Bäume abgeduscht werden, „sonst würden die
Früchte austrocknen“. Eine salzige Note aber bleibt. Und verleiht den
dalmatischen Feigen, zusammen mit der Sommersonne, ihren besonderen
Geschmack.
Feigen werden in Dalmatien gerne als Königin unter den Früchten beworben.
Betörend süß, gar aphrodisierend sollen sie sein. Sandra Babac sagt: „In
der Realität werden sie bei uns eher wie Cinderella behandelt.“ Übersehen
und – da sie überall wächst – gering geschätzt. Bis die im ersten Jahr n…
gepflanzten Bäume Früchte trugen, erntete Babac die Feigen aus den Gärten
der umliegenden Anwohner. „Keiner hat sie gesammelt. Dabei sind sie so
gesund und köstlich“, sagt sie. „Sie halten jung, stecken voller wertvoller
Inhaltsstoffe und haben viel weniger Kalorien als getrocknete aus dem
Supermarkt.“
Auch die meisten Marmeladen werden aus getrockneten oder gefrorenen Feigen
gemacht. Sandra Babac verwendet nur frische Früchte. „Wir ernten sie von
Hand, wenn sie auf den Punkt reif sind und verarbeiten sie sofort“, sagt
sie und geht zu einem der Bäume, die direkt hinter dem Haus wachsen. Sachte
drückt sie auf eine der Früchte, reißt sie auseinander.
„Ein paar Wochen noch, dann können wir die ernten.“ Dabei hilft die ganze
Familie, vor allem ihr Mann, der gerade auf einem alten Trecker auf den Hof
gefahren kommt. Für einen kurzen Moment durchbricht der hustende Motor die
Mittagsruhe, dann ist es wieder still.
Mittlerweile arbeitet Babac’ Mann Vollzeit im Betrieb. Denn mit den Jahren
kamen immer neue Fruchtsorten hinzu: Mandarinen – komplett mit Schale
verarbeitet, da diese „so viel Gutes enthält und schöne Bitterstoffe
mitbringt“. Quitten, Pflaumen und kleine dunkelrote Maraska-Kirschen, die
man im Ausland meist nur in Form von Maraschino-Likör oder als zuckersüße
Cocktailkirschen kennt.
Bei Sandra Babac werden sie zu Šinjorina Maruška und wie bei all ihren
Marmeladen gilt: nur Früchte aus ökologischem Anbau, kein Zucker, keine
Aromen, keine Konservierungsstoffe. Selbst die kulinarisch stolzen
Franzosen hat sie damit überzeugt.
Babac erzählt, wie sie ihre Feigenmarmeladen vor Jahren auf einer Messe im
Elsass vorstelle. Die zuvor kontaktierten französischen Händler hatten
abgelehnt: Vorrang für Feigenmarmelade aus Frankreich! Und dann, auf der
Messe, waren ihre Produkte als Erstes ausverkauft.
Produziert werden sie in der kleinen Werkstatt, die sich im Erdgeschoss
ihres Hauses befindet. Herzstück ist „Baltazar“, der einzig technische
Helfer des Familienbetriebs, bestehend aus diversen Kesseln, Zylindern und
Trichtern, die über Rohre miteinander verbunden sind. Schaut kompliziert
aus.
Im Grunde aber, sagt Babac, sei es ganz einfach: Die Früchte werden
gewaschen, dehydriert, sodass die Flüssigkeit verdampft, und anschließend
unter Vakuum eingekocht. „Übrig bleibt die Essenz der Frucht.“ Ein
Kunstwerk, wie sie sagt, erschaffen von der Natur.
## Zur Feigenmarmelade ein Schafskäse
Warum nicht auch Kunstwerke für die Verpackung nehmen, dachte sie sich, und
druckte Albrecht Dürers Eva auf das Etikett ihrer ersten Marmelade. Nackt,
lediglich von einem Feigenblatt bedeckt. Auf der Pflaumenmarmelade räkelt
sich eine leicht bekleidete Dame zwischen Bettlaken, auf der Kirsche gibt
es zarte Küsse und nackte Brüste, auf der Quitte pralle Pobacken.
Die freizügigen Motive gefallen nicht jedem. Den Organisatoren eines in
Dubrovnik stattfindenden EU-Treffens etwa, die Hemmungen hatten, ihre
Marmeladen in die Give-Away-Tüten zu packen. „Ich verstehe das nicht“, sagt
Babac, „es ist doch Kunst! Diese Werke hängen weltweit in Museen!“
Ihre Marmeladen hingegen sind außerhalb Kroatiens kaum zu finden. Der
Export ist teuer und die Suche nach Vertriebspartnern für den kleinen
Familienbetrieb aufwändig. Wer [4][in Kroatien Urlaub macht], kann sich an
den großen Flughäfen der Region eindecken, in einigen Souvenirshops und
seit Kurzem auch in Filialen der Supermarktkette Kaufland.
Man kann Sandra Babac aber auch einfach auf ihrem Hof besuchen. „Ich freue
mich immer über Besuch“, sagt sie, und man glaubt es ihr sofort. „Einfach
kurz Bescheid geben. Ich zeige auch gerne die Produktion und natürlich kann
man die Marmeladen auch verkosten.“ Dafür lädt sie an den großen Holztisch
ins Wohnzimmer der Familie. Von der Decke baumelt ein selbstgebastelter,
feigenförmiger Lampenschirm. An den Wänden hängen bunte Kunstwerke,
Familienfotos und Kinderzeichnungen.
Zur Feigenmarmelade serviert sie würzigen Schafskäse von der nahen Insel
Pag. Man schmeckt die Wildkräuter und das vom Bura-Wind gesalzene Gras, das
die Schafe gefressen haben. Als Nächstes stellt sie Schälchen mit
griechischem Joghurt und Feigenmarmelade auf den Tisch. „Ich esse sie auch
total gerne mit gebratenem Speck, Ricotta, Kapern und Öl.“
Zur Mandarine empfiehlt sie geraspelte Schokolade oder Fisch, Quitte
wiederum schmecke gut mit Fleisch. Pršut etwa, dem kroatischen, im Wind
getrockneten Bruder des Prosciutto. Man könne die Marmeladen auch in
Smoothies mixen, in Gin oder mit Wasser zur Fruchtschorle. „Oder einfach
pur essen“, sagt Babac und nascht den letzten Rest Mandarinenmarmelade aus
dem Glas.
18 Jun 2023
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## AUTOREN
Verena C. Mayer
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