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# taz.de -- LGBTQ+-Rechte in der Ukraine: Mit russischen Werten nach Europa
> Im Krieg wären eingetragene Lebenspartnerschaften für LGBTQ+Menschen noch
> wichtiger als sonst. Doch ein Großteil der ukrainischen Gesellschaft ist
> dagegen.
Bild: Mit Regenbogen-Socken zum Pride-Marsch in Charkiw, Ukraine, 15.9.2019
In der Ukraine sind gleichgeschlechtlich Ehen nicht legal. Anfang März
haben einige Dutzend Parlamentsabgeordnete (darunter auch Mitglieder von
Selenskyjs Partei Diener des Volkes) den Gesetzentwurf „Über die
Institution der eingetragenen Lebenspartnerschaften“ für homo- und
heterosexuellen Paare eingebracht. In dem Gesetz geht es weder um
standesamtliche oder kirchliche Eheschließungen noch um Taufe gemeinsamer
Kinder.
Das Hauptaugenmerk liegt auf den Bedürfnissen ukrainischer
LGBTQ+-Soldat*innen, deren Partnerschaften der Staat formal anerkennen
können soll. Die Verfasser dieses Gesetzes sagen, dass die Möglichkeit
einer solchen eingetragenen Partnerschaft nicht nur bei Fragen nach
materiellem Besitz wichtig ist, sondern auch bei Aspekten wie dem Besuch
des Partners oder der Partnerin im Krankenhaus oder der Entscheidung
darüber, wie ein im Krieg Gefallener bestattet wird.
Ja, in der Ukraine geht es bei eingetragenen Lebenspartnerschaften jetzt
auch um Kriegsverletzungen, Gefangenschaft oder den Tod des Partners oder
der Partnerin. Zugleich sind solche Partnerschaften auch eine Alternative
[1][für all jene, die nicht heiraten können] oder wollen.
Gleichgeschlechtliche Paare können so den Status von nahen Angehörigen
erhalten, auch ohne Eheschließung. Das Gesetz regelt jedoch nicht die Frage
der Vaterschaft.
Dem Gesetzentwurf schlug eine Welle des Hasses entgegen! Hass auf einem
Level, auf dem die Ukrainer sonst nur Putin und die Russen verfluchen. Die
sozialen Medien waren voll von Kommentaren wie „In der Ukraine soll die
Familie zerstört werden“, „Lasst uns die traditionellen Werte bewahren!“
Scharf verurteilt wurde das Gesetz von der Kirche, und mehrere
Stadtverordneten wandten sich mit aggressiven Äußerungen an die Regierung.
Bei uns in Luzk verglichen Stadtverordnete LGBTQ+-Soldat*innen, die für
unseren Staat kämpfen, mit „Pädophilen und Drogensüchtigen“.
Zufälligerweise gerade jetzt wird in der Ukraine darüber diskutiert dass in
einem abgeschiedenen Karpatendorf, wo genau diese „traditionellen“ Werte
noch herrschen, eine Gruppe Schülern eine 14-jährige Mitschülerin
vergewaltigt hat. Das ganze Dorf wusste davon, weil die Teenager ein Video
davon gemacht hatten. Das Dorf mit den „traditionellen Werten“ verteidigte
die Vergewaltiger und der Richter verurteilte sie zu Bewährungsstrafen.
Man kann hundert Mal schreiben, dass die „traditionelle Familie die
Verbindung zwischen Frauen und Männern ist“, aber [2][es kann passieren,
dass der Vater eines Kindes im Krieg stirbt] und es jetzt nur von der
Mutter großgezogen wird. Und Mutter und Kind sind eben auch Familie – eine
richtige und vollwertige.
Und es kann passieren, [3][dass eine russische Rakete das Haus trifft] und
das Kind jetzt bei der Großmutter aufwächst. Oder bei der Familie einer
Freundin der Mutter. Dann hat das Kind eine neue Familie. Wie bewertet man
das dann – hat dieses Kind dann eine traditionelle ukrainische Familie oder
eine nicht-traditionelle?
In der Ukraine kämpfen Menschen aus der LGBTQ+-Community in der Armee. Und
während noch vor einigen Jahren vielleicht ein Soldat, eine Soldatin anonym
über seine oder ihre homosexuelle Orientierung mochte, gibt es mittlerweile
in den Streitkräften über hundert Kämpfende, die sich offen als LGBTQ+
outen. Und es werden mehr, die offen darüber sprechen. Und diese
Militärangehörigen haben Partnerinnen und Partner, die Anspruch auf
rechtlichen Schutz und auf garantierte Rechte seitens des Staates
Die Ukraine muss sich jetzt mit dem europäischen Stand der Entwicklung bei
Freiheit und der Achtung von Menschenrechten auseinandersetzen. Wir
versuchen der Welt zu zeigen, dass wir ein Land sind, [4][das sich den
Werten der „russischen Welt“ entgegen stellt] und Religionsfreiheit
verkündet. Aber gleichzeitig schränken wir die Rechte „Andersdenkender“
ein.
Aus dem Russischen [5][Gaby Coldewey]
Finanziert wird das Projekt von der [6][taz Panter Stiftung].
Einen Sammelband mit den Tagebüchern hat der [7][Verlag edition.fotoTAPETA]
im September 2022 herausgebracht.
27 Apr 2023
## LINKS
[1] /Hochzeit-in-bombardierter-Ukraine/!5844851
[2] /Getoetete-Soldaten-in-der-Ukraine/!5911861
[3] /Slowjansk-nach-einem-Raketenangriff/!5928203
[4] /Russische-Staatspropaganda/!5889266
[5] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[6] /Osteuropa-Projekte/!vn5913530
[7] https://www.edition-fototapeta-shop.de/
## AUTOREN
Juri Konkewitsch
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