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# taz.de -- Berlins neuer CDU-Kultursenator: Kultur? Schnickschnack!
> Berlins neuer Kultursenator Joe Chialo (CDU) wird schon jetzt von seiner
> eigenen Partei belächelt. Wird er die Kultur verteidigen können?
Bild: Wer sieht hier glücklicher aus? Joe Chialo und Kai Wegner beim CDU-Lande…
Zunächst einmal scheint die Personalie Joe Chialo, [1][Berlins neuer
Kultursenator,] interessant. In Bonn ist er als Kind einer tansanischen
Diplomatenfamilie aufgewachsen. Er war Ordensschüler, hat Fräser gelernt,
ein paar Semester Geschichte, Politik und Wirtschaft studiert, mit seiner
Metalband einen Plattenvertrag bekommen, schließlich selbst ein Label beim
Musikkonzern Universal gegründet, beim European Song Contest gearbeitet.
Ein sympathischer, neuer Turnschuh-Senator, ein unbeschriebenes Blatt, ein
Quereinsteiger, der erst 2016 in die CDU eingetreten ist. Hoffnung keimt
auf: Vielleicht könnte einer wie dieser tatsächlich mehr reißen als nur das
beklagenswert provinzielle bis tiefschwarze Image der Berliner CDU um ein
paar Nuancen aufzuhellen.
Doch kaum, dass die Berliner SPD für die Koalition mit der CDU gestimmt
hat, lässt Berlins künftiger Regierender und CDU-Chef Kai Wegner [2][zur
Einführung seines Wunschkandidaten Chialo am Montagabend beim
CDU-Landesparteitag verlauten]: Wer Manager der Kelly-Familiy gewesen sei,
der könne auch die Berliner Kultur managen.
Das ist leider nicht nur eine Herabwürdigung für die Berliner Kultur. Es
ist auch ein paternalistischer Übergriff auf Joe Chialo. So, als wolle die
CDU, die traditionell immer ihre Kompetenz für Hochkultur betont hat,
gleich mal zu Anfang klar stellen, auf wessen Expertise sich ein junger
Mann aus der Schlagerecke bei Entscheidungen wie der über die anstehende
Nachfolge eines Daniel Barenboim verlassen kann.
## Viele Fallen
Die Skeptiker aus Berlins Off-Szene, die schon jetzt lautstark fürchten,
ein Mann wie Chialo, der sich vor allem als Unternehmer bezeichnet, kenne
keine Unterschiede zwischen kritischer, freier Szene und kommerzieller
Kreativwirtschaft, liegen nicht falsch. Kann schon sein, dass Chialo in
ähnliche Fallen tappen wird wie sein ehemaliger Firmenkollege Tim Renner
(SPD), der wie er mal Musikmanager bei Universal war.
Renner hat es in seinen kurzen zwei Jahren als Berliner Staatssekretär für
Kultur 2014 bis 2016 immerhin geschafft, die Volksbühne so tief in die
Scheiße zu reiten, dass sie sich bis heute noch nicht davon erholt hat.
Doch die Zweifel an Chialo greifen auch zu kurz. Das Amt des Kultursenators
galt bis zum Amtsantritt von [3][Kultursenator Klaus Lederer (Linke)] 2016
als wenig attraktiv, weil machtlos.
Lederer hat das gründlich geändert. Er war einer der beliebtesten Politiker
dieser Stadt. Dann hat er den Fokus auf lang vernachlässigte, aber
brennende Themen wie Ateliernot, Clubsterben und die Verdrängung
kultureller Freiräume gerichtet, die massiv den unverwechselbaren Spirit
dieser Stadt bedrohen.
Er hat es auch geschafft, zahlreiche Orte und Institutionen für Kultur zu
sichern, die berühmten Berliner Prekären durch die Pandemie zu hieven und
Themen wie gerechte Bezahlung im Kulturbetrieb zu installieren. Vor allem
aber hat er den Kulturetat von 492 auf knackige 803 Millionen Euro jährlich
hochgeboxt. Dazu braucht es Durchsetzungswillen und Standing.
Ein Standing, das Chialo derzeit offenbar am wenigsten von seiner eigenen
Partei zugetraut wird. Es ist nicht nur zu bezweifeln, dass sich Chialo
davon frei schwimmen kann. Darüber hinaus klingt die Äußerung Wegners auch
in Anbetracht der nun wieder knapperen Kassen wie ein Verweis der Kultur in
ihre alten, nicht ernstzunehmenden Schranken.
29 Apr 2023
## LINKS
[1] /Joe-Chialo-soll-Kultursenator-werden/!5923215
[2] /Das-sind-die-neuen-Senatorinnen/!5927515
[3] /Berlins-Kultursenator-zieht-Bilanz/!5927326
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Kulturpolitik
Klaus Lederer
CDU Berlin
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Verdrängung
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Wochenkommentar
Die Linke Berlin
Staatsoper Unter den Linden
Kunsträume Berlin
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