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# taz.de -- Julian Reichelt ohne Quellenschutz: Deutsche Medienmänner
> Es ist journalistischer Standard, Informanten zu schützen, falls sie
> Repression zu befürchten haben. Bei der „Berliner Zeitung“ gilt das nicht
> mehr.
Bild: Redaktionen bieten Quellenschutz, Verleger Holger Friedrich nicht
Die Affäre um Springer-Vorsitzenden Mathias Döpfner und Ex-Bild-Chef Julian
Reichelt hat eine neue Wendung bekommen. Holger Friedrich, Herausgeber der
[1][Berliner Zeitung,] soll [2][laut Informationen des Magazins Der
Spiegel ] den Springer-Verlag darüber informiert haben, dass Reichelt
vertrauliche Dokumente an ihn, Friedrich, weitergeben wollte.
Erst vor wenigen Tagen hatte Springer verkündet, gegen Reichelt bei der
Berliner Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Betrug und vor dem
Arbeitsgericht eine Zivilklage eingereicht zu haben. Der Konzern
verdächtigt Reichelt, interne Dokumente an unbefugte Dritte weitergereicht
zu haben. Bei der Klagesumme soll es sich um einen siebenstelligen Betrag
handeln.
Erst Mitte April hatte Die Zeit private Nachrichten von Döpfner
veröffentlicht, in denen sich der Verleger abfällig über Ostdeutsche und
Muslime äußert, den Klimawandel begrüßt und fordert, die FPD auf 15 Prozent
hochzuschreiben. Es gibt Spekulationen, dass sie von Reichelt der Zeit
zugespielt wurden, denn viele der Nachrichten waren erkennbar an ihn
adressiert.
Ebenfalls diese Woche veröffentliche der Stern angeblich entlastende
Chatnachrichten zwischen Reichelt und einer ehemaligen Angestellten, die
ihn in den USA des sexuellen Missbrauchs bezichtigte. Diese Häufung lässt
die Frage aufkommen, ob Reichelt zurzeit mit seinen Chatverläufen hausieren
geht.
## Vertrauliche Chatnachrichten
Laut Spiegel hatte Reichelt Friedrich am Samstag voriger Woche per WhatsApp
gefragt, ob er Interesse an internem Material hätte. Obwohl Friedrich
Reichelt an den Chefredakteur der Berliner Zeitung, Tomasc Kurianowicz,
weiterverwiesen habe, habe Reichelt ihm unaufgefordert vertrauliche
Chatnachrichten geschickt.
Friedrich bat die eigene Rechtsabteilung um eine Einschätzung und entschied
sich dann, das Material zu löschen, da es die Persönlichkeitsrechte
Döpfners verletze. Dann informierte Friedrich schriftlich Juristen von
Springer über den Vorgang, ohne jedoch das Material an sich weiterzugeben.
Nun stellt sich die Frage nach dem Quellenschutz. Ein solcher Schritt ist
im Journalismus mehr als ungewöhnlich. Journalistischer Standard ist,
Quellen nicht zu nennen, falls sie Repression zu befürchten haben, etwa
Klagen. Der Vorgang lässt die Berliner Zeitung in schlechtem Licht
erscheinen. Ist sie noch Anlaufstelle für investigative Geschichten? Können
Quellen sicher sein, dass sie nicht verpetzt werden, falls sie mit der
Berliner Zeitung zusammenarbeiten?
## Redaktion bietet Quellenschutz, Friedrich nicht
Chefredakteur Kurianowicz schrieb in einer Stellungnahme am Donnerstag:
„Holger Friedrich hat als Unternehmer und Verleger unabhängig davon den
Springer-Verlag über die Kontaktaufnahme von Reichelt informiert, um seinen
unternehmerischen Standards zu entsprechen.“ Die redaktionelle Perspektive
unterscheide sich von der Friedrichs. „Die Redaktion der Berliner Zeitung
bietet Quellenschutz, unabhängig davon, wer die Quelle ist.“
Friedrich hatte in einem am Donnerstagmorgen veröffentlichten längeren
[3][Interview im Manager Magazin] gesagt, die Veröffentlichung hätte gegen
„professionelle Standards“ verstoßen, weil sie Persönlichkeitsrechte
verletzte. Friedrich würde erwarten, „dass man auch mit uns so umgeht, wenn
ein Mitarbeitender des Berliner Verlages mit privaten persönlichen
Informationen aus dem Berliner Verlag bei anderen Verlagshäusern hausieren
gehen würde.“ Das seien Standards, die in anderen Industrien, etwa der
Finanz- oder Automobilindustrie, selbstverständlich seien.
Der IT-Unternehmer Friedrich, der erst 2019 die Berliner Zeitung übernommen
hatte, ist bereits in der Vergangenheit mit für die Branche ungewöhnlichen
Vorstellungen aufgefallen. Ein publizistisches Manifest Friedrichs und
seiner Ehefrau wurde weithin als konfus gewertet.
28 Apr 2023
## LINKS
[1] /Redaktionen-der-Berliner-Zeitung/!5833599
[2] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/berliner-verlag-lieferte-spri…
[3] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/wir-muessen-ueber-den-schmalen-g…
## AUTOREN
Caspar Shaller
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