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# taz.de -- Polizist tötet Jugendlichen in Nanterre: Frankreich tut weh
> Im Pariser Vorort Nanterre hat ein Polizist einen Jugendlichen erschossen
> – schon wieder. Dieses Mal meldet sich auch Fußballstar Kylian Mbappé zu
> Wort.
Bild: Polizeieinsatz in Nanterre in der Nacht auf Mittwoch
Im Pariser Vorort Nanterre hat am Dienstagvormittag ein Verkehrspolizist
einen Jugendlichen im Verlauf einer Kontrolle mit seiner Dienstwaffe
tödlich verletzt. Der 17-Jährige am Lenkrad eines Pkw habe versucht, sich
einer polizeilichen Überprüfung seiner Papiere zu entziehen, und damit die
beiden Beamten in Gefahr gebracht. Darum habe der Polizist zu seiner
Verteidigung „in angemessener Weise“ reagiert, lautete dazu die erste
offizielle Version. Suggeriert wurde damit, dass der Polizist zu seiner
eigenen Verteidigung geschossen habe oder schießen musste.
Doch die Zweifel an dieser Notwehrthese sind erheblich: Im Internet war
wenig später [1][ein Video der Kontrolle] zu sehen. Darauf ist deutlich zu
erkennen, wie einer der Polizisten neben dem gestoppten gelben Mercedes den
Fahrer mit seiner Pistole bedroht. Trotz des Verkehrslärms ist zu hören,
wie einer der beiden Beamten unter anderem schreit: „Du bekommst eine Kugel
in den Kopf!“ Daraufhin setzt sich das Fahrzeug im Schritttempo in
Bewegung, und der verhängnisvolle Schuss fällt, der Wagen rollt noch ein
paar Meter weiter, bis er an ein Verkehrsschild prallt. Der in der
Herzgegend verletzte Jugendliche starb wenige Minuten später nach
vergeblichen Wiederbelebungsbemühungen der Sanitäter einer Ambulanz.
Während Politiker des rechtspopulistischen Rassemblement national und der
konservativen Partei Les Républicains sogleich das Vorgehen der Polizei in
Nanterre verteidigten und deren Recht auf eine besondere Unschuldsvermutung
in ihrem gefährlichen Kampf gegen Verbrecher unterstreichen, kommt von
links scharfe Kritik an einer [2][längst notorischen Polizeigewalt] und dem
laxen Umgang mit ihr von vorgesetzten Stellen und der Justiz.
Auf Druck der Polizeiverbände wurde 2016 der Waffeneinsatz gelockert. In
der Folge haben die tödlichen Zwischenfälle sprunghaft zugenommen. Allein
im Jahr 2022 sind 13 Personen von Polizisten getötet worden, weil sie sich
angeblich der Kontrolle und einer eventuellen Festnahme entziehen wollten.
Nur gegen fünf Beamte wurden Ermittlungen eingeleitet.
## „Diese Situation ist unerträglich.“
Da sich diese Tragödien vor allem in konfliktreichen Außenquartieren
ereignen und die Todesopfer meistens Jugendliche mit Migrationshintergrund
sind, ist in Anspielung an den emblematischen Fall George Floyd von einer
„Amerikanisierung der französischen Polizei“ die Rede. Der Fußballstar
Kylian Mbappé, der sich früher schon zum Thema Polizeigewalt geäußert
hatte, erklärte auf Twitter: „Mein Frankreich tut mir weh, diese Situation
ist unerträglich.“
Ausnahmsweise hat sich diesmal nun selbst Innenminister Gérald Darmanin,
der sich sonst immer hinter seine Polizisten stellt, entsetzt geäußert: Die
Bilder auf dem fraglichen Video seien „extrem schockierend“ und könnten
„eine solche Reaktion (des Polizeibeamten) keinesfalls rechtfertigen“,
sagte er vor Abgeordneten der Nationalversammlung.
Bereits wenige Stunden nach dem Vorfall kam es in Nanterre zu heftigen
Protesten gegen die Polizeigewalt, ein kommunales Gebäude wurde in Brand
gesteckt. In der Nacht auf Mittwoch gab es dann in zahlreichen
Vorstadtquartieren in der Hauptstadtregion, aber auch anderen Landesteilen
gewaltsame Zusammenstöße von jugendlichen Demonstrierenden mit der Polizei,
dabei wurden nach Angaben des Innenministeriums rund 20 Beamte verletzt.
Rund 30 Personen seien festgenommen worden.
28 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.lemonde.fr/societe/video/2023/06/28/adolescent-tue-par-un-polic…
[2] /Polizeipraefekt-von-Paris-geht/!5864032
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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