# taz.de -- Bürgermeister Bovenschulte vor der Wahl: Der Retter der Bremer SPD | |
> Mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte sitzt die Bremer SPD wieder fest | |
> im Sattel. Eine demütigende Wahlniederlage wie 2019 wird es dieses Mal | |
> wohl nicht. | |
Bild: Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel: Andreas „Bovi“ Bovenschulte | |
BREMEN taz | Am Ende sieht es so aus, als hätte Bürgermeister Andreas | |
Bovenschulte die SPD in Bremen gerettet. Ganz egal, wer mit den | |
Sozialdemokraten künftig hier regieren darf – Linke & Grüne oder die CDU. | |
Bei der letzten Landtagswahl 2019 war die SPD erstmals seit Kriegsende | |
nicht mehr die stärkste Kraft geworden. Das war fraglos eine schlimme | |
Schmach für die Sozialdemokratie. „Diese Scharte wollen wir auswetzen“, | |
sagt Bovenschulte. Die Chancen dafür stehen gut: Laut Umfragen steht die | |
SPD bei 30 Prozent und die CDU mit 27 knapp dahinter, auch wenn das nach | |
einem Kopf-an-Kopf-Rennen aussieht. | |
2019 waren es die Grünen, die aussuchen durften, ob sie mit der stärkeren | |
CDU oder der SPD regieren wollten. Sie konnten zwischen SPD und Linken auf | |
der einen und CDU und FDP auf der anderen Seite wählen. Eine | |
Jamaika-Koalition ist aber kaum mit dem linken Selbstverständnis der Bremer | |
Grünen vereinbar. Inzwischen sieht es nicht mehr so gut aus für sie, letzte | |
Umfragen bescheinigen ihnen große Verluste. | |
Die SPD hingegen saß schon kurz nach ihrer historischen Niederlage wieder | |
fest im Sattel, und das hat viel mit Bovenschulte zu tun. Der fast zwei | |
Meter große Mann ist landesväterlicher, als sein Vorgänger [1][Carsten | |
Sieling] es je sein konnte. Und für einen Bremer Bürgermeister ist das | |
schon immer eine der wichtigsten Qualifikationen gewesen. „Er ist bei | |
vielen die einzige Person, die überhaupt politisch wahrgenommen wird“, sagt | |
der [2][Politologe Andreas Klee] von der Uni Bremen. Programmatisch gehört | |
Bovenschulte wie sein Vorgänger klar zum linken SPD-Flügel. | |
Am Montag war er in der Berliner Parteizentrale zu Gast, der Parteivorstand | |
hat gerade eine Nationale Hafenstrategie entworfen, Parteichefin Saskia | |
Esken präsentiert sie gemeinsam mit dem Bremer Spitzenkandidaten. Doch die | |
norddeutschen Häfen interessieren kaum jemanden, im Zentrum der | |
Pressefragen steht der Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt am Mittwoch. | |
## „Unaufgeregt und ordentlich durch die Krise gebracht“ | |
Bovenschulte sieht hier wie seine Länderkolleg:innen noch gewaltigen | |
Redebedarf. Eine Beschlussvorlage aus dem SPD-geführten Kanzleramt wird von | |
allen 16 Ländern abgelehnt. Bovenschulte ist sorgsam bemüht, die | |
Kontroverse nicht als parteipolitischen Streit darzustellen, sondern als | |
klassischen Bund-Länder-Konflikt. Das Thema Migration will er aus dem | |
Wahlkampf lieber raushalten. | |
In Bremen kennen den heute 57-jährigen „Bovi“ viele noch als Juso oder als | |
Strippenzieher in der SPD, deren Landesvorsitzender er bis 2013 war, drei | |
Jahre lang. Danach regierte der promovierte Verwaltungsjurist lieber | |
erstmal im Rathaus einer kleinen niedersächsischen Umlandgemeinde namens | |
Weyhe. Er blieb dort auch 2015, als mit Jens Böhrnsen schon mal ein | |
SPD-Bürgermeister in Bremen wegen der Stimmenverluste bei der Landtagswahl | |
zurücktreten musste. [3][Klar war schon damals], dass Bovenschultes große | |
Zeit noch kommen würde. | |
Rot-rot-grün habe Bremen „unaufgeregt und ordentlich durch die Krise | |
gebracht“, sagt nun der Bürgermeister im Willy-Brandt-Haus, wenn man ihn | |
nach einer Bilanz fragt. Sprich, während die letzte [4][Bremer | |
Dreierkoalition], eine Ampelregierung, Anfang der Neunziger auch deshalb | |
scheiterte, weil ihre so männlichen wie egozentrischen Protagonisten die | |
Landespolitik als das Zukunftslabor für die ganze Republik inszenieren | |
