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# taz.de -- Polizeigewalt in Frankreich: „Unerklärlich und unentschuldbar“
> In Nanterre nahmen Tausende am Trauermarsch für den von der Polizei
> erschossenen 17-Jährigen teil. 40.000 Polizisten wurden landesweit
> mobilisiert.
Bild: Die Mutter von Nahel beim Protest gegen Polizeigewalt in Nanterre
Paris taz | Mit einem Trauermarsch nach dem Tod eines Jugendlichen bei
einer Polizeikontrolle in einem Vorort von Paris haben am
Donnerstagnachmittag Tausende Menschen Gerechtigkeit für den 17-Jährigen
gefordert. Bei dem Umzug in Nanterre trugen viele weiße T-Shirts, aber auch
Schilder, auf denen „Die Polizei tötet“ stand. Das machte den Marsch eher
zu einer Demo.
Die Mutter des Erschossenen saß in einem T-Shirt mit der Aufschrift
„Justice pour Nahel 27-6-2023“ auf einem kleinen Laster in der Mitte des
Zuges. Sie hatte zum Marsch in Weiß, aber auch zur „Revolte“ ausgerufen.
Der Marsch wurde zusammen mit der lokalen Stadtbehörden organisiert und
verlief zunächst friedlich.
Die Mutter ist untröstlich: „Er war alles für mich, sie haben mir mein Baby
weggenommen, er war noch ein Kind für mich“, klagt sie seit Dienstag. Sie
hatte ihren Sohn Nahel allein aufgezogen.
Er war an jenem Tag in Begleitung von zwei Freunden am Steuer eines
Fahrzeugs, als dieses von einer Polizeipatrouille in Nanterre gestoppt
wurde. Wie nachträglich in einem [1][Video] zu sehen ist, zückt einer der
beiden Motorradpolizisten seine Dienstwaffe und zielt auf den Fahrer. Als
der Gas gibt, fällt der tödliche Schuss.
## Von Notwehr kann Polizeigewerkschaft nicht sprechen
Heute fällt es auch den Polizeigewerkschaften, die sonst immer Notwehr in
ähnlichen Situationen geltend machen, ziemlich schwer, das Vorgehen ihres
38-jährigen Kollegen von der Verkehrspolizei zu rechtfertigen. Der Grund
dafür ist das Video.
Es hat in Frankreich fast den Effekt der unerträglichen Bilder des Tods von
George Floyd, der 2020 im US-Staat North Carolina von einem Polizisten
getötet worden war. Für die schärfsten Kritiker aus den Reihen der Politik
und von Prominenten ist das Video der Beweis für eine schockierende und in
den letzten Jahren mutmaßlich zunehmende Polizeigewalt. Die Umstände von
Nahels Tod sind offensichtlich nicht zu rechtfertigen.
Er war zwar kein „Baby“ mehr und der Polizei bereits bekannt, die ihn wegen
Fahrens ohne Führerschein erwischt hatte. Doch war er laut der Anwältin
Jennifer Cambla nicht vorbestraft.
Der Vorsitzende des Sportvereins Ovale Citoyen, Jeff Puech, kannte Nahel:
„Er wollte beruflich und sozial weiterkommen, er war kein Junge, der vom
Dealen oder der Kleinkriminalität lebte“, sagte er der Zeitung Le Parisien.
Nahel entsprach somit nicht unbedingt dem Klischee des
Vorstadtjugendlichen, mit denen sich die Polizei in einem permanenten
Konflikt verwickelt fühlt. Pech für die extreme Rechte, die sich fast
reflexartig mit dem Polizisten solidarisiert hat.
## Selbst die Staatsspitze gibt sich entrüstet
Mit einer fast einstimmigen Entrüstung über den inakzeptablen Tod eines
Jugendlichen hat im Gegensatz dazu die Staatsführung reagiert. Nach
Innenminister Gérald Darmanin und Premierministerin Elisabeth Borne hatte
am Mittwoch auch Staatspräsident Emmanuel Macron bei einem Besuch in
Marseille sehr deutlich Stellung genommen. Der Tod eines unschuldigen
Jugendlichen sei „unerklärbar und unentschuldbar“, sagt Macron.
Die Polizeigewerkschaften, die sich mit ihrer Forderung eines erweiterten
Notwehrrechts in die Enge gedrängt fühlen, protestieren, der Präsident
verletze mit dieser „Vorverurteilung“ ihres Kollegen das Prinzip der
Gewaltentrennung.
Für Macron geht es eher darum, eine weitere Eskalation der Gewalt zu
verhindern. So verurteilte er auch die gewaltsamen Proteste der letzten
zwei Nächte als „ungerechtfertigt“. Um weitere Ausschreitungen einzudämme…
wurden laut dem Innenministerium für Donnerstagabend landesweit 40.000
Beamte mobilisiert, davon 5.000 in Paris und Umgebung.
29 Jun 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/Ohana_Fgn/status/1673608693265453056?ref_src=twsrc%5Etf…
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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