| # taz.de -- Weniger Waffen in Serbien nach Amoklauf: Kalaschnikows einkassieren | |
| > Nach den beiden Amokläufen der vergangenen Woche fordert die serbische | |
| > Regierung die „totale Entwaffnung“ der Bevölkerung. Diese soll bis Juni | |
| > gelten. | |
| Bild: Rund 480.000 Serben sollen legal im Besitz einer Waffe sein | |
| Belgrad taz | [1][Serbien] befindet sich im Schockzustand. [2][Zwei | |
| Amokläufe] haben sich ereignet, innerhalb von zwei Tagen. Am vergangenen | |
| Mittwoch an einer [3][Grundschule im Zentrum Belgrads], am Donnerstag im | |
| Belgrader Vorort Mladenovac. Insgesamt gab es 17 Tote und über 20 | |
| Verwundete. Ein Kind und ein Jugendlicher töteten Kinder und Jugendliche. | |
| Trauer steigert sich zur Wut. | |
| Entrüstete Bürger wollen Antworten haben: Wie konnte das passieren? Was hat | |
| dazu geführt? Wer ist dafür verantwortlich? Die Regierung steht unter | |
| Zugzwang. Es muss etwas getan werden, und zwar schnell. Es muss der | |
| Eindruck erweckt werden, dass alles getan wird, damit so etwas nie wieder | |
| passiert. Zumal Regierungsvertreter bei öffentlichen Auftritten unmittelbar | |
| nach der Tragödie einen irritierenden Mangel an Mitgefühl und Hang zur | |
| Eigenwerbung präsentiert hatten, und die Antworten auf oben genannte Fragen | |
| direkt zur Verantwortung der Staatsspitze führen würden. | |
| Und so wendete sich Staatspräsident Aleksandar Vučić, der von seinen | |
| Parteigenossen glorifizierte Volksführer, an sein Volk. Der Mann, der sich | |
| längst über Verfassung und demokratische Institutionen hinweggesetzt hat, | |
| versprach die „totale Entwaffnung Serbiens“. Konkret: Ab Montag können | |
| alle, die eine illegale Waffe besitzen, sie bis zum 9. Juni ohne | |
| strafrechtliche Folgen der Polizei übergeben. Ausgenommen Jäger, sollen | |
| rund 480.000 Serben legal im Besitz einer Waffe sein, deren Waffenscheine | |
| wolle man überprüfen und danach würden, ist sich der Präsident sicher, nur | |
| 30.000 bis 40.000 Bürger im Besitz einer Waffe bleiben dürfen. | |
| ## Höhere Strafen, mehr Polizei | |
| Und mehr noch: Ein- bis zweimal jährlich sollen Waffenbesitzer ärztlich und | |
| psychiatrisch untersucht und auf Drogenkonsum kontrolliert werden. Die | |
| Kriterien für die Vergabe von Waffenscheinen sollen viel strenger werden | |
| als bisher. Die maximale Strafe für illegalen Waffenbesitz soll von 12 auf | |
| 15 Jahre erhöht werden. Schießplätze sollen strenger kontrolliert werden. | |
| Außerdem, versprach der Staatspräsident, sollen sofort zusätzliche 1.200 | |
| Polizisten vor Schulen, Shoppingmalls, Kinderspielplätzen Wache schieben. | |
| Da der Staatspräsident gleichzeitig der Präsident der überpotenten | |
| Serbischen Fortschrittspartei ist, ist zu erwarten, dass die | |
| Ministerpräsidentin, Minister und Abgeordnete von seinen Gnaden seinen | |
| Willen durchsetzen werden. | |
| Alle diese Maßnahmen klingen einleuchtend, doch mit den Ursachen der zwei | |
| Amokläufe haben sie recht wenig zu tun. Der dreizehnjährige Mörder tötete | |
| seine Mitschüler mit der Pistole seines Vaters, der einen ordentlichen | |
| Waffenschein hatte, und legte eine Treffsicherheit an den Tag, die auf | |
| ernstzunehmende Schießübungen schließen lässt. Der einundzwanzigjährige | |
| Killer aus dem Belgrader Vorort hatte zwar eine illegale Schnellfeuerwaffe, | |
| doch strengere Strafen würden Waffenhändler kaum davon abbringen, illegal | |
| Waffen zu verkaufen. Vor allem nicht auf dem Balkan, wo vielerorts ein Mann | |
| aus Tradition eine Waffe zu besitzen hat. | |
| ## Kinder in psychischer Not identifizieren | |
| Die Anwesenheit eines Polizisten vor der betroffenen Grundschule Vladislav | |
| Ribnikar hätte den Amoklauf kaum verhindern können – erstens hat die Schule | |
| zwei Eingänge und zweitens kann nicht jedes Schulkind nach Waffen | |
| durchsucht werden. Darüber zu spekulieren, ob die Anwesenheit der Polizei | |
| vor Schulen einen Amokläufer davon abbringen würde, seine Tat zu begehen, | |
| erscheint sinnlos. | |
| Kinderpsychiater meinen, dass es vernünftiger wäre, zum Beispiel | |
| zusätzliche 1.200 Pädagogen und Psychologen einzusetzen, die [4][Kinder in | |
| psychischer Not identifizieren] könnten. | |
| Doch das würde viel Zeit benötigen, und den politischen Schaden muss man | |
| sofort beheben. Oppositionelle Parteien riefen am Montag in Belgrad und | |
| Novi Sad zu Massenprotesten unter dem Motto „Gegen Gewalt“ auf. Und so sah | |
| man schon am Montag uniformierte Polizisten vor Belgrader Schulen, die | |
| verängstigten und zornigen Eltern ein Gefühl der Sicherheit, der Sorge des | |
| Staates um das Wohlergehen ihrer Kinder vermitteln sollten. | |
| 8 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andrej Ivanji | |
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