wollten, war das bei R2G in Bremen von Anfang an anders. „Nicht zu hoch | |
hängen“ solle man die Sache mit dem vermeintlichen Signalcharakter dieses | |
Bündnisses, sagte Bovenschulte gleich zu Beginn seiner Amtszeit. | |
Wie gründlich ihn die langjährige, mittlerweile geschiedene Ehe mit der | |
ehemaligen Staatsrätin Ulrike Hiller (SPD) feministisch sozialisiert hat, | |
stellte er kurz vor dem ersten Lockdown unter Beweis: Anlässlich des | |
Internationalen Frauentags hatte ihn die Landesfrauenbeauftragte zu einer | |
feministischen Variante von „Zimmer Frei“ auf eine Theaterbühne geladen – | |
das WG-Casting bestand er mit Bravour. | |
## Steile Lernkurve | |
Statt eines gönnerhaften Chauvinismus, wie ihn der letzte ähnlich populäre | |
Bremer Bürgermeister, Henning Scherf, an den Tag gelegt hatte, glänzte Bovi | |
mit Sachkenntnis und referierte aus dem Stegreif die beiden sich diametral | |
gegenüberstehen frauenpolitischen Positionen zu Prostitution. Er bekannte, | |
dass er zwar Sorge um seine beiden Töchter hatte, wenn diese als Teenager | |
nachts in der Stadt unterwegs waren. Er sagte aber auch, es sei falsch, | |
Mädchen beizubringen, sie seien hilflose Geschöpfe, die besser zu Hause | |
blieben. | |
Dass er bis dahin eine steile Lernkurve hingelegt hätte, erzählte an diesem | |
Frauentag die linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner, die mit | |
Bovenschulte vor 30 Jahren an der Bremer Uni Hochschulpolitik gemacht | |
hatte. Ein aus jener Zeit stammender Comic porträtiert ihn als mackerigen | |
Studi-Politiker mit langer Mähne. Später verzichtete Ulrike Hiller für ihn | |
auf ihre eigenen politischen Ambitionen – nur einer von beiden konnte im | |
Bremer Senat sitzen. | |
In Bremen braucht es zwar keinen feministischen Bürgermeister, um | |
Frauenpolitik durchzusetzen, aber es hilft. So hatte das Bremer | |
Konjunkturpaket zur Abmilderung der Pandemiefolgen einen | |
geschlechtspezifischen Fokus. „[5][Wir hatten im vergangenen Jahr das | |
höchste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer]“, betont Bovenschulte immer | |
wieder, „das gab es seit 50 Jahren nicht“. Laut der [6][Bremer | |
Arbeitnehmerkammer] entstanden 2022 fast 5.600 neue Stellen, vor allem in | |
den wissensintensiven Dienstleistungen und in der Logistik. | |
Heute schreiben die Bremer:innen bei Umfragen der CDU die meiste | |
Kompetenz zu, wenn es um Bildung, Verkehr oder die Kriminalitätsbekämpfung | |
geht, bei der Wirtschaft aber liegt die SPD vorne. Bei einer Direktwahl | |
hätte Herausforderer Frank Imhoff (CDU), der Landtagspräsident, keinerlei | |
Chance. Bovenschulte wirkt sympathisch, ohne sich anzubiedern, und wenn er | |
– und das passiert oft! – bei Terminen zur Gitarre greift, wirkt das nie | |
wie aufgesetzt, nie peinlich. Bovenschulte hat früher Rockmusik gemacht, | |
kann meist einen passenden Song zitieren und hat eine selbstgefertigte | |
Spotify-Playlist namens „Bovis Beats“, auf der auch mal Punk zu hören ist. | |
Knapp die Hälfte der Wahlberechtigten stellt in Umfragen R2G ein positives | |
Zeugnis aus. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) lobt | |
Bovenschulte als „Vorbild“, Amtskollege Peter Tschentscher (SPD) aus | |
Hamburg sagt: „An-dreas weiß, was er will“. Der legt sich noch nicht auf | |
eine Koalition fest. Aber das Meiste spricht für Rot-rot-grün. | |
12 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Carsten-Sieling-kandidiert-nicht-mehr/!5870342 | |
[2] /Politologe-ueber-Bremer-Wahlkampf/!5927307 | |
[3] /Andreas-Bovenschulte-ueber-R2G-und-Geno/!5638477 | |
[4] /Rot-Rot-Gruen-in-Bremen/!5617278 | |
[5] https://www.kreiszeitung.de/lokales/bremen/bremen-wahl-andreas-bovenschulte… | |
[6] https://www.arbeitnehmerkammer.de/lagebericht2023?fbclid=IwAR0RlRccjMFoPMmT… | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
Eiken Bruhn | |
Anna Lehmann | |
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