# taz.de -- Streit über Heizungsgesetz: Klimapolitik statt Kulturkampf | |
> Die einen blockieren Autofahrer:innen, die anderen das Heizungsgesetz. | |
> Damit Deutschland seine Klimaziele einhalten kann, muss einiges geändert | |
> werden. | |
Bild: Klimapolitik als Kulturkampf? Minister Habeck und SPD-Fraktionsführer M�… | |
Die Berliner Ampelkoalition und die Letzte Generation haben eines | |
gemeinsam: Beide machen Klimapolitik zurzeit zum Kulturkampf statt im | |
Konsens. | |
Die einen blockieren Autofahrer:innen, die Ampel blockiert sich im | |
Streit über das Heizungsgesetz gegenseitig. [1][Das Gesetz für den | |
Heizungstausch], technisch Gebäudeenergiegesetz, sollte bereits vom | |
Bundestag beraten werden, doch die FDP klebte sich gewissermaßen vor den | |
Reichstag mit der Ansage: Das Gesetz muss zurück in die Werkstatt. | |
Die Ampel steht im Stau, so wie Tausende Pendler:innen. Beides schadet dem | |
Klima. Denn die Erderwärmung kann nur begrenzt werden, wenn am Ende alle | |
mitziehen. Ohne den Gebäudesektor, wo 40 Prozent der klimaschädlichen | |
Emissionen anfallen, auf neutral zu trimmen, wird es Deutschland nicht | |
schaffen, [2][die Klimaziele bis 2045 einzuhalten], sprich kein | |
zusätzliches Gramm CO2 mehr in die Atmosphäre zu blasen. Die Ampel muss die | |
Wärmewende also hinbekommen. Damit das gelingt, sollten gerade die Grünen | |
einige Fehler nicht wiederholen. | |
Erstens: Nicht das Momentum verspielen. Als die Ampel im Frühjahr 2022 | |
entschied, den Heizungstausch auf 2024 vorzuziehen, hatte Wladimir Putin | |
gerade die Ukraine überfallen, die deutschen Gasspeicher waren nur noch zu | |
einem Viertel gefüllt [3][und alle hatten Angst zu frieren]. Also raus mit | |
den Gasheizungen, her mit den Alternativen. | |
Das Wirtschaftsministerium unter Führung von Robert Habeck arbeitet im | |
Folgenden aber erst mal daran, den Gasmangel zu beheben. Ein gutes Jahr | |
später erscheint es nicht mehr so dringend, die Gasheizung auszutauschen. | |
Habeck ist Opfer des eigenen Erfolgs und hätte wohl schon im letzten Jahr | |
Pläne für die Wärmewende vorlegen müssen. | |
## Vielen anderen ist Klimaschutz auch wichtig | |
Zweitens: Den Eindruck vermeiden, Klimaschutz ist nur einem selbst wichtig, | |
alle anderen hätten den Ernst der Lage nicht begriffen. Ein Mantra, [4][das | |
die Klimaaktivist:innen vor sich her tragen], das jedoch auch die | |
Grünen ausstrahlen, mit ihrem „Wir sind wohl die Einzigen, die fürs Klima | |
zuständig sind“. Das ist erstens falsch, auch SPD und FDP, Linke und die | |
Mehrheit der Unions-Wähler:innen wollen Klimaschutz. Und zweitens | |
produziert so eine Selbstanmaßung nur Verdruss und Widerstand. | |
Drittens: Klimaschutz sollte man nicht wie Medizin verkaufen, nach dem | |
Motto: Schmeckt nicht, hilft aber. Verbote schmecken meistens scheußlich, | |
auch wenn sie wie beim Gebäudeenergiegesetz erst mal für Neubauten gelten | |
oder havarierte Heizungen betreffen. Auch die Grünen sollten mehr auf | |
Anreize und Förderung statt auf gesetzliche Vorgaben vertrauen. | |
Habeck mag noch so sehr versichern, dass Wärmepumpen die derzeit | |
effizienteste Technik sind, um Heizenergie klimaneutral bereit zu stellen – | |
viele Menschen sind dennoch misstrauisch. Spätestens ab 2027, wenn der | |
europäische CO2 Preis auch für Gebäude gilt und die Heizkosten zusätzlich | |
in die Höhe treibt, werden auch die treusten Fans der Gasheizung anfangen, | |
nach „[5][Wärmepumpe oder Alternative]“ zu suchen. | |
Und die staatliche Förderung dürfte die Einsicht noch verstärken. Selbst in | |
Dänemark, wo schon vor zehn Jahren ein Verbot von Gas- und Ölheizungen | |
beschlossen wurde, gibt es übrigens kein absolutes Verbot für neue | |
Ölheizungen. Sie können auch jetzt noch eingebaut werden, wenn es keinen | |
Anschluss an das Fernwärmenetz gibt. | |
## Kommunen helfen, Stadtwerke klimaneutral machen | |
Das führt zum vierten Fehler, nämlich zu versuchen, bis ins letzte Häuschen | |
vorzudringen, anstatt auf große Einheiten zu setzen. Noch mal zu Dänemark: | |
Dort sind rund 70 Prozent der 2,6 Millionen Haushalte an das Fernwärmenetz | |
angeschlossen. In Deutschland sind es knapp 10 Prozent. | |
Fernwärme als Alternative kommt derzeit viel zu kurz, das Gesetz zur | |
kommunalen Wärmeplanung soll erst Mitte Oktober in den Bundestag. Es wäre | |
gescheiter gewesen, das vorzuziehen und den Kommunen finanziell zu helfen, | |
Stadtwerke klimaneutral zu machen und neue Fernwärmenetze zu schaffen. So | |
könnten viele Haushalte zentral und klimafreundlich mit Wärme versorgt | |
werden, anstatt viel Geld und Energie zu investieren, damit Millionen | |
Menschen im Vorgarten eine Wärmepumpe hinpflanzen. | |
Und fünftens darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass hinter dem | |
Klimaschutz alles andere zurückstehen müsse. Als Habeck das | |
Heizungstauschgesetz vorstellte, hatte er zum sozialen Ausgleich nur | |
Allgemeinplätze parat. Inzwischen haben die Grünen zwar mit einem Konzept | |
nachgezogen, doch die [6][Kampagne gegen den „Heizungs-Hammer“ lief | |
bereits]. Klimaschutz, den die Reichen sich leisten können und den die | |
Armen ertragen müssen, spaltet die Gesellschaft. Noch mehr als es bereits | |
der Fall ist. Klimaschutz und Soziales müssen zusammengedacht werden. | |
26 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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