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# taz.de -- Nach Amoklauf an Grundschule in Serbien: Vor Schmerz erstarrt
> In der serbischen Hauptstadt Belgrad herrscht nach dem Amoklauf eines
> 13-Jährigen Trauer. Der Präsident nutzt die Tragödie für Kritik an
> „Reichen“.
Bild: Kerzen für die Opfer: In einer Schule in Belgrad hatte ein 13-Jähriger …
Belgrad taz | Die Menschen in der serbischen Hauptstadt Belgrad sind
fassungslos. Am Mittwoch hatte ein dreizehnjähriger Junge kurz vor neun Uhr
morgens acht Mitschüler und den Schulwächter in der Grundschule „Vladislav
Ribnikar“ mit der Pistole seines Vaters getötet. Eine Lehrerin und sechs
Kinder wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Danach ging der Schütze
auf den Schulhof, rief die Polizei an und stellte sich.
Er habe vorher einen detaillierten [1][Plan für seinen Amoklauf]
ausgearbeitet, verkündete das Innenministerium später. Er habe genau
gewusst, in welche Klasse er wann gehen würde, sowie eine Liste mit Namen
von Schülern dabei gehabt, die er töten wollte. Neben der schweren,
großkalibrigen Mordwaffe habe er auch eine kleinkalibrige Waffe und vier
Molotowcoctails im Rucksack gehabt.
Mindestens fünfzehn Mal traf der schmächtige Dreizehnjährige seine
lebendigen Zielscheiben, manche mit mehreren Kugeln. Sein Vater, ein Arzt,
der Waffenscheine für die Mordwaffen besitzt, nahm seinen Sohn zu
Schießübungen mit. Der Täter wird erst im Juli vierzehn, sodass er in
Serbien nicht einmal unter das Jugendstrafrecht fällt. Derzeit befindet er
sich in einer psychiatrischen Klinik.
Aus unerfindlichen Gründen beginnt die offizielle, dreitägige Staatstrauer
erst am Freitag. Doch die Belgrader trauern, seit sie erfahren haben, was
geschehen ist. Und wie sie trauern. Die Metropole mit zwei Millionen
Einwohnern ist erstarrt vor Schmerz. Menschen ringen um Worte, versuchen
ihre Tränen zurückzuhalten. In den Cafés ist es still. In Bussen ist die
Stimmung wie auf einem Friedhof. Sogar der Straßenlärm scheint gedämpft zu
sein.
## Politik mit dem Amoklauf
Teenager umarmen in der Nähe des Tatortes einen Freund, dessen elfjährige
Schwester erschossen wurde. Einige Menschen versuchen eine Frau zu
beruhigen, deren Tochter während des Amoklaufes in der Schule war und
unverletzt davon gekommen ist.
Spontan versammelten sich am Mittwochabend Tausende in der Nähe der Schule.
Sie zündeten Kerzen an und gedachten der Toten. Ihre Gedanken waren bei den
Eltern, die an diesem 3. Mai ihre Kinder, wie jeden Tag, in die Schule
begleitet hatten. Und bei Dragan Vlahović, dem gutmütigen Fünfzigjährigen,
der viel mehr als ein Schulwächter gewesen und ein Teil ihres
Erwachsenwerdens geworden war.
Währenddessen meldeten sich auch Politiker zu Wort. Bildungsminister Branko
Ružić [2][gab „westlichen Werten“ die Schuld] an der Tragödie.
[3][Staatspräsident Aleksandar Vučić] verspürte in seiner Ansprache den
Drang zu betonen, dass in die Schule „Vladislav Ribnikar“ Kinder
„vermögender“ Eltern mit überdurchschnittlichen Einkommen gingen, die in
„Hülle und Fülle“ lebten. Als ob das etwas mit dem Schrecken des
Augenblicks zu tun hätte. Und als ob er sich an Wähler wandte, von denen
viele nicht vermögend sind.
Was wollte der Staatschef damit bewirken, fragten sich Eltern der Schüler
dieser staatlichen Grundschule? Auch unter ihnen müssen die meisten, wie
alle anderen Bürger im sozial ruinierten Serbien auch, täglich um ihre
Existenz kämpfen.
Der Bildungsminister ordnete an, dass der Unterricht am Donnerstag in allen
Schulen mit einer Schweigeminute beginnen, ansonsten jedoch normal
verlaufen werde. Die Grundschule „Vladislav Ribnikar“ blieb geschlossen.
Anweisungen, wie sie mit den Kindern nach dieser Gewalttat umgehen sollen,
haben Lehrer bislang nicht bekommen.
4 May 2023
## LINKS
[1] /Amoklauf-an-Grundschule-in-Belgrad/!5932271
[2] /Proteste-gegen-EuroPride-in-Belgrad/!5881254
[3] /Aleksandar-Vucic/!t5011786
## AUTOREN
Andrej Ivanji
## TAGS
Schule
Amoklauf
Serbien
Belgrad
Waffenschein
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Suizid
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